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Als Spieler ritt der Nonkonformist einst mit leeren Satteltaschen ins Abendrot seiner Kariere. 2009 verzichtete Patrick Fischer im Alter von 34 Jahren auf einen hoch dotierten weiterlaufenden Vertrag. Dabei hatte er soeben in der NLA-Saison 2008/09 für Zug in 60 Spielen 51 Punkte gebucht. «Die Leidenschaft war irgendwie weg. Deshalb verzichtete ich auf den weiterlaufenden Vertrag und suchte eine neue Herausforderung. Ich atmete durch, tat, was ich während meiner Karriere als Spieler nicht tun konnte. Ich spielte Poker, surfte, reiste durch die Welt und, ja, ich lebte drei Monate bei einem Indianerstamm im Amazonasgebiet.» So hat er sein überraschendes Karrieren-Ende einmal erklärt.
Inzwischen hat der Zuger seine dritte Saison als Cheftrainer beim HC Lugano begonnen. Dort, wo er 1999 als Spieler Meister wurde. Über die Viertelfinals ist auch er zweimal hintereinander nicht hinausgekommen, und der Saisonstart ist mit bloss zwölf Punkten aus neun Spielen und einer Derby-Pleite in Ambri auch nicht nach Mass geglückt. Und doch hat Fischer die Schweizer Hockeykultur bereits verändert.
Jahrzehntelang profitierten ausländische Trainer davon, dass sie ein bisschen mit kanadischem Akzent fabulierten und mit Charisma fehlende fachliche und taktische Kompetenz kaschierten. Schweizer Trainer hatten es ungleich schwerer. Sie wurden gnadenlos hinterfragt.
Patrick Fischer aber verdankt seinen Job in Lugano mehr seinem Charisma als seiner fachlichen Qualifikation – so wie einst viele ausländische Coaches. Seine Kritiker sagen, er überschätze sich. Er habe das Trainerhandwerk nie von Grund auf gelernt und sei bloss ein Architekt, der taktische Luftschlösser baue. Deshalb fehle jetzt Luganos teuerster Mannschaft der Geschichte ein taugliches Spielkonzept.
Seine Bewunderer sehen in ihm hingegen den Erlöser Luganos. Seit John Slettvoll den «Bianconeri» die ruhmreichste Phase der Geschichte mit vier Titeln bescherte (1986 bis 1990), ist Lugano auf der Suche nach dem nächsten Slettvoll. Bis auf Jim Koleff konnte noch keiner auch nur halbwegs in den Schuhen des linksintellektuellen Schweden stehen. Aber viele trauen Patrick Fischer zu, dass er dazu in der Lage ist.
Luganos Trainer hat keine Angst vor grossen Namen – und das ist eine wichtige Voraussetzung, um als Trainer erfolgreich zu sein. Er spielte eine halbe Saison unter Trainer Wayne Gretzky bei Phoenix in der NHL (2006/07 – 27 Spiele/10 Punkte). Es dauerte nicht lange und er war der beste Kumpel des Grössten und beide sind bis heute Freunde geblieben.
Aber eben: Reicht es, den Grössten der Branche auf Augenhöhe entgegenzutreten? Können Selbstvertrauen, Charisma stärker sein als Erfahrung und Handwerk? Warum nicht? Ralph Krueger begann einst seine grandiose Trainerkarriere in Feldkirch auch als unerfahrener, aber charismatischer Trainer-Zauberlehrling. Er wurde als Nationaltrainer einer der grossen Taktiker des internationalen Hockeys und hat es bis zum NHL-Cheftrainer gebracht.
Luganos Präsidentin Vicky Mantegazza ist jedenfalls davon überzeugt, dass Patrick Fischer der neue Slettvoll (oder Ralph Krueger) werden kann. Die Milliardärin setzt so auf den ehemaligen Nationalstürmer wie einst ihr Vater Geo Mantegazza auf Slettvoll. Deshalb hat sie den Ende Saison auslaufenden Vertrag kurz vor Meisterschaftsbeginn vorzeitig bis 2018 verlängert und so alle Zweifel zerstreut. Seine Chefin hat Fischer also überzeugt. Aber überzeugt er auch 25 Spieler?
Das «Modell Fischer» ist auf der Ausstrahlung, dem Selbstvertrauen und der natürlichen Autorität des Trainers gebaut. Eine Spielphilosophie, die den Sport verändert – so wie bei Arno Del Curto oder Johann Cruyff – , steht nicht dahinter. Das «Modell Fischer» ist deshalb auch zerbrechlich: Beginnt sich der Trainer zu hinterfragen, kommen Zweifel auf, dann kann sich alles auflösen wie ein Luftschloss – und nichts ist im Sport teurer als die Sanierung von taktischen und sonstigen Luftschlössern.
In Lugano sind Zweifel der Anfang vom Ende. Das weiss auch der schlaue Sportchef Roland Habisreutinger. Über alles kann man mit dem weit gereisten Hockeymanager plaudern. Erkundigt sich hingegen der Chronist bei ihm nach dem Wesen und Wirken des Trainers und nach den Gründen für die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2018, dann sagt er höflich: «Ich wünsche einen wunderschönen Tag.»
Wunderschöne Tage in Lugano. So lange die Playoff-Qualifikation nicht in Gefahr ist, trüben auch ein paar Niederlagen das Hockeywetter im Südtessin nicht. Patrick Fischer kann es sich auch leisten, heute Abend in Bern zu verlieren.
Abgerechnet wird im Frühjahr. Seit dem letzten Titel von 2006 hat Lugano nie mehr eine Playoff-Serie gewonnen. Zweimal hintereinander ist auch Patrick Fischer als Trainer mit Lugano bereits in der ersten Runde gescheitert. Verliert er im nächsten Frühjahr zum dritten Mal hintereinander das Viertelfinale, dann ist sein Abenteuer in Lugano zu Ende. Vertrag bis 2018 hin oder her. Aber dann wird er wenigstens mit prall vollen Satteltaschen ins Abendrot seiner Trainerkarriere reiten.