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Warum Kloten seine Krise nicht so lösen kann wie der SCB

Bedrückte Gesichter: Wenig passt derzeit bei den Flyers zusammen.
Bedrückte Gesichter: Wenig passt derzeit bei den Flyers zusammen.Bild: KEYSTONE
Der Anfang vom Ende

Warum Kloten seine Krise nicht so lösen kann wie der SCB

Der SC Bern stürzte als Meister in die Abstiegsrunde und ist ein Jahr später bereits wieder Spitzenteam und Titelkandidat. Den Kloten Flyers wird eine solche Wende nicht gelingen.
30.01.2015, 14:2230.01.2015, 15:03
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Den Kloten Flyers droht zum zweiten Mal in drei Jahren das Verpassen der Playoffs. Wir können sagen: Na und? Krisen gehören zu jedem Sportunternehmen. Der SC Bern stürzte gar als erster Meister überhaupt in die Abstiegsrunde. Eine schwere sportliche Krise. Nur ein Jahr später ist davon nur noch die Erinnerung geblieben. Der SCB dominiert die Liga wieder und steht auf Platz eins. Warum sollte dies nicht auch den Kloten Flyers gelingen?

Können die Flyers zum nächsten SCB werden?
Können die Flyers zum nächsten SCB werden?Bild: KEYSTONE

Der Unterschied zwischen gut und schlecht geführten Klubs zeigt sich in der Art und Weise, wie diese Krisen gemeistert werden. Der SCB konnte seine Krise so schnell überwinden, weil nur die Sportabteilung vorübergehend vom Kurs abgekommen war. Bei gut gemanagten Sportunternehmen gibt es nie in allen Bereichen eine Depression. Selbst die sportlich schlimmste Saison seit dem Wiederaufstieg von 1986 hatte keinerlei negativen Einfluss auf das kommerzielle Wohlergehen des SC Bern. Ja, der Zuschauerschnitt war mit 16'347 pro Spiel sogar höher als in der Meistersaison (16'329). 

SCB-General Marc Lüthi ist es gelungen, die Krise als grosses sportliches Drama zu inszenieren und mit enormer Medienpräsenz daraus wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Es hat keinen Rückgang bei den Werbeeinnahmen oder Saisonkarten-Besitzern gegeben. Die Krisensaison war wirtschaftlich ein famoses Jahr mit schwarzen Zahlen.

Versagen in finanziellen Erfolg umgewandelt

Letztlich war die SCB-Krise das Produkt verschiedener Faktoren und einer alleine hätte noch nicht zum Rückschlag geführt. Eine falsche Transfer-Sparpolitik, ein paar unglückliche Personalentscheide und die Selbstüberschätzung nach der Meisterfeier. Das, was im Sport eben passieren kann. Entscheidend war: Der SCB hatte die finanziellen Mittel, um eine Wende zu finanzieren. Trotz eines sportlichen Absturzes mit historischen Dimensionen nahm der SCB keinen finanziellen Schaden und die Sportabteilung ist handlungsfähig geblieben.

Die SCB-Führungsetage (im Bild Leuenberger) hat Krisenmanagement par excellence gezeigt.
Die SCB-Führungsetage (im Bild Leuenberger) hat Krisenmanagement par excellence gezeigt.Bild: KEYSTONE

SCB-Sportchef Sven Leuenberger zog die richtigen Schlüsse aus dem Versagen. Manager Marc Lüthi gab die Mittel für siebenstellige Transferinvestitionen frei und der SCB hat durch gezielte, teure aber richtige Zukäufe (Eric Blum, Thomas Ruefenacht, Marc Reichert, neue Ausländer) die sportliche Schlagkraft rasch wieder hergestellt. Inzwischen können wir sagen: Die SCB-Führung hat für das beste Krisenmanagement der neueren Geschichte gesorgt.

Der Vergleich liegt auf der Hand: Die Kloten Flyers sind als Vorjahresfinalist fast so tief gestürzt wie der SCB. Die Frage ist also: Werden sie die aktuelle Krise ebenso erfolgreich meistern wie die Berner? Wir können jetzt schon sagen: Nein, dazu sind sie nicht in der Lage.

Das Sportunternehmen der Kloten Flyers funktioniert nämlich nicht mehr richtig. Die Krise hat inzwischen alle wichtigen Bereiche erfasst. Die Nachwuchsorganisation, die 1. Mannschaft und die Vermarktung. Ohne viel Boshaftigkeit dürfen wir sagen, dass wahrscheinlich noch nie in der Geschichte unseres Hockeys so viel Geld so schlecht gemanagt worden ist. Kloten hat eine der teuersten Mannschaften der Liga und wahrscheinlich das teuerste Management.

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Kloten ist überfordert und im Stich gelassen

Weil Marketing und Kommunikation ungenügend sind, schlägt der sportliche Misserfolg auf die Zuschauerzahlen durch. Der Schnitt ist von 5626 im Vorjahr auf 5269 gefallen und wird weiter zurückgehen. Es ist nicht möglich, den Misserfolg als sportliches Drama zu inszenieren und zu verkaufen wie beim SC Bern. Der Verkauf der Werbung stockt. Die besten Trainer und Junioren verlassen die Nachwuchsabteilung. Die sportliche Führung ist durch das Doppelmandat Sportchef/Trainer von Sean Simpson überfordert. Die Mannschaft müsste dringend erneuert werden. Aber die Kloten Flyers haben noch keinen einzigen wichtigen Transfer eingefädelt und wissen schon, dass Nationalstürmer Simon Bodenmann per Ende Saison zum SCB wechselt.

Simon Bodenmann (rechts) wird ab nächster Saison mit den Berner Bären jubeln.
Simon Bodenmann (rechts) wird ab nächster Saison mit den Berner Bären jubeln.Bild: Nick Soland/freshfocus

Die Kloten Flyers haben die gute Ausgangslage nach der Sanierung im Sommer 2012 nicht genützt. Innerhalb kurzer Zeit ist das in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaute Image als Dorf- und Ausbildungsklub vertan worden. Das älteste NLA-Unternehmen (seit 1962 ununterbrochen in der NLA) hat, so wie es jetzt aufgestellt ist und gemanagt wird, keine Perspektiven mehr. Die Chance, ein Gegenentwurf zu den mächtigen, reichen ZSC Lions zu werden, ist vertan. Den Kloten Flyers ist das schlimmste passiert, was einem Sportunternehmen widerfahren kann: Sie haben die Identität verloren. Niemand weiss mehr, wofür das eigene Unternehmen eigentlich steht. Diese Ratlosigkeit macht ein erfolgreiches Marketing fast unmöglich: Wie verkaufen, wenn man selber nicht weiss, was man eigentlich verkauft?

Der SC Bern hatte nach einer schweren wirtschaftlichen Krise (Nachlassstundung) 1998 ähnliche Startbedingungen wie die Kloten Flyers im Sommer 2012. Der SC Bern ist seither nicht zuletzt dank der Kontinuität im Führungsbereich das wirtschaftlich erfolgreichste Hockeyunternehmen geworden.

Konstanz in der Hauptstadt

Die wichtigsten Führungskräfte und Spezialisten sind in Bern seit Jahren im Amt. SCB-General Marc Lüthi, das Vermarktungsgenie Erwin Gross und – abgesehen von zwei kurzen Abstechern zu Davos und YB – der kluge Organisator und Netzwerker Rolf Bachmann sind seit 1998 dabei. Sportchef Sven Leuenberger führt die Sportabteilung bereits seit 2006. Der SCB hat inzwischen einen unbezahlbaren Schatz an Erfahrung und Wissen im Hockeybusiness angesammelt. Und darüber hinaus ist SCB-General Marc Lüthi ein brillanter Kommunikator. Es ist im Unterhaltungsgeschäft Sport ein grosser Vorteil, wenn der oberste Chef auch gleich der beste Kommunikator ist.

In Kloten wechseln wichtige Führungspositionen (Trainer, Sportchef, Marketing) inzwischen jede Saison. Das gesamte, über Jahrzehnte erarbeitete Hockey-Wissen im Dorf ist verloren gegangen. Die Erfahrung und das Wissen der Ehemaligen (wie Jürg Ochsner, Jürg Schawalder, Ronnie Rüeger oder Peter Bossert) werden ignoriert und nicht genutzt. Eine Strategie, wie es denn weiter gehen soll, gibt es nicht. Die Flyers rasen im Blindflug durch Raum und Zeit.

Seit 17 Jahren für den SCB verantwortlich: Marc Lüthi.
Seit 17 Jahren für den SCB verantwortlich: Marc Lüthi.Bild: KEYSTONE

Klotens Hockeykultur ist in die gefährlichste Phase ihrer langen Geschichte geraten, und an dieser Einschätzung ändert sich nichts, wenn die Playoff-Qualifikation doch noch gelingen sollte. Das sportliche und wirtschaftliche Umfeld hat sich im 21. Jahrhundert auf dramatische Weise verändert und dem Hockeyunternehmen am Rande von Zürich wird mehr und mehr der finanzielle und sportliche Sauerstoff entzogen. Rundherum sind bessere Nachwuchsorganisationen entstanden (ZSC/GCK Lions, Zug) oder werden gerade aufgebaut (Lakers). Das Aphrodisiakum des Erfolges wirkt bereits ein Jahr nach der Finalqualifikation nicht mehr. Bald ist Geld der einzige Grund für einen Spieler, nach Kloten zu wechseln. Die äusseren Umstände (Stadion) engen die Einnahmemöglichkeiten ein und es ist kurzfristig praktisch unmöglich, die Kloten Flyers in die schwarzen Zahlen zu führen. Selbst aus der Finalsaison resultierte ein Verlust von rund 5 Millionen.

Vier Fragen entscheiden über Klotens Schicksal

Ganz nüchtern betrachtet: Es ist der Anfang vom Ende. Das Finale von 2014 war der letzte sportliche Tango. Bereits geistert das «Gespenst Arosa» durch den Schluefweg. Arosa hat sich vier Jahre nach seinem letzten Titelgewinn im Frühjahr 1986 mangels wirtschaftlicher Perspektiven freiwillig in die 1. Liga zurückgezogen. Heute kämpfen die Bündner in der obersten Amateurklasse um den Liga-Erhalt.

Die Trainerposition ist mit Sean Simpson gut besetzt.
Die Trainerposition ist mit Sean Simpson gut besetzt.Bild: Daniela Frutiger/freshfocus

Kann Kloten wieder ein Spitzenteam werden? Theoretisch Ja. Aber eine Wende ist nur mit Investitionen von mehreren Millionen möglich. Drei Ausländer müssten aus laufenden Verträgen ausbezahlt und weggeschickt werden. Die inzwischen offensiv schwächste Mannschaft der Liga braucht dringend eine Verjüngung der Mittelachse. Die Torhüterposition muss neu besetzt werden. Martin Gerber ist 40 Jahre alt und statistisch nur noch die Nummer 18 der Liga. Noch wichtiger: Kloten braucht in den Schlüsselpositionen die bestmöglichen Führungskräfte. Es mag angesichts der sportlichen Misere absurd klingen – aber das Traineramt (Sean Simpson) ist zurzeit die einzige Führungsposition im ganzen Unternehmen, die gut besetzt ist.

Das Schicksal der Kloten Flyers hängt an vier Fragen. Erstens: Ist Präsident und Besitzer Philippe Gaydoul bereit, mehrere Millionen zu investieren? Zweitens: Ist er willens, weiterhin pro Saison mehrere Millionen Verlust zu kompensieren? Drittens: Erkennt er nach einer Serie von personellen Fehlentscheiden endlich, wer im Eishockey-Geschäft etwas taugt und wer nicht? Viertens: Gelingt es ihm noch rechtzeitig, die richtigen Leute in sein Unternehmen zu holen? Wenn die Antwort auf alle vier Fragen ein «Ja» ist, dann können die Kloten Flyers wieder ein Spitzenteam sein. Aber frühestens ab 2018.

Die Playoff-Kandidaten seit dem Amtsantritt von Sean Simpson:
Ambri:
11 Spiele: 16 Punkte, 25:37 Tore
Biel:
11 Spiele: 14 Punkte, 35:42 Tore
Fribourg:
11 Spiele: 12 Punkte, 29:34 Tore
Kloten Flyers:
11 Spiele, 6 Punkte, 23:35 Tore
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