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Wer ist Arno Del Curto? Ein Eishockeytrainer mit abgeschlossener kaufmännischer Lehre natürlich. Doch er ist auch schon als Rocker, Therapeut, Seher, Freund, Berater, Motivator, Bandengeneral, Stratege, Antreiber, Sozialromantiker, Feuerkopf, Ausbildner oder Rebell bezeichnet worden. Was nun?
Der Engadiner aus St.Moritz ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten der helvetischen Zeitgeschichte. Deshalb beschreiben und befragen ihn nicht nur Sportchronisten. Auch die Feuilletonisten aus Kunst, Kultur und Politik befassen sich immer wieder staunend mit dieser schillernden, facettenreichen Persönlichkeit, die nicht nur bei der Arbeit auf Glatteis sondern auch in TV-Kindersendungen, als DJ, Fussballkommentator, Radio-Moderator oder Pokerspieler beste Figur macht. So kann sich jeder «seinen» Arno Del Curto basteln. Aber wer ist Arno Del Curto nun tatsächlich? Am ehesten werden ihm die Bezeichnungen Komponist, Dirigent und Rockstar gerecht.
Der Rockstar. Den Alterungsprozess (den wir diplomatisch manchmal als Reifeprozess beschreiben) hat Arno Del Curto gestoppt. Er weigert sich älter oder gar altersmilde zu werden. Er steht vor dem Stadion in Davos und ist soeben gefragt worden, ob er mit 60 eigentlich noch genug Energie für diesen Beruf habe, der doch bedingt, Rocker, Therapeut, Seher, Freund, Berater, Motivator, Bandengeneral, Stratege, Antreiber, Sozialromantiker, Feuerkopf, Ausbildner oder Rebel zu sein.
Wie so oft, wenn er provoziert wird und sich in Hitze redet, spricht Arno Del Curto von sich in der dritten Person. Wie ein Rockstar halt. «Niemand stellt Arno diese Frage! Niemand! Niemand! Niemand! Ich kann nichts dafür, aber ich habe immer noch Energie also ob ich zwanzig wäre. Wenn mir befohlen wird, da hinauf zu rennen» – er blickt nach oben Richtung Schatzalp, gut 400 Meter höher gelegen – «dann renne ich sofort hinauf und ich werde nicht zusammenbrechen.»
ZSC-Manager Peter Zahner hatte wohl recht, als er einmal launig bemerkte, Arno Del Curto werde in Davos in Rente gehen. Die Frage sei nur, ob mit 65, 75, 85 oder 95. Der «ewige» HCD-Trainer fasziniert auch in seiner 21. Saison durch seine Energie und seine Präsenz wie ein Mick Jagger der Hockeyszene. Er lebt bedingungslos im Augenblick. Er ruht und rastet nicht. Auch das mahnt an einen Rockstar.
Der Komponist. Arno Del Curto sagt, manchmal könne nicht einschlafen. Dann stehe er wieder auf, setze sich vor den Computer und sehe sich ein Konzert von … Leonard Bernstein an. Ein Eishockeytrainer und der weltberühmte Pianist, Komponist und Dirigent? Geht das? Ja. Wir können Leonard Bernstein sogar als den Arno Del Curto der klassischen Musik bezeichnen.
Der HCD-Trainer spürt eine Seelenverwandtschaft mit dem grossen amerikanischen Impresario. Er sagt, ein Spieler sei erst perfekt, wenn er Hockey ganzheitlich denke. Nur dann sei es möglich, das «totale» Hockey, die Präzision und die Schnelligkeit zu erreichen, die er sich vorstelle. «Ah, diese Leidenschaft, die bei Bernstein zu spüren ist. Zu sehen, wie er und seine Musiker zu einer Einheit verschmelzen und seine Musik leben und nicht bloss spielen, ist so faszinierend.»
Arno Del Curto kopiert ja nicht einfach Spielsysteme, die andere vor ihm schon gespielt haben. Taktisches Playback ist nicht seine Sache. Unermüdlich ist er auf der Suche nach dem vollkommenen Eishockey. Es geht ihm schon längst nicht mehr um Geld, Ruhm, Sieg oder Niederlage. Es geht ihm um das perfekte Spiel und weil diese Perfektion unerreichbar bleibt, im Leben, in der Kunst, in der Musik, im Sport, im Eishockey, ist er ein ewig Suchender. Ein Mann auf einer Mission, die nie endet. Er ist dazu verurteilt, das Spiel immer wieder neu zu komponieren.
Der Dirigent. Es macht schon Sinn, dass Arno Del Curto von Leonard Bernstein inspiriert wird. Auch er ist Dirigent und Komponist zugleich. Auch er versucht, seine Kompositionen (sein Spielsystem) mit seinem Orchester (seinem Team) einzuüben und dieses Orchester vom Dirigentenpult aus (von der Bande aus) durch ein Konzert (ein Spiel) zu führen.
Arno Del Curto sagt, der HCD werde nur ein weiteres Mal Meister, wenn es gelinge, eine neue Stufe der Schnelligkeit und der Präzision zu erreichen. Sein altes Erfolgsrezept ist ja schon spektakulär genug. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 1996 lässt er Kondition bolzen und hat eine Hockey-Dauerrenner-Kavallerie geformt, die ihre Gegner in den besten Zeiten förmlich unters Eis geritten hat. Vielleicht am spektakulärsten im Frühjahr 2009. Der Ritt in die meisterliche Morgenröte dauerte damals so lange wie vorher und nachher nie mehr. 21 Spiele (drei Serien über 7 Partien) für ein meisterliches Halleluja.
Ein junger Trainer weilte einmal für seine Weiterbildung in Davos und fragte den grossen Meister, ob er denn merke, wenn das Training zu hart sei. «Ja, natürlich», habe ihm Arno erklärt. «Ich frage Reto von Arx ob er müde sein und wenn er sagt, ja, er sei fix und fertig, dann weiss ich, dass wir noch härter trainieren müssen …»
Inzwischen hat die Konkurrenz in Unterland aufgeholt, konditionell nachgerüstet und lässt sich von Arnos Tempo-Kavallerie nicht mehr einfach über den Haufen rennen. Und vor allem fehlt ihm heute ein grosser «Reitergeneral». Eine Spielerpersönlichkeit, die das wilde Spektakel auf dem Eis im Sinne von Arno Del Curto zu lenken vermag. Ein Dirigent. Ein neuer Reto von Arx oder Sandro Rizzi. Die alten Strassen noch, die alten Häuser noch, die alten Freunde aber sind nicht mehr.
Also muss Arno Del Curto selber dirigieren. Es geht nicht anders. Er geht durch die Kabine. «Ein neuer Reto von Arx? Nein, ich sehe keinen.» Er schreitet die Garderobekästen ab, liest die Namen, spricht halblaut zu sich selbst. «Enzo Corvi? Nein. Marc Wieser? Nein. Samuel Walser? Nein.» So geht das rundherum und der HCD-Trainer redet sich langsam wieder ins Feuer. «Nein, nein, nein, kein neuer Reto von Arx.»
Er macht niemanden einen Vorwurf. Er mag seine Jungs. Er sucht keine Ausreden. Er liefert Erklärungen. «Wir leben in einer anderen Zeit. Ich muss meine Anweisungen ständig wiederholen. Immer wieder. Sie hören einfach nicht mehr zu wie früher.» Kaum habe er seinen Vortrag beendet, wende sich jeder wieder anderen Dingen zu. «Dann schaltet jeder sein, sein, sein, sein iPod, iPud, iPäd, iPöd ein – oder wie diese Dinger heissen.»
Ja, es ist nicht einfach, in der neuen Zeit ein Dirigent zu sein und das wilde, junge HCD-Orchester so zu dirigieren, dass es nicht aus dem Takt fällt. Und da ist eine weitere Gemeinsamkeit mit Leonard Bernstein. Wie Arno Del Curto junge Spieler fordert und fördert, so verstand es auch der charismatische Amerikaner junge Menschen für die klassische Musik zu begeistern.
Kann Arno Del Curto, Rockstar, Komponist und Dirigent, unter diesen neuen Voraussetzungen noch einmal ein Meisterteam formen? So wie er das nach seiner Amtsübernahme 1996 getan hat? Erst sagt er «nein!» und fast scheint es, als wolle er sich einreden, es sei nicht mehr möglich. Und dann fegt seine Leidenschaft alle Zweifel hinweg. Arno Del Curto spürt, ahnt, ja, er weiss, dass in seiner jungen Mannschaft ein enormes Potenzial steckt. Er geht noch einmal die Namen seiner Jungs durch. Und jetzt spricht er nicht mehr darüber, was diesem und jenem fehle um ein neuer Reto von Arx oder Sandro Rizzi, Josef Marha zu werden.
Er kommt in Fahrt und vor den Augen des gebannt lauschenden Chronisten entfaltet er das Panorama einer grandiosen neuen Zeit. Er weiss genau, was dieser oder jener noch verbessern muss und kann. Dann werde der HCD wieder «geiles Hockey, richtig geiles Hockey» spielen. Er spürt, er ahnt, er weiss, aber er sagt es nicht, dass er daran ist, eine neue Meistermannschaft zu formen. Wäre er Amerikaner, dann würde er einen Slogan prägen: «Make the HCD great again!»
Arno rockt, komponiert und dirigiert. Es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann der HCD wieder Meister wird. Aber für einen weiteren Turniersieg beim Spengler Cup reicht es 2016 wahrscheinlich noch nicht.