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HC Davos: Aus diesen Gründen steckt Arno Del Curto in einer Krise

HCD Coach Arno Del Curto nach dem Schlusspfiff, aufgenommen am Samstag, 27. Oktober 2018, beim Eishockey National League-Spiel zwischen dem HC Davos gegen den HC Lugano in der Vaillant Arena in Davos. ...
Auch die Hockeygötter scheinen ihrem «Papst» nicht mehr helfen zu können.Bild: KEYSTONE
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Darum steckt Arno Del Curto mit dem HCD in der ersten echten Krise

Alles dreht sich um Arno Del Curto (62). Aber was sind eigentlich die hockeytechnischen Gründe für den Absturz des einstmals meisterlichen Kultclubs? Die ZSC Lions und verletzte Eitelkeiten spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
28.10.2018, 19:1629.10.2018, 06:56
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Unter Arno Del Curto spielte Davos zeitweise das attraktivste und modernste Hockey Europas. Ja, die Davoser waren sogar Trendsetter. Die Avantgardisten des internationalen Hockeys.

Unter Avantgardisten verstehen wir Personen, die neue, wegweisende Entwicklungen anstossen. Im Gegensatz zum Trendsetter, der nur kurzfristige neue Moden anstösst, sind die Veränderungen, die von der Avantgarde ausgehen, von grundsätzlicherer und längerfristiger Wirkung.

Noch bevor das Eishockey durch die Regelauslegung «Nulltoleranz» – also durch die konsequente Durchsetzung der Regeln zum Schutz der technisch guten Spieler – ab 2005 von Grund auf verändert wurde, hatte Arno Del Curto auf Tempo, Tempo, Tempo gesetzt.

Marc Wieser sucht nach einer Erklärung.Video: YouTube/MySports

Vor allen anderen Klubtrainern lässt Arno Del Curto «totales Hockey» spielen. In einer Zeit, da defensive taktische Schachspiele die Spielkunst ersticken. Stark vereinfacht gesagt: Er trägt das Spektakel konsequent vors gegnerische Tor. Durch die aggressive Störarbeit beginnt die Defensive mit dem vordersten Mann. Und durch blitzschnelles Auslösen der Angriffe hebelt er die gegnerische Verteidigung aus, bevor sie sich formieren kann.

Für dieses Hockey braucht es Spieler mit schnellen Füssen und langem Atem. Die Trainings von Arno Del Curto sind jahrelang im Sommer und Winter die intensivsten im Land.

Felicien Du Bois, an der Meisterfeier des HC Davos, am Samstag, 18. April 2015, in Davos. Der HC Davos war am Freitag, 10. April 2015 zum 31. Mal Schweizer Eishockey Meister geworden. Sie hatten die F ...
2015: Der HC Davos feiert seinen bislang letzten Meistertitel.Bild: KEYSTONE

Dieses energiegeladene «Kavallerie-Hockey» hat dem HCD die Titel von 2002, 2005, 2007, 2009, 2011 und 2015 beschert. Die Davoser sind den sportlichen Problemen buchstäblich davongelaufen und sie sind nie in eine echte Krise geraten. Unter Arno Del Curto haben sie die Playoffs noch nie verpasst.

Warum funktioniert nicht mehr, was seit 1996 doch jedes Jahr funktioniert hat? Mehrere Gründe haben eine Krise herbeigeführt, die Arno Del Curto mit «seinem» Hockey nicht mehr lösen kann. Er kann der Krise nicht mehr davonlaufen.

Andere haben aufgeholt

Erstens zelebriert auch die Konkurrenz inzwischen «totales Hockey». So wichtig die Ordnung im Spiel (Taktik) auch sein mag – das zentrale Element des Spiels ist heute das Tempo. Wer nicht schnell laufen kann, wird von der Konkurrenz überholt und abgehängt. Heute sind alle Teams der Liga dazu in der Lage, das Tempo der Davoser auszuhalten.

Anders als etwa Langnaus Heinz Ehlers, Servettes Chris McSorley oder Ambris Luca Cereda ist Arno Del Curto nicht mehr dazu in der Lage, fehlendes Talent durch Organisation, Disziplin und Geduld wenigstens teilweise zu kompensieren.

Er kann nur Tempo. Er kann nicht Abstiegskampf und Krise. Was sich daran zeigt, dass er in der Doppelrolle Trainer/Sportchef die Nerven verloren und mit der überstürzten Verpflichtung von NHL-Torhüter Anders Lindbäck ein heilloses Goalie-Chaos angerichtet hat. Und sich und seine hockeypolitischen Prinzipien verraten hat: Sein HCD versucht in einer unheiligen Allianz mit dem SCB auf nächste Saison eine Aufstockung von vier auf sechs Ausländer durchzubringen.

Brauereirösser statt Rennpferde

Zweitens bedingt das moderne Hockey heute ein Mindestmass an Talent und Spielintelligenz. Schnelles Spiel ist eine Frage der schnellen Füsse, der schnellen Hände und des schnellen Denkens. Diese Kombination ist sehr, sehr teuer.

Der HCD hat heute nicht mehr die Spieler für sein «totales» Hockey. Arno Del Curto kann «sein» Hockey nur mit Rennpferden, mit der spielerischen Kavallerie zelebrieren. Eine Kavallerie-Attacke kann nicht mit Brauereipferden geritten werden. Beim HCD hat es inzwischen zu viele Brauereirösser. Was uns direkt zu Punkt drei führt.

Konkurrenz aus dem Flachland

Der HCD hat nicht mehr die finanziellen Mittel, um eine «Kavallerie-Mannschaft» zusammenzustellen. Edle Rennpferde sind nun mal teurer als brave Brauereirösser. Ein Grund ist die verlorene Magie Arno Del Curtos: Heute ist es auch im Flachland möglich, modernes, totales Hockey zu erlernen und zu spielen. Und eine neue, urbane Generation mag nicht mehr in die Berge ziehen.

Der HCD muss auch bei der Rekrutierung junger Spieler mehr Geld ausgeben als die Konkurrenz im Flachland und aufs Salär eine «Bergzulage» draufzahlen. Was uns zum vierten Punkt führt.

Spengler-Cup-Entschädigungen

Unter der Führung von ZSC-Manager Peter Zahner haben die Klubs durchgesetzt, dass der HCD für die Einhaltung der Spengler-Cup-Pause viel, viel Geld zahlen muss.

2012 haben sich die Klubs auf die sogenannte «Spengler-Cup-Steuer» geeinigt. In zehn Jahren muss der HC Davos an die Klubs, die nicht am Spengler Cup teilnehmen, insgesamt acht Millionen Franken zahlen. Der Vertrag läuft bis 2012. Und Peter Zahner hat bereits angekündigt, dass die Vertragsverlängerung «nicht billiger» wird.

CAPTION CORRECTION: VORNAME PETER ZAHNER --- ZSC Lions CEO Peter Zahner strahlt nach dem Ja des Stimmbuergers der Stadt Zuerich fuer ein neues Eishockeystadion der ZSC Lions im Zuercher Stadthaus am S ...
Trägt ZSC-Geschäftsführer Peter Zahner eine Mitschuld am «Niedergang» des HCD?Bild: KEYSTONE

Die ZSC Lions bzw. Peter Zahner spielen beim Niedergang des HC Davos also eine wichtige Rolle. Der Ursprung dieser ganzen Geschichte sind verletzte Eitelkeiten: Jahrelang hat Zahner als Verbandsdirektor (diesen Posten hatte er bis 2007) und Chef von Ralph Krueger gegen Arno Del Curto den Kürzeren gezogen. Die Polemik um den «Nationalmannschafts-Boykott» von Reto von Arx hat uns jahrelang bestens unterhalten.

Mit der «Spengler-Cup-Steuer» hat Peter Zahner seine Retour-Kutsche gefahren. Denn eines ist klar: Ohne den politisch schlauen ZSC-Manager gäbe es die «Spengler-Cup-Steuer» nicht.

Durchschnittlich muss HCD-Präsident Gaudenz Domenig nun also pro Jahr 800'000 Franken ins Unterland überweisen. Das ist Geld, das ihm in der «Transfer-Kriegskasse» fehlt. Die Kombination aus «Bergzulage» bei den Salären und der «Spengler-Cup-Steuer» hat dazu geführt, dass dem HCD keine grossen Transfers mehr gelingen und die Mannschaft von Jahr zu Jahr auf dem Papier schwächer wird. Was uns direkt zum nächsten Punkt führt.

Fehlende Leitwölfe

Eine Mannschaft steht und fällt mit ihren «Leitwölfen» und Torhütern. Beide sind teuer. Beide kann sich der HCD nicht mehr leisten. Deshalb ist es nicht gelungen, die «Leibgarde» des Trainers, die «Zeugen Del Curtos» zu ersetzen. Und deshalb hat der HCD inzwischen nur noch gute, aber keine grossen Torhüter mehr.

Schliesslich und endlich hat die «biblische Amtszeit» von Arno Del Curto (seit Sommer 1996 im Amt) dazu geführt, dass er im Doppelmandat Trainer/Sportchef zu mächtig geworden ist. Es gibt niemanden mehr, der dem grossen Zampano zu widersprechen wagt und im Gegenzug kann Arno Del Curto intern mit niemandem mehr auf Augenhöhe Streitgespräche über Hockey führen. Der HCD mit «Hockey-Papst» Arno Del Curto mahnt an einen Vatikan, in dem es neben dem Papst statt Kardinälen nur noch Messdiener gibt.

Die Brueder Jan, rechts, und Reto von Arx werden nach 20 Jahren beim HCD verabschiedet, vor dem Eishockey-Qualifikationsspiel der National League A zwischen dem HC Davos und den SCL Tigers, am Samstag ...
Fehlen dem HCD Spieler wie Reto und Jan von Arx?Bild: KEYSTONE

Die Kombination aus all diesen Gründen hat unter anderem dazu geführt, dass der HCD nun mit «Lottergoalies» leben muss. Als Erstes muss Arno Del Curto (oder sein Nachfolger) das Torhüterproblem lösen.

Noch immer gilt der launige Spruch, mit dem die weitgereiste kanadische Trainerlegende Dave King einst seine Vorträge über Coaching zu beenden pflegte: «Meine Damen und Herren, wenn Sie keinen guten Torhüter haben, dann vergessen Sie alles, was Sie soeben gehört haben.»

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der_Andere
29.10.2018 03:19registriert Juni 2018
Davos wird wohl längerfristig schlicht kleinere Brötchen backen müssen. Es hat lange geklappt an der Spitze zu sein (Stichwort Rekordmeister). Tatsache ist jedoch das Davos jedes Jahr punkto Zuschauerschnitt im Keller des NLA Rankings anzutreffen ist und das der Spengler Cup dieses finanzielle Manko nicht ewig auszugleichen vermag. Hockey wird teurer. Davos aber nicht wohlhabender.

Und punkto Zahner. 11 Teams unterbrechen die Saison für Davos und den Spengler Cup. Der HCD bezahlt dafür die Steuer von nicht einmal 10% der Cup Einahmen. Weniger als 1% pro Team. Ich halte diesen Deal für fair.
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Focke
28.10.2018 23:04registriert September 2016
die kehrseite des erfolges ist es, dass man irgendwann davon geblendet ist und plötzlich überholt wird. zu lange hat arno auf seine taktik gesetzt, zu lange haben ihm die davoser nicht wiedrsprochen. kann man ihm das verüblen? nein. er ist und bleibt die trainerlegende! Leider haben es dorfclubs auch in der zukunft schwerer, bis sie irgendwann verschwinden werden wie arosa. doch andere clubs werden nachstossen und noch svhreiben wir nicht 2050! arno wird zuruck kommen! mit diesem aderlass ist das erreichen der playoffs ein hohes ziel! anspruche herunterschrauben und nicht aufgeben. go arno!
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Couleur
29.10.2018 02:29registriert Januar 2018
Auf mich macht Arno einen ausgebrannten Eindruck, was auch nicht überrascht nach so vielen Jahren in der Doppelfunktion. Auch Lindgren wirkt wie ein Schatten seiner selbst: Er ist in dieser Verfassung keine Ausländerlizenz wert. Was ich tun würde, mal abgesehen davon, dass auch Arno spätestens nach einer Niederlage gegen Rappi zur Diskussion stehen müsste: Einen zweiten ausländischen Verteidiger engagieren, da ich dort das Hauptproblem sehe. Dazu auf die Schweizer Torhüter setzen. Die überzeugen zwar auch nicht, aber Lindbäck rechtfertigt bis jetzt ebenfalls keine Ausländerlizenz.
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