Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Unter Arno Del Curto spielte Davos zeitweise das attraktivste und modernste Hockey Europas. Ja, die Davoser waren sogar Trendsetter. Die Avantgardisten des internationalen Hockeys.
Unter Avantgardisten verstehen wir Personen, die neue, wegweisende Entwicklungen anstossen. Im Gegensatz zum Trendsetter, der nur kurzfristige neue Moden anstösst, sind die Veränderungen, die von der Avantgarde ausgehen, von grundsätzlicherer und längerfristiger Wirkung.
Noch bevor das Eishockey durch die Regelauslegung «Nulltoleranz» – also durch die konsequente Durchsetzung der Regeln zum Schutz der technisch guten Spieler – ab 2005 von Grund auf verändert wurde, hatte Arno Del Curto auf Tempo, Tempo, Tempo gesetzt.
Vor allen anderen Klubtrainern lässt Arno Del Curto «totales Hockey» spielen. In einer Zeit, da defensive taktische Schachspiele die Spielkunst ersticken. Stark vereinfacht gesagt: Er trägt das Spektakel konsequent vors gegnerische Tor. Durch die aggressive Störarbeit beginnt die Defensive mit dem vordersten Mann. Und durch blitzschnelles Auslösen der Angriffe hebelt er die gegnerische Verteidigung aus, bevor sie sich formieren kann.
Für dieses Hockey braucht es Spieler mit schnellen Füssen und langem Atem. Die Trainings von Arno Del Curto sind jahrelang im Sommer und Winter die intensivsten im Land.
Dieses energiegeladene «Kavallerie-Hockey» hat dem HCD die Titel von 2002, 2005, 2007, 2009, 2011 und 2015 beschert. Die Davoser sind den sportlichen Problemen buchstäblich davongelaufen und sie sind nie in eine echte Krise geraten. Unter Arno Del Curto haben sie die Playoffs noch nie verpasst.
Warum funktioniert nicht mehr, was seit 1996 doch jedes Jahr funktioniert hat? Mehrere Gründe haben eine Krise herbeigeführt, die Arno Del Curto mit «seinem» Hockey nicht mehr lösen kann. Er kann der Krise nicht mehr davonlaufen.
Erstens zelebriert auch die Konkurrenz inzwischen «totales Hockey». So wichtig die Ordnung im Spiel (Taktik) auch sein mag – das zentrale Element des Spiels ist heute das Tempo. Wer nicht schnell laufen kann, wird von der Konkurrenz überholt und abgehängt. Heute sind alle Teams der Liga dazu in der Lage, das Tempo der Davoser auszuhalten.
Anders als etwa Langnaus Heinz Ehlers, Servettes Chris McSorley oder Ambris Luca Cereda ist Arno Del Curto nicht mehr dazu in der Lage, fehlendes Talent durch Organisation, Disziplin und Geduld wenigstens teilweise zu kompensieren.
Er kann nur Tempo. Er kann nicht Abstiegskampf und Krise. Was sich daran zeigt, dass er in der Doppelrolle Trainer/Sportchef die Nerven verloren und mit der überstürzten Verpflichtung von NHL-Torhüter Anders Lindbäck ein heilloses Goalie-Chaos angerichtet hat. Und sich und seine hockeypolitischen Prinzipien verraten hat: Sein HCD versucht in einer unheiligen Allianz mit dem SCB auf nächste Saison eine Aufstockung von vier auf sechs Ausländer durchzubringen.
Zweitens bedingt das moderne Hockey heute ein Mindestmass an Talent und Spielintelligenz. Schnelles Spiel ist eine Frage der schnellen Füsse, der schnellen Hände und des schnellen Denkens. Diese Kombination ist sehr, sehr teuer.
Der HCD hat heute nicht mehr die Spieler für sein «totales» Hockey. Arno Del Curto kann «sein» Hockey nur mit Rennpferden, mit der spielerischen Kavallerie zelebrieren. Eine Kavallerie-Attacke kann nicht mit Brauereipferden geritten werden. Beim HCD hat es inzwischen zu viele Brauereirösser. Was uns direkt zu Punkt drei führt.
Der HCD hat nicht mehr die finanziellen Mittel, um eine «Kavallerie-Mannschaft» zusammenzustellen. Edle Rennpferde sind nun mal teurer als brave Brauereirösser. Ein Grund ist die verlorene Magie Arno Del Curtos: Heute ist es auch im Flachland möglich, modernes, totales Hockey zu erlernen und zu spielen. Und eine neue, urbane Generation mag nicht mehr in die Berge ziehen.
Der HCD muss auch bei der Rekrutierung junger Spieler mehr Geld ausgeben als die Konkurrenz im Flachland und aufs Salär eine «Bergzulage» draufzahlen. Was uns zum vierten Punkt führt.
Unter der Führung von ZSC-Manager Peter Zahner haben die Klubs durchgesetzt, dass der HCD für die Einhaltung der Spengler-Cup-Pause viel, viel Geld zahlen muss.
2012 haben sich die Klubs auf die sogenannte «Spengler-Cup-Steuer» geeinigt. In zehn Jahren muss der HC Davos an die Klubs, die nicht am Spengler Cup teilnehmen, insgesamt acht Millionen Franken zahlen. Der Vertrag läuft bis 2012. Und Peter Zahner hat bereits angekündigt, dass die Vertragsverlängerung «nicht billiger» wird.
Die ZSC Lions bzw. Peter Zahner spielen beim Niedergang des HC Davos also eine wichtige Rolle. Der Ursprung dieser ganzen Geschichte sind verletzte Eitelkeiten: Jahrelang hat Zahner als Verbandsdirektor (diesen Posten hatte er bis 2007) und Chef von Ralph Krueger gegen Arno Del Curto den Kürzeren gezogen. Die Polemik um den «Nationalmannschafts-Boykott» von Reto von Arx hat uns jahrelang bestens unterhalten.
Mit der «Spengler-Cup-Steuer» hat Peter Zahner seine Retour-Kutsche gefahren. Denn eines ist klar: Ohne den politisch schlauen ZSC-Manager gäbe es die «Spengler-Cup-Steuer» nicht.
Durchschnittlich muss HCD-Präsident Gaudenz Domenig nun also pro Jahr 800'000 Franken ins Unterland überweisen. Das ist Geld, das ihm in der «Transfer-Kriegskasse» fehlt. Die Kombination aus «Bergzulage» bei den Salären und der «Spengler-Cup-Steuer» hat dazu geführt, dass dem HCD keine grossen Transfers mehr gelingen und die Mannschaft von Jahr zu Jahr auf dem Papier schwächer wird. Was uns direkt zum nächsten Punkt führt.
Eine Mannschaft steht und fällt mit ihren «Leitwölfen» und Torhütern. Beide sind teuer. Beide kann sich der HCD nicht mehr leisten. Deshalb ist es nicht gelungen, die «Leibgarde» des Trainers, die «Zeugen Del Curtos» zu ersetzen. Und deshalb hat der HCD inzwischen nur noch gute, aber keine grossen Torhüter mehr.
Schliesslich und endlich hat die «biblische Amtszeit» von Arno Del Curto (seit Sommer 1996 im Amt) dazu geführt, dass er im Doppelmandat Trainer/Sportchef zu mächtig geworden ist. Es gibt niemanden mehr, der dem grossen Zampano zu widersprechen wagt und im Gegenzug kann Arno Del Curto intern mit niemandem mehr auf Augenhöhe Streitgespräche über Hockey führen. Der HCD mit «Hockey-Papst» Arno Del Curto mahnt an einen Vatikan, in dem es neben dem Papst statt Kardinälen nur noch Messdiener gibt.
Die Kombination aus all diesen Gründen hat unter anderem dazu geführt, dass der HCD nun mit «Lottergoalies» leben muss. Als Erstes muss Arno Del Curto (oder sein Nachfolger) das Torhüterproblem lösen.
Noch immer gilt der launige Spruch, mit dem die weitgereiste kanadische Trainerlegende Dave King einst seine Vorträge über Coaching zu beenden pflegte: «Meine Damen und Herren, wenn Sie keinen guten Torhüter haben, dann vergessen Sie alles, was Sie soeben gehört haben.»