Biels Scheitern gegen die Lakers kommt unerwartet. Immerhin trennten die beiden Teams nach der Qualifikation 22 Punkte.
Aber es ist ein logisches Scheitern. Die Lakers hatten mit Melvin Nyffeler einen überragenden Torhüter, der in beiden Partien mehr als 97 Prozent der Schüsse abwehrte. Die Lakers hatten auch die besseren Ausländer.
Und es gibt noch eine Differenz, die nicht taktischer oder hockeytechnischer, sondern psychologischer Natur ist: Die Lakers kamen als Aussenseiter von unten herauf und waren auf einer Mission. Die Bieler kamen als Favorit von oben herab und waren nicht auf einer Mission. Die Lakers waren entschlossener, leidenschaftlicher, zielstrebiger, mutiger, robuster, taktisch schlauer und disziplinierter.
Dieses 1:3 im zweiten Spiel ist nicht Biels bitterste Niederlage seit dem Aufstieg von 2008. Die bitterste war das 0:1 im Halbfinal am 6. April 2019 gegen den SC Bern. Ein Sieg damals hätte den Finaleinzug und dort gegen Zug den ersten Meistertitel seit 1983 bedeutet.
Aber dieses 1:3 gegen die Lakers ist die schmählichste Niederlage seit der Rückkehr in die höchste Liga.
Sportchef Martin Steinegger ist nach der Partie sauer. «Ich sage nichts. Nun sollen die Spieler hinstehen und sich erklären.»
Als besonnener, kluger Mann lässt er sich nicht zu Einzelkritik hinreissen. Und doch sagt er: «Wer nicht mehr bei uns spielen will, kann gehen …»
Hat das Scheitern Konsequenzen? Wird es Sündenböcke geben? Wie damals, als er im Frühjahr 2008 als Captain beim SC Bern nach dem Scheitern im Viertelfinal aus einem laufenden Vertrag nach Biel transferiert worden war? «Nein, wir machen niemanden zum Sündenbock.» Ein solches Vorgehen würde auch nicht dem Stil des Clubs entsprechen.
Aber er stellt klar, er wolle keine Ausreden hören. «Die Corona-Probleme hatten alle.» Und die Trainerfrage – mit Lars Leuenberger verlängern? – wird er mehrere Nächte überschlafen.
Was ist bloss mit Biel passiert? In zwei Spielen nur zwei Tore gegen die Lakers (1:2 n.V und 1:3). Wo ist das dynamische Tempospiel geblieben, das noch im Februar an einem guten Abend das beste der Liga war?
Damien Brunner wird um eine Erklärung gebeten. Er ist ein guter Junge. Ein Musterprofi. Er kommt gerade vom Interview mit unserem staatstragenden Fernsehen und dort hat er brav die Lakers gerühmt und die Schiedsrichterkritik ist mit einer Bemerkung über «Phantomstrafen» in einem Nebensatz äusserst moderat.
Nun beginnt er seine Analyse erneut so, wie es alle Musterprofis tun. Er rühmt die Lakers, speziell deren Defensivspiel und natürlich «Nyffy». Torhüter Melvin Nyffeler. Der war tatsächlich gut.
Langsam redet sich Damien Brunner in Hitze. Er wird emotional: «Wir haben doch dominiert! Aber der Puck wollte einfach nicht rein!» Recht hat er ja schon: Die Bieler dominierten gestern mit 36:24 Torschüssen.
Schliesslich kann er seine Emotionen nicht mehr zügeln und setzt zu einer Philippika (= Straf-, Angriffs-, Brand- oder Kampfrede) gegen die Schiedsrichter an, die wir nicht wörtlich wiedergeben. Er ereifert sich über zwei «Phantomstrafen», die zu einem 5 gegen 3 Powerplay und zum Ausgleich (27.) und damit zur Wende geführt haben.
Tatsächlich war der Ausschluss gegen Mike Künzle die Folge einer Schwalbe von Lakers-Topskorer Roman Cervenka. Aber 31 Sekunden später stürmen die Bieler mit einem Mann zu viel. Die Bankstrafe ist korrekt.
Auf die Frage, es könne doch wohl nicht sein, dass die Schiedsrichter dafür verantwortlich sind, dass Biel in zwei Partien lediglich zwei Tore erzielt hat, hält Damien Brunner auf einmal inne. Er merkt: Sein grosser Zorn trifft die Falschen. Er macht kehrt, kickt mit dem Schlittschuh Richtung Kabinentüre. Es poltert und kracht und Damien Brunner verschwindet mit Karacho wie ein Donnergott von der Bühne. Ein gutes Zeichen. Die Niederlage geht ihm unter die Haut. Biel lebt. Biel bebt.
Es gibt eine Szene, die uns das Scheitern der Bieler ein wenig erklärt. Ein Spieleragent sucht vor dem Spiel auf der Pressetribüne Martin Steinegger. Er hat einen guten Ausländer für nächste Saison im Angebot. Gehaltsklasse: 400'000 Franken netto.
Ein Kenner erklärt ihm, es lohne sich nicht, nach Martin Steinegger Ausschau zu halten. Biel zahle solche Löhne nicht.
Tatsächlich ist Biels tüchtiger Sportchef nun für diese Vernunft bestraft worden. Mit ein bisschen finanzieller Unvernunft hätten die Bieler im Laufe dieser Saison auf den Ausländerpositionen nachrüsten können. Dann wären sie mit Sicherheit nicht an den Lakers gescheitert. Petteri Lindbohm verteidigt, als sei er schon im Spätherbst seiner Karriere angelangt, Toni Rajala ist nicht fit. Mathias Trettenes, eine norwegische Leihgabe von La Chaux-de-Fonds, und Konstantin Komarek der beste Österreicher, aber nicht der beste ausländische Stürmer der Liga.
Biels Ausländer sind in diesen Pre-Playoffs nur noch Ergänzungsspieler. Keine Tore und bloss ein Assist in den zwei wichtigsten Partien der Saison. Sie sind nicht dazu in der Lage, die Differenz zu machen. Wer es gerne polemisch hat: Der zentrale Grund für Biels Scheitern ist der miserable Formstand des ausländischen Personals.
Die Enttäuschung ist gross. Aber trotz allem: Die Mannschaft ist intakt. Aber die Spieler sind am Ende einer aufwühlenden Saison – Trainer Antti Törmänen musste noch vor dem ersten Spiel aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niederlegen – vor allem psychisch müde.
Manager Daniel Villard und Martin Steinegger haben aus dem Aufsteiger von 2008 ein Spitzenteam entwickelt. Nur ein Fehler ist ihnen unterlaufen, der eigentlich eine Tugend ist: der Verzicht in dieser Saison auf teure Investitionen ins ausländische Personal.
Nun stehen sie mit dem EHC Biel an einem Wendepunkt. Zurück zur Bescheidenheit oder trotz schwierigen, unsicheren Zeiten investieren und in die Spitzengruppe zurückkehren? Spitzenteam oder Mittelmass?
Daniel Villards und Martin Steineggers grosse Herausforderung ist eine administrative: Sie müssen Biels Verwaltungsräte dazu bringen, die «Transfer-Kriegskasse» aufzufüllen. Sonst gelingt die Rückkehr in die Spitzengruppe nicht. Die Schweizer Spieler sind gut genug für die obere Tabellenhälfte. Die aktuellen Ausländer sind es nicht. Hier hat die sportliche Führung den grössten Spielraum. Nur noch Toni Rajala hat einen weiterlaufenden Vertrag. Und wechselt Janis Moser in die NHL, dann kann Biel nächste Saison gleich fünf ausländische Spieler einsetzen.
Gute Ausländer sind auch in Biel nicht alles. Aber ohne gute Ausländer ist, wie wir in diesen Pre-Playoffs gesehen haben, alles nichts.
Und wenn man weiss wie abhängig Rappi von gewissen Spielern ist, hätte man auch taktisch etwas dagegen unternehmen können.