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David Aebischer ist ein gescheiterter Pionier – aber warum eigentlich?

Ein historischer Moment: Als erster Eishockey-Spieler bringt David Aebischer den Stanley-Cup in die Schweiz.
Ein historischer Moment: Als erster Eishockey-Spieler bringt David Aebischer den Stanley-Cup in die Schweiz.Bild: KEYSTONE
Eishockey-Goalie tritt zurück

David Aebischer ist ein gescheiterter Pionier – aber warum eigentlich?

Torhüter David Aebischer (36) geht als einer der wichtigsten Einzelspieler in die Geschichte unseres Hockeys ein. Als Kolumbus unseres Hockeys. Aber warum ist er gescheitert?
25.01.2015, 10:1525.01.2015, 11:42
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David Aebischer entdeckte Amerika so fürs Schweizer Hockey wie Christoph Kolumbus Amerika für die Spanier. Wie Kolumbus war er auch nicht ganz der Erste – Pauli Jaks war schon vor ihm drüben. Wie Kolumbus hat er die Jahre nach seinen grossen Amerika-Abenteuern zurückgezogen und von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet verbracht. Und wie Kolumbus ist er ein Rebell, der lange nicht ernst genommen wurde.

David Aebischer will nach Nordamerika. Unbedingt. Obwohl niemand recht daran glauben mag, dass sich dort drüben ein Schweizer durchzusetzen vermag. Er gilt als verrückter Aussenseiter. Aber die nordamerikanischen Talentsucher werden in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre bei den Junioren-Titelturnieren auf den jungen Schweizer aufmerksam. Und dann kommt ihm auch der Zufall zu Hilfe.

Highlight-Video eines Fans nach Aebischers Transfer von Colorado zu Montréal.Video: Youtube/iegresa

Vor zwanzig Jahren ist das Internet noch kein Hilfsmittel

Colorado hat beim Draft am 21. Juni 1997 in Pittsburgh noch ein Draftrecht in der 6. Runde. Solche späten Rechte sind das Spielgeld der Manager und werden gerne für ein Experiment gebraucht.

Der Drafttag zieht sich lang hing. Das Highlight aus Schweizer Sicht ist längst über die Bühne: Michel Riesen wird an diesem Tag der erste Erstrundendraft aus der Schweiz. Colorados Sportdirektor Michel Goulet fragt mich nach David Aebischer. Wahrscheinlich bin ich an diesem Drafttag neben ein paar Scouts der einzige, der weiss, wer David Aebischer ist. Zu diesem Zeitpunkt gibt es die sorgfältigen Abklärungen über die Spieler, die für den Draft zur Verfügung stehen, so wenig wie das Internet.

Der Eismeister schickt Aebischer mit dem Ruderboot über den Teich …

Michel Goulet sagt, seine Scouts hätten ihm den Jungen empfohlen. «Aber kommt er dann auch, wenn wir ihn draften?» Er fragt mich noch dreimal im Laufe des Nachmittages. Erst meine Antwort, der Junge sei verrückt und komme notfalls mit dem Ruderboot nach Amerika; wenn er eine Chance bekomme, ist er zufrieden.

Kaum jemand registriert, dass David Aebischer von Colorado an diesem 21. Juni 1997 als Nummer 161 gezogen wird. Aber er,   und nicht Michel Riesen, öffnet den Weg für die Schweizer in die NHL. Über die Farmteamligen schafft es David Aebischer zur Nummer 2 hinter Patrick Roy, zum Stanley Cup-Sieger (2001), zum ersten Schweizer mit Stammplatz in der NHL, zum ersten Schweizer NHL-Dollar-Millionär.

Aebischer an der U20-WM 1998, an der er die Schweiz zu einer sensationellen Bronzemedaille hexte.
Aebischer an der U20-WM 1998, an der er die Schweiz zu einer sensationellen Bronzemedaille hexte.Bild: LEHTIKUVA

NHL-Lockout bremst Aebischer nachhaltig

Im Frühjahr 2003 tritt der damals beste Torhüter der Welt zurück. David Aebischer wird sein Nachfolger, spielt in der Saison 2003/04 sein bestes Hockey, macht Roy vergessen, steht ganz oben. Höher kann ein Goalie nicht stehen – und scheitert. Warum?

Er kann seine Gnadenform nie mehr weiter ausspielen. Die Saison 2004/05 fällt aus. Lockout in der NHL. David Aebischer überbrückt diese Zeit in Lugano. Und dort wagt es der schlaue Larry Huras nicht, ihn zur Nummer 1 zu machen. Der Kanadier hält an Ronnie Rüeger fest, weil er befürchtet, die Saison könnte in der NHL doch noch gespielt werden. Der NHL- Torhüter und Stanley Cup-Sieger in Lugano nur die Nummer 2! David Aebischer verliert so eine Saison und etwas von seinem Charisma. Den Stallgeruch der Nummer 2 wird er nie mehr richtig aus den Kleidern bringen.

Die Schlägerei unter Goalies endet zwischen Aebischer und Sauve unentschieden.Video: Youtube/hockeyfights

Regeländerungen passen nicht zu seinem Spiel

Die verlorene Saison provoziert in der NHL revolutionäre Änderungen. Der Zweilinienpass wird gestrichen. Die neutrale Zone wird auf das Mass reduziert wie diese Saison bei uns. Die Goalie-Ausrüstung wird um elf Prozent verkleinert. «Null Toleranz» wird eingeführt – und das ist letztlich bereits im Herbst 2005 der Anfang vom Ende für David Aebischer. Vor dem Tor darf nicht mehr gehauen und gestossen, gehalten und geprügelt werden wie bisher. Das Torhüterspiel verändert sich. Das Zeitalter der coolen Blocker und wehrhaften Riesen beginnt.

Für diese Rolle ist der Butterfly-Spezialist aus der Schweiz nicht gross genug (185 cm) und stilistisch zu wild. Colorado transferiert David Aebischer nach Montréal. 2006/07 bilden Cristobal Huet und David Aebischer das Torhüterduo beim berühmtesten Hockeyclub der Welt. Die Krise ist gross, die Playoffs werden verpasst und ein Chronist malt in der Hockeyhauptstadt der Welt ein düsteres Szenario: «Das Schicksal der Montréal Canadiens in den Händen eines Schweizers und eines Franzosen – das Ende der Welt ist nahe.» David Aebischers Vertrag wird in Montréal nicht verlängert.

Bei den Lakers muss Aebischer unten durch.
Bei den Lakers muss Aebischer unten durch.Bild: Sandro Stutz/freshfocus

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Ein Abschied (und Abstieg) in Raten

Das letzte seiner 227 NHL-Spiele bestreitet er im Herbst 2007 in Phoenix und er kehrt während der Saison in die Schweiz zurück. Ausgerechnet zu Lugano, das am Beginn einer langen sportlichen Depression steht. Und auch dort hat er kein Glück und muss sogar die Schmach der Playouts erdulden.

Nach einem letzten Profijahr in Nordamerika bei St.Johns in der AHL (2011/12) klingt seine Karriere bei den Lakers aus und endet unspektakulär im Herbst 2014 in der tiefsten Hockeyprovinz in der NLB beim HC Thurgau. Es ist ein glanzloser Abschied für diesen Pionier. An so vielen Orten werden händeringend Torhüter gesucht. Aber niemand mag David Aebischer noch einmal eine Chance geben. Und so endet seine Karriere ganz ähnlich wie jene von Christoph Kolumbus. Im behaglichen Wohlstand, aber vergessen von der Öffentlichkeit.

Der beste «Abby», den es je gab: Als Goalie der Colorado Avalanche.
Der beste «Abby», den es je gab: Als Goalie der Colorado Avalanche.Bild: AP
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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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goldmandli
25.01.2015 13:17registriert November 2014
Guter Bericht!
Ein ehrenvoller Abschied für einen in früheren Jahren tollen Torhüter.
Hut ab Klaus Zaugg, schön geschrieben.
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Clark Kent
25.01.2015 11:49registriert Januar 2014
hahaha.. zaugg hat den draft von aebby ermöglicht. als ob dieser schreiberling überhaupt von irgend einem, geschweige denn von einem nhl-funktionär, ernst genommen würde. der sass beim draft max. auf der tribüne, in einem sektor ganz oben. und sah das geschehen von ganz weitem. übrigens gab es 1997 das internet sehr wohl. vielleicht nicht im emmental, aber sogar die lakers hatten damals schon eine website mit board.
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