Woran erkennen wir im Eishockey ein professionelles Management? Daran, dass der General Manager (und sein Sportchef) in kritischen Zeiten nicht die Ruhe verliert. Und es alle wissen und sich danach richten.
ZSC-Bürogeneral Peter Zahner gesellt sich vor dem Spiel gegen Lausanne, wie gewohnt, zur «Plauder-Viertelstunde» zu den Chronisten (Chronistin war keine da). Und nicht ein einziges Mal wird die Frage nach dem Trainer gestellt. Weil alle wissen, dass Peter Zahner dazu sowieso nichts sagen wird. Und schliesslich ist der oberste ZSC-Manager beinahe enttäuscht, dass Trainer Hans Wallson nicht thematisiert worden ist. In Zeiten, in denen sogar schon die vornehme NZZ gegen Hans Wallson und seinen Assistenten Lars Johansson polemisiert hat («Die entzauberten ZSC-Trainer»).
Nach dem Spiel ist das famose schwedische Trainer-Duo dann sowieso kein Thema mehr. Vorläufig. Oben auf der Resultattafel steht die letzte Wahrheit. 6:1. Alles andere – auch die Qualität des Gegners – spielt keine Rolle.
Die ZSC Lions haben die erste von zwei goldenen Gelegenheiten zum «Befreiungsschlag» gegen weiche welsche Teams genützt, die im Herbst 2017 nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Gestern gegen Lausanne und auch gegen Servette wäre am Donnerstag alles andere als ein klarer Sieg schmählichstes Scheitern.
Gegen Lausanne blitzte wenigstens in der zweiten Spielhälfte das Talent der Zürcher ab und zu auf. Beispielsweise im Powerplay. Wenn die Scheibe direkt und präzis mit der Präzision von Landvermessern auf die Stockschaufeln gezirkelt und die gegnerische Abwehr durch überraschende Querpässe im besten Wortsinne aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.
ZSC Lions - Lausanne HC: Interviews mit Lukas Flüeler und Mike Künzle. https://t.co/nroYDfM5No
— ZSC Lions (@zsclions) 26. September 2017
Es ist bisher zwar noch nicht gelungen, diese spielerische Herrlichkeit auch gegen starken und gut organisierten gegnerischen Widerstand durchzusetzen. Aber auch so zeigte sich gegen Lausanne: Keine Mannschaft der Liga hat so viel Talent wie die ZSC Lions. Meister Bern auch nicht. Die Zürcher konnten es sich gar leisten, mit Dave Sutter einen Nationalverteidiger auf die Tribüne zu setzen, der bei mindestens fünf anderen Teams einen Platz in der ersten Formation hätte. Obwohl die Abwehr-Legende Mathias Seger verletzungshalber fehlt.
Selbst ein Pessimist fragt hoffnungsvoll: Ist es vielleicht möglich, den Zürchern doch noch das schwedische Hockey beizubringen? Nun, die Hoffnung auf einen «Parmesan-Effekt» ist nicht ganz unbegründet.
Um diesen Vergleich zu verstehen, müssen wir das Rad der Geschichte zurückdrehen. Bis weit vor die Zeit des Eishockeys. Der Sbrinz ist ein weltberühmter Hartkäse. Er wurde bereits vor den Zeiten der alten Eidgenossen auf alten Säumerpfaden («Sbrinzroute») über die Alpen nach Norditalien exportiert.
Ob wahr oder nicht (dies zu überprüfen ist nicht Sache eines Hockeychronisten) – die alten Legenden erzählen, dass in Norditalien der Wunsch aufkam, auch diesen köstlichen Sbrinz herzustellen. Schliesslich sollen die Innerschweizer das Rezept verraten haben. Wir wissen nicht, ob Käser von den Innerschweizer Alpen nach Norditalien gezogen sind, um das Käsen des Sbrinzes zu lehren oder ob nur das Rezept über die Alpen in den Süden gelangt ist.
Aber die Herstellung dieses ganz besonderen Hartkäses ist schwierig. Es gelang den Norditalienern nicht, den Sbrinz zu kopieren. Dafür soll aus den Versuchen ein anderer Hartkäse entstanden sein. Der Parmesan. Auch der Parmesan ist berühmt geworden.
Was um alles in der Welt hat das mit den ZSC Lions zu tun? Nun, hoch im Norden, in Schweden, ist eine ganz besondere Hockeykultur entwickelt worden. Sie ist international erfolgreich. Schweden ist schon zehnmal Weltmeister geworden (zuletzt 2017) und die Schweden dominieren die Champions Hockey League.
Schon oft ist das schwedische Hockey in den Süden, in die Schweiz exportiert worden. Zum ersten Mal erfolgreich zu Beginn der 1980er-Jahre nach Arosa (Lasse Lilja), später nach Davos (Dan Hober), Lugano (John Slettvoll) und Kloten (Conny Evensson). Im Frühjahr 2016 haben nun auch die ZSC Lions dieses Hockey aus dem Norden importiert.
Aber so wie der Sbrinz südlich der Alpen eben nie echter Sbrinz, sondern «nur» eine Kopie – der Parmesan – ist, so haben wir in der Schweiz auch noch nie echtes schwedisches Hockey gespielt. Keine Klubmannschaft in der Schweiz hat genug taktisch so gut geschulte Spieler, um das schwedische Hockey im Original umzusetzen. Schwedisches Hockey in der Schweiz ist immer eine helvetische Abart.
Schwedische Hockeylehrer müssen also die Geduld und Weisheit aufbringen, auf die Produktion des Originals (des Sbrinz) zu verzichten. Um bei uns eine angepasste Version (den Parmesan) zu produzieren. Lasse Lilja, Dan Hober, John Slettvoll und Conny Evensson ist es auf meisterliche Art und Weise gelungen. In der NLB auch Bengt-Ake Gustafsson in Langnau. Diese besondere Kopie der schwedischen Taktik war bisher dann am erfolgreichsten, wenn es gelang, auch helvetische und nordamerikanische Hockeyelemente mit einzubeziehen.
Nun nimmt Hans Wallson in dieser Saison den zweiten Anlauf, sein schwedisches Hockeyrezept mit mehrheitlich schweizerischen Spielern in Zürich umzusetzen. Womit wir nun wieder bei Peter Zahner und seiner Gelassenheit sind: Es braucht viel Geduld bei der Herstellung und dem Handel mit Sbrinz. Am köstlichsten ist er nach fünfjähriger Lagerung.
Es braucht auch viel Geduld beim Einüben des schwedischen Hockeys. So sehr wir die staatsmännische Unaufgeregtheit von Peter Zahner in der Trainerfrage bewundern (und aus journalistischer Sicht bedauern): Fünf Jahre wird Hans Wallson nicht Zeit haben, bis er den Zürchern sein schwedisches Hockey beigebracht hat. Wahrscheinlich nicht einmal mehr fünf Wochen.