Sag das doch deinen Freunden!
Wir können Ergebnisse immer auf unterschiedliche Art und Weise deuten. Der Optimist sagt: Grosser SCB! Starke Reaktion nach dem 1:2 in Langnau! Der Punktgewinn gegen den HCD (nach einem 1:2 n.P.) ist eine tolle Leistung! Denn der SCB hat zuletzt in der Qualifikation gegen diesen Gegner dreimal hintereinander verloren (1:3, 2:5, 3:4). Und darüber war der SCB ja im letzten Frühjahr im Playoff-Halbfinal gegen den HCD chancenlos und verlor glatt in vier Partien (0:4). Der SCB also auf dem Weg nach oben. Playoffs, wir kommen!
Oder doch nicht? Der Realist sagt: Kleiner SCB! Nach der Pleite in Langnau (1:2) waren die Berner nicht zu einer Reaktion fähig und nicht dazu in der Lage, gegen den HCD drei «Gratispunkte» einzufahren. Der SCB also weiterhin auf dem Weg nach unten. Abstiegsrunde, wir kommen!
Wer hat nun recht? Der Optimist oder der Pessimist? Um der Wahrheit näher zu kommen, fragen wir am besten einen neutralen Experten. Arno Del Curto, den Trainer des HC Davos.
Ein sonst jeder Polemik abholder Chronist provoziert Arno Del Curto nach dem Spiel in Bern mit der Feststellung: «Heute haben wir einen Operetten-HCD gesehen.»
Ein gewöhnlicher Trainer hätte nun heftig widersprochen, ein nordamerikanischer wäre wahrscheinlich sogar zornig geworden. Mit dem Hinweis, dass es gelungen sei, in der ausverkauften grössten Arena Europas den Sieg zu erkämpfen, wäre die eigene Leistung ordentlich gerühmt und der Gegner stark geredet worden. Und die Ausführungen des Trainers hätten mit dem Satz geendet, er sei stolz auf seine Jungs. Auf diesen grandiosen Sieg gegen einen grossen SCB.
Nun wissen wir, dass Arno Del Curto kein gewöhnlicher Trainer ist und schmerzhaft ehrlich sein kann. Ungeeignet für eine Karriere im diplomatischen Dienst. Er sagt auf die erwähnte Provokation: «Ja, das stimmt. Wir haben einen Operetten-HCD gesehen.» Seine Spieler hätten einfach keine Energie mehr. Jene, die auch noch für die Nationalmannschaft aufgeboten worden seien, wie etwa Andres Ambühl, hätten alles in allem um die 70 Partien in den Beinen. «Für uns beginnt nun eine Erholungsphase. Eigentlich wäre jetzt eine Aufbauphase von fünf bis sechs Wochen fällig. Aber so viel Zeit haben wir nicht. Wir müssen in etwa zwei Wochen wieder bereit sein.»
Wir sehen daraus: Das Timing für die Eroberung Europas, für den Gewinn der Champions League – das war das grosse Ziel! – stimmte bloss um ein paar Tage nicht. Im Viertelfinal gegen das schwedische, das europäische Spitzenteam Skelleftea haben wir einen grossen, ja grandiosen HCD gesehen. Jetzt, im Halbfinal-Hinspiel gegen Frölunda nur noch einen kleinen HCD (0:5-Niederlage).
Ein paar Tage haben gefehlt und Hockey-Europa würde anders ausgesehen. Gut, galoppierten wenigstens General Blüchers Preussen 1815 gerade noch rechtzeitig aufs Schlachtfeld von Waterloo, um Napoléon zu bodigen. Sonst sähe heute ganz Europa anders aus. Ja, manchmal geht es nur um ein paar Tage oder gar nur um ein paar Stunden.
Aber wir sind kurz vom Thema abgekommen. Der Chronist sagt nun zu Arno Del Curto, dann gebe es also jetzt sozusagen 14 Tage lang «Gratispunkte» gegen den HCD zu gewinnen. Der HCD-Cheftrainer widerspricht keineswegs. «Ja, das ist so. Aber es ist für uns in den nächsten Partien ja auch mehr oder weniger wurst, ob wir punkten oder nicht. Und mit jedem Spiel wird es bis zum Schluss der Qualifikation noch wurster. Weil wir nur noch wenige Punkte für die Playoffs brauchen.»
So ehrlich sind nur grosse Trainer. Und diese Episode zeigt uns eben auch, warum Arno Del Curto ein grosser Trainer ist. Die Erfolge seines HCD sind nicht in erster Linie das Resultat von viel Talent (und damit viel Geld). Sondern das Resultat geduldiger, beharrlicher Ausbildungsarbeit und einer wohl europaweit einmaligen hohen Trainingsintensität. Aber diese Trainingsintensität kann nicht vom August bis in den April hinein durchgezogen werden. Der HCD braucht zwischendurch – so wie jetzt – eine Atempause.
Arno Del Curto veredelt mit seiner intensiven Arbeit die Mannschaft und holt aus dem beschränkten Talent, das ihm zur Verfügung steht, mehr heraus als seine Konkurrenten. Selbst der durch Verletzungspech arg dezimierte SCB konnte am Samstag immer noch mehr pures Talent aufs Eis schicken als der HCD.
Nun gibt es also 14 Tage lang «Gratispunkte» gegen den HC Davos zu gewinnen. Davon haben Frölunda (5:0 im Halbfinal-Hinspiel), Langnau (3:1) und Servette (4:1) bereits mit Auswärtssiegen profitiert. Nur der SCB war zu schwach, um selbst gegen diesen HCD auf eigenem Eis in einer ausverkauften Arena drei Punkte einzufahren. Der neutrale Beobachter kommt also zum Schluss: kleiner, armer SC Bern!
Arno Del Curto rechnet mit einer Erholungsfrist von rund 14 Tagen. Das bedeutet, dass die «Aktion Gratispunkte» um den 1. Februar herum auslaufen wird. Bis dahin können Frölunda beim Halbfinal-Rückspiel am Dienstag, Lausanne (h/22. Januar), Langnau (h/26. Januar), Kloten (h/30. Januar) und Fribourg (a/31. Januar) noch von diesem HCD-Vorzugsangebot profitieren.
Und es ist durchaus möglich, dass es am 5. Februar für Ambri (h) und am 6. Februar für Lugano (a) auch noch einen schönen Rabatt bzw. erleichterte Punktgewinne geben wird. Aber dann wird Davos nach und nach in Fahrt kommen und wohl Ende Februar für die Playoffs wieder in Form sein.
ansonsten spielen sie den gleichen Mist wie vor einem Jahr. Im März muss man bereit sein, werden sie auch und zusammen mit dem ZSC um den Titel spielen