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Schwedische Akkordarbeit gegen Berner Beamten-Hockey – «but it’s the Goaltending, Stupid!»

Die Fangquoten der beiden Final-Torhüter waren in Spiel 1 alles andere als berauschend.
Die Fangquoten der beiden Final-Torhüter waren in Spiel 1 alles andere als berauschend.
Bild: KEYSTONe/TI-PRESS
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Schwedische Akkordarbeit gegen Berner Beamten-Hockey – «but it’s the Goaltending, Stupid!»

Vergessen wir Luganos Schweden. Die Goalies werden dieses Finale entscheiden. Hätte der SCB einen Renato Tosio, dann wäre die Sache gelaufen.
04.04.2016, 10:2204.04.2016, 11:33
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Bill Clintons Wahlstratege James Carville prägte einst den Satz «It’s the Economy, Stupid!». Um seinen Kandidaten an die Hauptsache im Wahlkampf zu erinnern. Ans Thema Wirtschaft. Bill Clinton folgte dem Rat und gewann 1993 den Wahlkampf gegen George Bush.

Nach der ersten Finalpartie lassen wir uns von der Hauptsache ablenken. Alle reden vom famosen schwedischen Trio des HC Lugano. In der Tat: Wenn wir einem neutralen Beobachter den Auftrag erteilen, uns die drei besten Spieler des HC Lugano zu nennen, dann dauert es keine zehn Sekunden und wir bekommen ohne «Wenn» und «Aber» eine Antwort: Linus Klasen (30), Tony Martensson (35) und Fredrik Pettersson (29).

Wie lange halten die Lugano-Schweden das angeschlagene Tempo durch? 
Wie lange halten die Lugano-Schweden das angeschlagene Tempo durch? 
Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Wenn wir hingegen die Frage nach den drei besten SCB-Spielern stellen, dann werden wir wahrscheinlich erst nach einer Stunde eine zögerliche Antwort mit vielen «Wenn» und «Aber» erhalten: Martin Plüss (38), Cory Conacher (26) und Simon Moser (29). Aber der Plüss sei halt schon 39 und eigentlich zu alt, der Conacher zu wenig diszipliniert und wenn der Moser bloss öfters ins Tor treffen würde!

Schlagenhauf per sofort zu Lugano
Der HC Lugano kann für die restlichen Playoff-Finalspiele gegen den SC Bern auf Roman Schlagenhauf zählen. Der 27-jährige Stürmer steht den Bianconeri nach dem Ausscheiden der Rapperswil-Jona Lakers im NLB-Final per sofort zur Verfügung. Schlagenhauf, mit sechs Toren und acht Assists der beste Skorer der Lakers in den Playoffs, hat bei den Tessinern einen Vertrag für die nächsten beiden Saisons unterschrieben.(sda)

Damit sind wir mitten drin in der zentralen Diskussion über die vermeintliche Hauptsache in diesem Finale: Schwedische Akkordarbeit gegen Berner Beamtentum. Will heissen: Klasen, Martensson und Pettersson haben in der ersten Finalpartie fast eine halbe Stunde Eiszeit bekommen und würden gerne noch mehr spielen. Luganos vierte Linie musste sich mit exakt vier Kurzeinsätzen begnügen. Linus Klasen sieht kein Problem: «Wir haben die ganze Saison für diesen Moment gearbeitet. Ich habe kein Verständnis, wenn jetzt jemand müde wird.»

Der SCB verteilt die Last nicht nur auf die Schultern der Stars.
Der SCB verteilt die Last nicht nur auf die Schultern der Stars.
Bild: KEYSTONE

Trotzdem sagt SCB-Trainer Lars Leuenberger, «es ist nicht sicher, dass die Kräfte der Schweden bis zum Schluss reichen werden.» In seiner Mannschaft wird die Eiszeit gleichmässig aufgeteilt, es wäre fast möglich, wie in einem Bundesamt einen Arbeitsplan (nicht einen Ferienplan!) zu erstellen. Diese korrekte Aufteilung macht Sinn, weil der SCB keine Stars hat, deren forcierten Einsatz sich lohnen würde. Die Chance der Berner liegt im Kollektiv, im Verteilen der Belastung auf möglichst viele Beine und Arme. Je länger die Serie dauert, desto besser für den SCB.

Form der Torhüter entscheidet den Final

Aber eben: Diese Eiszeit-Diskussion lenkt bloss von der Hauptsache ab: «It’s the Goaltending, Stupid!» («Entscheiden werden die Goalies, Dummkopf!») Das müssten wir eigentlich aus Erfahrung wissen. Charismatische Goalies haben unsere Playoff-Geschichte geschrieben. Helden wie Renato Tosio, Marco Bührer (SCB), Ari Sulander, Lukas Flüeler (ZSC), Jonas Hiller, Leonardo Genoni (Davos), Cristobal Huet (Lugano) oder Ronnie Rüeger (Zug, Lugano).

Die Torhüterleistung ist so zentral, dass sogar Finalversager wie Dino Stecher (Gottéron) und Tobias Stephan (Servette) ihren Ehrenplatz in der Hockeygeschichte haben. In 30 Jahren Playoffs gibt es bloss drei Meistergoalies ohne «Heldenstatus»: Thierry Andrey, Urs Räber und Markus Bachschmied. Lugano war damals 1986, 1987, 1988 und 1991 im Finale so überlegen, dass ein Durchschnittsgoalie reichte.

Wer entscheidet den Playoff-Final? Bern Jakub Stepanek ...
Wer entscheidet den Playoff-Final? Bern Jakub Stepanek ...
Bild: freshfocus
... oder doch Luganos Elvis Merzlikins?
... oder doch Luganos Elvis Merzlikins?
Bild: KEYSTONE

Die Ausgeglichenheit im aktuellen Finale ist so gross, dass die Torhüter entscheiden werden. Aber erstmals in diesem Jahrhundert hat noch keiner der beiden Finalisten einen Torhüter, der in den Schuhen der ruhmreichen Vorgänger stehen könnte. Elvis Merzlikins (21) und Jakub Stepanek (29) waren in der ersten Partie mit Fangquoten von 88,89 Prozent bzw. 77,27 Prozent zwei der schwächsten Finalgoalies aller Zeiten.

Wenn einer von beiden in den nächsten Tagen seine Bestform findet, wird sein Team Meister. Wenn es Jakub Stepanek ist, wenn er eine Form findet wie Renato Tosio im Finale von 1989, dann verglüht Luganos schwedischer Offensivzauber wie eine Sternschnuppe.

Elvis Merzlikins oder Jakub Stepanek? Jakub Stepanek. Er hat die grössere physische Präsenz, er ist erfahrener, mental robuster und wird mit dem Druck und dem Rummel in dieser Finalserie besser fertig werden.

Alle Schweizer Eishockey-Meister seit Einführung der Play-offs 1985/86

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Alle Schweizer Eishockey-Meister seit Einführung der Playoffs 1985/86
2023: Genf-Servette HC, Finalserie: 4:3 gegen den EHC Biel.
quelle: keystone / salvatore di nolfi
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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kris
04.04.2016 10:29registriert Juni 2014
Hätte nicht Reto Pavoni zumindest eine Erwähnung verdient?;)
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greeZH
04.04.2016 10:50registriert Juni 2015
Ja wir wissens Zaugg. Du stehst auf Bern.
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Amboss
04.04.2016 11:01registriert April 2014
Ich wundere mich immer wieder, dass der Eismeister diese Finalserie immer auf zwei Faktoren reduziert: Das Lugano-Schwedentrio und die Torhüter.

Ich finde, beides ist irrlevant. Aus meiner Sicht wird folgender Faktor entscheiden. Die Fähigkeit, Playoff-Hockey zu spielen. Denn da sind wir jetzt.

Bern spielte grandios gegen HCD und ZSC. Letztendlich waren es aber einfache Siege. ZSC chaotisch, HCD müde.

Der HCL hingegen ist gestählt durch eine dramatische echte Playoff-Serie gegen Genf. Und hat den SCB jetzt auch in dieses Playoff-Hockey gezogen.
Jetzt wird man sehen, was passiert.
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Es kommt zum Showdown – Lugano schlägt Fribourg und erzwingt ein siebtes Spiel
In der Viertelfinalserie zwischen Fribourg-Gottéron und Lugano kommt es am Donnerstag in Freiburg zum entscheidenden siebenten Spiel. Die Bianconeri gleichen dank einem 4:2-Heimsieg zum 3:3 aus.

In der 25. Minute brachte Verteidiger Santeri Alatalo die Luganesi mit dem zweiten Powerplay-Tor der Gastgeber in diesem Spiel 2:1 in Führung. Es war eine Premiere für die Bianconeri, hatten sie doch in den ersten fünf Partien in dieser Serie im Mitteldrittel kein Tor zu Stande gebracht. 67 Sekunden später erhöhte Stéphane Patry gar auf 3:1. Die Spieler von Lugano schienen nun über das Eis zu fliegen, vor lauter Euphorie wurden sie jedoch zu übermütig, was zu einer 3:1-Situation für Gottéron führte, die Killian Mottet (32.) mit dem erneuten Anschlusstreffer für den Qualifikations-Zweiten abschloss.

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