Kein neuer Trainer ist je so gefeiert worden wie Arno Del Curto bei seiner Ankunft im Hallenstadion. Aber die jüngsten Niederlagen gegen Lausanne (3:4 n. V.) und bei den Lakers (1:4) haben gezeigt: Ein Scheitern ist nicht völlig ausgeschlossen. Und was wäre dann?
Die letzten Monate im Leben des Hockeytrainers Arno Del Curto mahnen in vielerlei Beziehung an das Schicksal eines anderen charismatischen Schweizer Trainers mit Kultstatus. An Kevin Schläpfer.
Kevin Schläpfer (49) genoss in Biel als «Hockey-Gott» höchste Verehrung. Ähnlich wie Arno Del Curto (62) in Davos.
Kevin Schläpfer hat bisher eigentlich nur an einem Ort richtig «funktioniert» (in Biel). Ähnlich wie Arno Del Curto in Davos.
Kevin Schläpfers Amtsdauer als Sportchef und später als Trainer von insgesamt elf Jahren in Biel ist zwar nicht so lang wie jene von Arno Del Curto in Davos (22 Jahre). Aber ebenfalls ungewöhnlich lang.
Wie Arno Del Curto ist auch Kevin Schläpfer das Amt eines Nationaltrainers angetragen worden. Beide haben abgelehnt. Weil sie ihren Klub nicht im Stich lassen wollten.
So verschieden Arno Del Curto und Kevin Schläpfer auch sein mögen – sie arbeiten mit ähnlichen Methoden. Beide sind Nonkonformisten und die «weichen» (Motivation) sind so wichtig wie die «harten» Faktoren (Taktik).
Eine gewisse Wundergläubigkeit dürfte in Kloten bei der Verpflichtung von Kevin Schläpfer mindestens so stark gewesen sein wie nüchterne Überlegungen.
Eine gewisse Wundergläubigkeit dürfte in Oerlikon bei der Verpflichtung von Arno Del Curto mindestens so stark gewesen sein wie nüchterne Überlegungen.
Als Pekka Tirkkonen in Kloten gefeuert wurde, weckte Kevin Schläpfer bei seiner Ankunft ähnlich hohe Erwartungen wie Arno Del Curto im Januar im Hallenstadion. Ja, beide Trainerwechsel sind sogar ähnlich begründet worden.
In Kloten wurden dem braven, freundlichen Pekka Tirkkonen fehlendes Charisma und zu sachliche, zu defensive Spielweise vorgeworfen. Es wurde befürchtet, er sei nicht dazu in der Lage, die Klotener im Existenzkampf zu befeuern.
Bei den ZSC Lions wurden dem braven, freundlichen Serge Aubin fehlendes Charisma und zu sachliche, zu defensive Spielweise vorgeworfen. Es wurde befürchtet, er sei nicht dazu in der Lage, die ZSC Lions im Kampf um Playoffs und Titel zu befeuern.
Alles sprach damals dafür, dass Kevin Schläpfer in Kloten der richtige Mann zur richtigen Zeit war. Er hatte Biel zweimal in Extremsituationen in der Liga-Qualifikation vor dem Abstieg bewahrt und später in die Playoffs geführt.
Warum sollte ihm dies nicht auch in Kloten gelingen? Mit einer Mannschaft, die nominell eher noch besser besetzt war als einst «sein» Biel.
Alles spricht dafür, dass Arno Del Curto in Zürich der richtige Mann zur richtigen Zeit ist. Er hat Davos sechsmal zum Meistertitel geführt.
Warum sollte ihm dies nicht auch in Zürich gelingen? Mit einer Mannschaft, die nominell eher noch besser besetzt ist als einst «sein» Davos?
Kevin Schläpfer wurde noch vor der Liga-Qualifikation gegen die Lakers gefeuert. Weshalb er heute am Ende seiner Motivations-Vorträge sagen darf: «Ich wäre mit Kloten nicht abgestiegen.» Und dafür tosenden Applaus vom Publikum erntet.
Der Baselbieter wartet inzwischen fast ein Jahr auf seine nächste Chance. Scheitern Davos oder die Lakers im Abstiegskampf, dann ergeben sich für ihn möglicherweise Perspektiven. Er trifft sich in zwei Wochen auch mit Langenthals Geschäftsführer Gian Kämpf zum Mittagessen. Aber es gibt eine gewisse Hemmschwelle, den charismatischen Nonkonformisten zu verpflichten.
Es gibt eigentlich nur eine Differenz zwischen den Fällen «ZSC/Del Curto» und «Kloten/Schläpfer». Die Begeisterung im Hallenstadion war noch grösser. Anders als in Kloten hat es bei den ZSC Lions nicht eine einzige nachdenkliche Stimme gegeben. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass in den Stadtzürcher Redaktionsstuben und Neuigkeiten-Räumen («News Rooms») mehr ZSC-Fans und Zeugen Del Curtos als Kloten-Fans und Schläpfer-Jünger wirken.
Wenn Arno Del Curto in Zürich scheitern sollte, dann wird er der nächste Kevin Schläpfer. Gut möglich, dass auch er dann beinahe ein Jahr (oder länger) auf eine nächste Chance warten muss. Es gäbe – ausser in Lugano – eine gewisse Hemmschwelle, den charismatischen Nonkonformisten zu verpflichten.
Downtown Zürich (die ZSC Lions stehen für das urbane Züri) und Seldwyla (Kloten steht für das ländliche Züri) sind im Eishockey ähnlicher, als wir manchmal denken. Zürcher sind und bleiben Zürcher. Egal welches Dress sie tragen.
Nicht vergleichbar wären allerdings die Folgen des Scheiterns. Kevin Schläpfers Amtsenthebung in Kloten war kein nationales Thema mehr. Klotens Büro-Generäle mussten sich nicht erklären.
Sollte hingegen Arno Del Curto bei den ZSC Lions mit Karacho untergehen (ein leises Scheitern ist gar nicht möglich), dann wird es in den Redaktionsstuben und Neuigkeiten-Räumen noch einmal ganz gehörig rocken. Die ZSC-Bürogeneräle müssten sich wortreich erklären.
ZSC-Manager Peter Zahner und sein Sportchef Sven Leuenberger kämen schon ein wenig in Erklärungsnot.
Sie dürften nämlich in diesem Falle die Wahrheit nicht sagen: dass sie zwar ganz, ganz tief im Herzen nicht gegen die Verpflichtung von Arno Del Curto gewesen seien. Aber doch ein mulmiges Gefühl hatten.
Wer von beiden wäre dann verantwortlich für das Scheitern? Wer zöge dann den schwarzen Peter? Peter oder Sven?
Also hoffen Peter Zahner und Sven Leuenberger ganz, ganz tief im Herzen und auch in ihrem ureigenen, persönlichen Interesse, Arno Del Curto möge erfolgreich sein und nicht der nächste Kevin Schläpfer werden.
Bei den ZSC Lions steht viel mehr auf dem Spiel als die Playoff-Qualifikation und die Titelverteidigung.