Ausgerechnet Schweden! Oder zum Glück Schweden? Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, die Chancen fürs Viertelfinale abzuwägen.
Zuerst die pessimistische Betrachtungsweise. Wir haben bis heute gegen Schweden noch nie ein «Alles-oder-Nichts-Spiel» gewonnen. Ja, die Schweden sind so arrogant, dass sie 2006 beim Olympischen Turnier unter Nationaltrainer Bengt-Ake Gustafsson das letzte Gruppenspiel gegen die Slowakei absichtlich verloren (0:3) um im Viertelfinale gegen die Schweiz spielen zu können.
Dass die Schweizer in den Gruppenspielen 2:0 gegen Kanada, den Olympiasieger von 2002 und 3:2 gegen Weltmeister Tschechien gewonnen hatten, beeindruckte die Schweden nicht im geringsten. Sie gewannen das Viertelfinale problemlos 6:2, wurden Olympiasieger und ein paar Wochen später auch Weltmeister.
Die Hockeygötter haben Bengt-Ake Gustafsson allerdings für diese absichtliche Niederlage bestraft: Er muss heute bei Olten in der NLB an der Bande stehen. Dabei ist er der einzige Nationaltrainer der Geschichte, der im gleichen Jahr bei zwei verschiedenen Turnieren sowohl Olympiasieger als auch Weltmeister geworden ist.
Aber wir sind vom Thema abgekommen. Die Schweizer waren im WM-Halbfinale von 1992 (1:4) gegen den späteren Weltmeister Schweden ebenso chancenlos wie im Doppel-WM-Halbfinale von 1998 (1:4 und 2:7) und zuletzt im WM-Finale von 2013 (1:5).
Erst einmal waren wir ganz nahe dran: 2005 verloren wir nach einer 1:0-Führung nur 1:2. Torhüter Martin Gerber hatte eine der besten Partien seines Lebens gespielt. Kein Wunder sagt Damien Brunner auf die Frage, welchen der drei möglichen Viertelfinalgegner (Russland, USA, Schweden) er ausgewählt hätte: «Wahrscheinlich die Amerikaner.»
Die Schweden sind im Durchschnitt vier Zentimeter grösser und fünf Kilo schwerer, sie haben das beste Box-Play dieser WM (Schweiz 6.) und so viele NHL-Spieler im WM-Team (19) wie noch nie – einer der drei, die nicht in der NHL unter Vertrag stehen, ist Zugs Carl Klingberg.
Aber es gibt auch eine optimistische Sicht der Dinge. Patrick Fischer sagt: «Eigentlich müssten uns die Schweden liegen». Vor einem Jahr verlor er bei seiner ersten WM als Nationaltrainer im zweitletzten Gruppenspiel gegen die Schweden erst nach Penaltys (2:3). Mit der Bezeichnung «eigentlich» weist er vor allem auf die defensiven Qualitäten des Viertelfinalgegners hin. Und im Tor steht mit Henrik Lundqvist (NY Rangers) einer der besten Goalies der Welt. Aber das Powerplay der Schweden (10. der WM) war bisher ähnlich durchschnittlich wie das der Schweizer (11.) und die Mannschaft ist jung. Das Durchschnittsalter (27) ist gleich wie bei den Schweizern.
Ein bisschen Hoffnung gibt es auch aus der Geschichte. Ganz chancenlos waren wir in der Vergangenheit gegen die Schweden nicht – aber es waren halt nicht «Alles-oder-Nichts-Spiele». Hier ein paar Beispiele:
Aber da waren die Schweden noch nicht die Hockey-Weltmacht von heute.
Und in bedeutungslosen Gruppenpartien besiegten wir 1993 in München Titelverteidiger Schweden 6:4 und stiegen am Ende ab. 2008 gelang uns in Quebec City in einem Gruppenspiel ein 4:2-Sieg.
Es gibt zudem einen ganz simplen rechnerischen Grund zur Hoffnung. Je länger eine Serie dauert, desto wahrscheinlicher wird schon rein statistisch das Ende – und da die Schweden in «Alles-oder-Nichts-Partien» gegen uns noch gar nie verloren haben, ist dieses Ende nahe. Unsere Chancen sind also zumindest rein rechnerisch recht gut.
Und schliesslich und endlich haben wir in Paris mit Schweden noch eine Rechnung offen. Bei der letzten WM in Paris im Jahre 1951 verpassten wir den EM-Titel nach einem 3:3 in der Direktbegegnung gegen Schweden nur wegen der minimal schlechteren Tordifferenz (28:12 gegen 33:14) und mussten hinter Kanada und Schweden mit Bronze vorliebnehmen.
Die Schweizer sind gegen die Schweden so oder so Aussenseiter. Ein Sieg ist wahrlich kein «Muss». Getreu einem frivolen Motto aus dem Pariser Nachtleben: «Nichts müssen, aber alles dürfen».
Das letzte Wort überlassen wir Nationaltrainer Patrick Fischer aus der offiziellen Medienkonferenz nach dem Triumph gegen Tschechien. An die internationale Medienschar gerichtet sagte er: «Wir wussten immer, dass wir gut sind. Aber ihr habt wohl nicht an uns geglaubt.»