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Analyse der Schweizer Ausgangslage vor dem Hockey-WM-Viertelfinal gegen Schweden

epa05959314 Sweden's forward Victor Rask (C) celebrates with his teammates Elias Lindholm (L) and Gabriel Landeskog (R) after scoring the 1-0 lead during the 2017 IIHF Ice Hockey World Championsh ...
Die Schweden verfügen über eine starke Mannschaft, sind aber trotzdem schlagbar.Bild: SASCHA STEINBACH/EPA/KEYSTONE
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Chancenlos gegen Schweden? Nein. Ein bisschen Hoffnung aus Geschichte und Statistik

Revanchieren sich die Schweizer im Viertelfinale gegen Schweden für die WM 1951 in Paris? Rein rechnerisch stehen die Chancen recht gut.
17.05.2017, 14:1917.05.2017, 14:44
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Ausgerechnet Schweden! Oder zum Glück Schweden? Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, die Chancen fürs Viertelfinale abzuwägen.

Zuerst die pessimistische Betrachtungsweise. Wir haben bis heute gegen Schweden noch nie ein «Alles-oder-Nichts-Spiel» gewonnen. Ja, die Schweden sind so arrogant, dass sie 2006 beim Olympischen Turnier unter Nationaltrainer Bengt-Ake Gustafsson das letzte Gruppenspiel gegen die Slowakei absichtlich verloren (0:3) um im Viertelfinale gegen die Schweiz spielen zu können.

Der neue Trainer der SCL Tigers Bengt-Ake Gustafsson gibt Anweisungen, waehrend dem ersten Eistraining mit den SCL Tigers, am Mittwoch, 16. Oktober 2013, in der Ilfishalle in Langnau. (KEYSTONE/Marcel ...
Bent-Ake Gustafsson wurde von den Hockeygöttern bestraft.Bild: KEYSTONE

Olten als Strafe der Hockeygötter

Dass die Schweizer in den Gruppenspielen 2:0 gegen Kanada, den Olympiasieger von 2002 und 3:2 gegen Weltmeister Tschechien gewonnen hatten, beeindruckte die Schweden nicht im geringsten. Sie gewannen das Viertelfinale problemlos 6:2, wurden Olympiasieger und ein paar Wochen später auch Weltmeister.

Die bisherigen Viertelfinals an Titelturnieren
Seit der Einführung der Formel mit Viertelfinals haben die Schweizer bis heute erst zwei Viertelfinals gewonnen: 1992 in Prag gegen Deutschland (4. Schlussrang) und 2013 in Stockholm gegen Tschechien (2. Schlussrang). 1998 kamen wir nicht über den Viertelfinal ins Halbfinale – vorübergehend gab es einen Modus, bei dem in Gruppenspielen direkt der Halbfinal erreicht wurde. 

2015: USA 1:3
2013: Tschechien 2:1
2010: Deutschland 0:1, Olympische Spiele: USA 0:2
2008: Russland 0:62007 Kanada 1:5
2006: Olympische Spiele: Schweden 2:5
2005: Schweden 1:2
2004: Slowakei 1:3
2003: Slowakei 1:3
2000: Kanada 3:5
1992: Deutschland 3:1

Die Hockeygötter haben Bengt-Ake Gustafsson allerdings für diese absichtliche Niederlage bestraft: Er muss heute bei Olten in der NLB an der Bande stehen. Dabei ist er der einzige Nationaltrainer der Geschichte, der im gleichen Jahr bei zwei verschiedenen Turnieren sowohl Olympiasieger als auch Weltmeister geworden ist.

Aber wir sind vom Thema abgekommen. Die Schweizer waren im WM-Halbfinale von 1992 (1:4) gegen den späteren Weltmeister Schweden ebenso chancenlos wie im Doppel-WM-Halbfinale von 1998 (1:4 und 2:7) und zuletzt im WM-Finale von 2013 (1:5).

Gross, schwer und viele NHL-Spieler

Erst einmal waren wir ganz nahe dran: 2005 verloren wir nach einer 1:0-Führung nur 1:2. Torhüter Martin Gerber hatte eine der besten Partien seines Lebens gespielt. Kein Wunder sagt Damien Brunner auf die Frage, welchen der drei möglichen Viertelfinalgegner (Russland, USA, Schweden) er ausgewählt hätte: «Wahrscheinlich die Amerikaner.»

Bittere Niederlage gegen Schweden: der WM-Final von 2013.Video: YouTube/Russian Hockey Videos

Die Schweden sind im Durchschnitt vier Zentimeter grösser und fünf Kilo schwerer, sie haben das beste Box-Play dieser WM (Schweiz 6.) und so viele NHL-Spieler im WM-Team (19) wie noch nie – einer der drei, die nicht in der NHL unter Vertrag stehen, ist Zugs Carl Klingberg.

Aber es gibt auch eine optimistische Sicht der Dinge. Patrick Fischer sagt: «Eigentlich müssten uns die Schweden liegen». Vor einem Jahr verlor er bei seiner ersten WM als Nationaltrainer im zweitletzten Gruppenspiel gegen die Schweden erst nach Penaltys (2:3). Mit der Bezeichnung «eigentlich» weist er vor allem auf die defensiven Qualitäten des Viertelfinalgegners hin. Und im Tor steht mit Henrik Lundqvist (NY Rangers) einer der besten Goalies der Welt. Aber das Powerplay der Schweden (10. der WM) war bisher ähnlich durchschnittlich wie das der Schweizer (11.) und die Mannschaft ist jung. Das Durchschnittsalter (27) ist gleich wie bei den Schweizern.

From left: Sweden's Victor Hedman and William Nylander thank goalkeeper Henrik Lundqvist at the end of a group A match of the 2017 Hockey World Championships between Sweden and Slovakia in Lanxes ...
Topskorer William Nylander (Mitte) und Torhüter Lundqvist: Schwedische Top-Spieler an der WM.Bild: AP/dpa

Hoffnung aus der Geschichte

Ein bisschen Hoffnung gibt es auch aus der Geschichte. Ganz chancenlos waren wir in der Vergangenheit gegen die Schweden nicht – aber es waren halt nicht «Alles-oder-Nichts-Spiele». Hier ein paar Beispiele:

  • Am 19. Januar 1935 putzten wir die Schweden im WM-Eröffnungsspiel in Davos 6:1 vom Eis und wurden WM-Zweite.
  • 1948 besiegten wir auf dem Weg zu olympischer Bronze in St. Moritz Schweden mit 8:2.

Aber da waren die Schweden noch nicht die Hockey-Weltmacht von heute.

Kam nicht gut an: 2013 kramten die Schweden kurz vor Schluss ihre goldenen Weltmeister-Helme hervor.Video: streamable

Und in bedeutungslosen Gruppenpartien besiegten wir 1993 in München Titelverteidiger Schweden 6:4 und stiegen am Ende ab. 2008 gelang uns in Quebec City in einem Gruppenspiel ein 4:2-Sieg.

Es gibt zudem einen ganz simplen rechnerischen Grund zur Hoffnung. Je länger eine Serie dauert, desto wahrscheinlicher wird schon rein statistisch das Ende – und da die Schweden in «Alles-oder-Nichts-Partien» gegen uns noch gar nie verloren haben, ist dieses Ende nahe. Unsere Chancen sind also zumindest rein rechnerisch recht gut.

Offene Rechnung in Paris

Und schliesslich und endlich haben wir in Paris mit Schweden noch eine Rechnung offen. Bei der letzten WM in Paris im Jahre 1951 verpassten wir den EM-Titel nach einem 3:3 in der Direktbegegnung gegen Schweden nur wegen der minimal schlechteren Tordifferenz (28:12 gegen 33:14) und mussten hinter Kanada und Schweden mit Bronze vorliebnehmen.

Was erreicht die Schweiz an dieser WM noch?

Die Schweizer sind gegen die Schweden so oder so Aussenseiter. Ein Sieg ist wahrlich kein «Muss». Getreu einem frivolen Motto aus dem Pariser Nachtleben: «Nichts müssen, aber alles dürfen».

Das letzte Wort überlassen wir Nationaltrainer Patrick Fischer aus der offiziellen Medienkonferenz nach dem Triumph gegen Tschechien. An die internationale Medienschar gerichtet sagte er: «Wir wussten immer, dass wir gut sind. Aber ihr habt wohl nicht an uns geglaubt.»

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pana
17.05.2017 14:51registriert Juni 2015
"Die Hockeygötter haben Bengt-Ake Gustafsson allerdings für diese absichtliche Niederlage bestraft: er muss heute bei Olten in der NLB an der Bande stehen."

Eine wahre Eismeister-Perle! Herrlich :D
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Bruno Wüthrich
17.05.2017 14:58registriert August 2014
Wer Kanada und Tschechien schlägt, kann auch Schweden schlagen. Unsere Nati ist jedeoch nicht Favorit, und ein Sieg darf deshalb nicht voraus gesetzt werden. Aber er wäre auch keine Reisensensation.

Ich traute Coach Patrick Fischer vor dieser WM nicht viel zu und sah mich nach den Spielen gegen Slowenien und Frankreich bestätigt. Doch ich scheine mich gewaltig geirrt zu haben. Ein Irrtum, der mich freut.

Meinungen, Ansichten und Urteile darf man ändern. Klaus Zaugg hat seine Meinung ebenfalls geändert. Es blieb ihm letztendlich nichts anderes übrig. Ergo frisst er jetzt ein wenig Kreide.
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Sloping
17.05.2017 15:03registriert Oktober 2014
Das ist nominell einer der besten WM Mannschaften Schwedens aller Zeiten. Nicht vergleichbar mit der letztjährigen. In einer Playoff Serie wären wir wohl chancenlos. Aber in einem KO Spiel ist, wenn Genoni auf den Kopf steht, Eigenfehler vor allem in der eigenen Zone und Strafen minimiert werden, sowie die aufgrund ihrer hochkarätigen Defense wohl wenigen glasklaren Torchancen resolut genutzt werden, eine Überraschung möglich.
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