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In der Serie mit 1:2 zurück – darum ist der SC Bern gegen Lausanne immer noch der klare Favorit

Lausanne-Trainer Heinz Ehlers hat sein Gegenüber Guy Boucher ausgecoacht.
Lausanne-Trainer Heinz Ehlers hat sein Gegenüber Guy Boucher ausgecoacht.Bild: KEYSTONE
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In der Serie mit 1:2 zurück – darum ist der SC Bern gegen Lausanne immer noch der klare Favorit

SCB-Coach Guy Boucher ist naiv und blindlings in Lausannes taktische Falle getappt. Aber die Lage ist nach der zweiten Niederlage keineswegs hoffnungslos. Der SC Bern bleibt Favorit.
06.03.2015, 13:5506.03.2015, 14:09
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Der Fehler ist passiert und kann nicht mehr korrigiert werden. Berns Coach Guy Boucher hat freiwillig auf die spielerischen Qualitäten (Tempo, Technik, Wucht, Ausgeglichenheit) seines Teams verzichtet und liess sich von Lausanne Stil und Gangart diktieren. Die Serie wird jetzt so gespielt, wie es der Aussenseiter will. Reines Defensiv-Schach. Kein Raum und keine Zeit zur Entfaltung spielerischer Herrlichkeiten.

Der SCB-Coach hat sich durch eigenes Verschulden in diese schwierige Situation gebracht. Guy Boucher hat die Chance, sich zu retten – schafft er das nicht, muss er das Ausscheiden auf seine Kappe nehmen. So einfach ist das.

Berns Boucher muss sich etwas einfallen lassen.
Berns Boucher muss sich etwas einfallen lassen.Bild: Christian Pfander/freshfocus

Die Heimniederlage als gutes Omen

Der SCB mahnt an eine Schwadron Kosaken, die freiwillig vom Pferd gestiegen sind und nun zu Fuss kämpfen. Es ist inzwischen zu spät, um die spielerischen Pferde noch einmal zu satteln. So wie diese Serie angefangen hat, so wird sie nun durchgespielt. Bis zur bitteren Neige. Der Versuch, während einer Serie doch noch die Taktik zu wechseln, ist etwa so erfolgversprechend wie der, während des Hochzeitstages, wenn schon die Hochzeitsglocken läuten, die Braut gegen eine alte Schulfreundin auszutauschen.

Der SCB hat gar nicht einmal so schlechte Karten. Ja, diese Heimniederlage ist ein gutes Omen. Im Frühjahr 2013 gewann der SCB das erste Viertelfinalspiel gegen Servette (4:0), verlor auswärts (2:5) und anschliessend zu Hause die dritte Partie (5:6 n.V). Mehr Tore zwar als jetzt – aber ansonsten genau die Ausgangslage, die wir nun gegen Lausanne haben. Anschliessend ging auch die vierte Partie (auswärts in Genf) verloren (1:2) und der SCB lag scheinbar rettungslos 1:3 im Rückstand. Doch die Berner retteten sich mit drei Siegen hintereinander (2:1 n.V, 4:3 n.P., 4:1) ins Halbfinale und wurden später sogar Meister.

NLA-Playoffs 2015

Leeger steht für Lausanne

So kann es auch jetzt laufen. Es geht nicht mehr um spielerische Qualitäten. Die Energie wird zum entscheidenden Faktor. Hat Lausanne hat genug Energie, um gegen diesen SCB eine Zermürbungs- und Ermattungs-Serie durchzustehen? Die Erfahrung lehrt: Nein. In einer so intensiven Serie entscheidet das «letzte Bataillon». Also die grössere Ausgeglichenheit. Die Energie ab dem dritten und vierten Sturm – und das bedeutet: Vorteil SC Bern. Lausannes Sportdirektor Jan Alston sagt denn auch: «Die Energie wird jetzt der entscheidende Faktor sein.»

Wir können das SCB-Problem auch an zwei Spielern erklären. Kennen Sie Larry Leeger? Wahrscheinlich nicht. Kennen Sie Eric Blum? Wahrscheinlich schon. Beide sind 28 Jahre alt. Beide arbeiten als Verteidiger. Beide sind in der Nachwuchsorganisation der ZSC Lions ausgebildet worden. Und beide haben gestern je ein Tor erzielt. Eric Blum zum 1:0 und Larry Leeger zum 1:1.

Larry Leeger (links) steht für das Gute bei Lausanne.
Larry Leeger (links) steht für das Gute bei Lausanne.Bild: Christian Pfander/freshfocus

Wir können also sagen: Beide waren gestern gleich gut. Und so verstehen wir auch, warum der SC Bern als himmelhoher Favorit gegen den krassen Aussenseiter Lausanne so viel Mühe hat. Eric Blum ist ein berühmter Verteidiger. Ein Star und WM-Silberheld. In 377 Partien hat er schon 43 Tore erzielt. Larry Leeger ist ein Nobody. Er hat in 217 Partien erst vier Tore geschossen und gestern traf er zum ersten Mal in dieser Saison.

Larry Leeger personifiziert den HC Lausanne. Den Aussenseiter, der durch schlaue Taktik, Disziplin, Geduld, Leidenschaft und Intelligenz sein Manko an Talent kompensieren kann.

Lausannes Trainer hat ein Wunder vollbracht

Das will nicht heissen, dass es dem SC Bern an Taktik, Disziplin, Geduld, Leidenschaft und Intelligenz gebricht. Das wäre unfair. Aber die Berner haben eben freiwillig auf ihre überlegenen spielerischen Qualitäten verzichtet und sich dem defensiven Schachspiel ihres Gegners angepasst.

Wir können nun sagen, dass Lausanne mit Heinz Ehlers (er ist zum besten Trainer der Saison gewählt worden) wahrscheinlich besser gecoacht wird als der SC Bern mit Guy Boucher. Aber das ist vorerst eine unsachliche, ja geradezu boshafte Polemik. Heinz Ehlers hat ein Wunder vollbracht und wir dürfen uns jetzt schon tief vor ihm verneigen.

Ehlers: «Wir haben ein Spiel gewonnen. Aber noch lange nicht die Serie»

Guy Boucher hat zwar die falsche Taktik für sein spielerisch überlegenes Team gewählt. Aber am Ende des Tages geht es nicht um eine falsche oder richtige Taktik. Sondern nur darum, ob eine Taktik zum Sieg führt. Eine Serie kann auch mit einer falschen Taktik gewonnen werden. Es ist dann halt mühsamer, dramatischer, spannender als wenn von allem Anfang an alles richtig gemacht wird.

Wie schon ausgeführt: die Serie ist noch nicht entschieden. Das weiss Lausannes Trainer sehr wohl und er sagte nach dem Spiel, das um 23.40 Uhr zu Ende ging: «Wir feiern den Sieg bis Mitternacht. Aber nicht eine Sekunde länger. Dann beginnt sofort die Vorbereitung aufs nächste Spiel. Wir haben ein Spiel gewonnen. Aber noch lange nicht die Serie.»

Die ganz grosse Frage ist, ob der SCB jenes Selbstvertrauen bewahren kann, das Sieger brauchen. Guy Boucher und seine Jungs haben die Nerven noch nicht verloren. Die Reaktionen nach dem Spiel waren sachlich, ruhig, ja beinahe fatalistisch. Wir werden erst morgen erfahren, ob es einfach die Rhetorik ist, der sich jeder Coach und jeder Spieler nach einem verlorenen Playoff-Spiel bedient, oder ob es Ratlosigkeit oder gar Resignation ist. Irritierend ist bloss, dass der grosse, mächtige, stolze, reiche SC Bern sich selber ständig so klein redet und der Trainer und die Spieler ständig betonen, man habe genau so eine Serie erwartet, man habe immer gewusst, dass es so laufen werden.

Bern-Goalie Bührer: Der Schwachpunkt des Favoriten.
Bern-Goalie Bührer: Der Schwachpunkt des Favoriten.Bild: Urs Lindt/freshfocus

Huet ist ein Titan, Bührer ist keiner

Die grösste Gefahr droht dem SCB von Torhüter Cristobal Huet. Am Ende, kurz vor Mitternacht, kommt es in diesem grossen Drama zur fairsten aller Entscheidungen. Penaltyschiessen. Stürmer gegen Torhüter. Kein Foul, keine Fehlentscheidung der Schiedsrichter kann jetzt noch irgendeinen Einfluss haben. Talent und Nervenkraft entscheiden.

In jedem Bereich ist Lausanne der krasse Aussenseiter – ausser im Penaltyschiessen. In diesem Spezialgebiet ist der Underdog klarer Favorit. Denn Lausanne hat Cristobal Huet im Tor. Ein Titan. Berns Marco Bührer ist ein meisterlicher Riese. Aber kein Titan. Der eingebürgerte Franzose lässt sich nur einmal bezwingen (von Ritchie). Marco Bührer aber zweimal (von Louhivaara und Mieville). Lausanne gewinnt nach Penaltyschiessen 2:1 und führt in der Serie 2:1.

«But it's not over until the fat lady sings.» Die Dame hat noch nicht einmal die Bühne dieses grandiosen Schauspiels betreten.

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