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Die bange Frage in Davos: Das Ende einer Karriere oder das Ende einer Ära?  

Auch Arno del Curto muss überlegen, wie die Zukunft aussehen soll.
Auch Arno del Curto muss überlegen, wie die Zukunft aussehen soll.Bild: KEYSTONE
Nach dem Abgang der von Arx-Brüder

Die bange Frage in Davos: Das Ende einer Karriere oder das Ende einer Ära?  

Im Herbst flog der HC Davos noch an die Tabellenspitze. Inzwischen ist der Klub in die grösste Identitätskrise seit dem Wiederaufstieg geraten.
13.02.2015, 07:34
klaus zaugg
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Das Werweissen um die Zukunft des erfolgreichsten NLA-Klubs des 21. Jahrhunderts ist mindestens so aufregend wie der Kampf um den letzten Playoff-Platz. 

Nach Sandro Rizzi und Josef Marha verlässt mit Reto von Arx der letzte Mann aus Arno Del Curtos «Leibgarde», der «Zeugen del Curtos» den Klub. Den «harten »Kern, dem der HCD alle fünf Titel verdankt, gibt es nicht mehr. Ist damit auch eine Ära zu Ende?

Im Herbst schien es eher, in Davos habe eine neue Ära begonnen. Die Mannschaft gewann neun der ersten zehn Saisonspiele. Erst am 9. Januar 2015 verloren die Davoser nach einer Niederlage gegen die Lakers die Tabellenführung an den SC Bern.

Der harte Kern von Davos löst sich auf. Arno Del Curto 2006 mit Reto von Arx, Andres Ambühl, Jan von Arx und Josef Marha.
Der harte Kern von Davos löst sich auf. Arno Del Curto 2006 mit Reto von Arx, Andres Ambühl, Jan von Arx und Josef Marha.Bild: KEYSTONE

Aber war es das letzte aufglühen einer Sonne, die erlöschen wird? Kann eine Mannschaft ohne Center wie Josef Marha, Sandro Rizzi und Reto von Arx überhaupt mit Arno Del Curtos ultimativem Tempohockey einen Titel gewinnen? Ist dieses Tempohockey mit der aktuellen Mittelachse noch playoff- und titeltauglich?

Davos auf der Suche nach einer neuen Identität

Seit der letzten Meisterschaft von 2011 hat der HCD keine Playoffserie mehr gewonnen. Dreimal hintereinander war die Saison nach dem Viertelfinale zu Ende. Zweimal war Reto von Arx wegen einer Verletzung bei der Entscheidung nicht mehr dabei. Ganz offensichtlich geht es nicht ohne den Leitwolf.

Die Trennung von Reto von Arx ist richtig und unumgänglich. Die HCD-Geschichte in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. Die entscheidende Frage ist jetzt, wie lange es dauert, bis der HCD eine neue Identität findet. 20 Jahre lang hat Reto von Arx diese Mannschaft auf und neben dem Eis als Leitwolf geprägt. Den HCD wie er seit 20 Jahren das Publikum begeistert, gibt es so nicht mehr.

Und es gibt noch eine bange Frage: Hat Arno Del Curto auch ohne Reto von Arx eine emotionale Bindung an den HCD die so stark ist, dass ein Wechsel ins Unterland nicht in Frage kommt?

Verlässt nach Reto von Arx auch Arno Del Curto Davos?
Verlässt nach Reto von Arx auch Arno Del Curto Davos?Bild: KEYSTONE

Arno Del Curto hat schon so oft mit einem Abgang kokettiert, dass niemand mehr glauben mag, dass er tatsächlich gehen könnte. Aber es gibt eine berühmte Fabel, die HCD-Präsident Gaudenz Domenig lesen sollte. Der Wolf und der Hirtenjunge. Es gab einmal einen Hirtenjungen. Er rief «Hilfe! Ein Wolf! Ein Wolf!» Die Dorfbewohner eilten herbei um zu helfen. Aber es war falscher Alarm.

Der Hirtenjunge rief noch ein paar Mal «Hilfe! Ein Wolf!». Schliesslich glaubten ihm die Dorfbewohner nicht mehr. Und so kam es, dass sie einen weiteren Hilferuf ignorierten – und der Wolf frass die Schafe und den Hirtenjungen.

In Davos hat es schon so oft geheissen, Arno Del Curto werde den Vertrag nicht mehr verlängern und ins Unterland wechseln, dass solche Gerüchte gar niemand mehr ernst nimmt. Auch jetzt nicht. Dabei sagt Arno Del Curto gegenüber watson deutsch und deutlich, dass er noch nicht verlängert hat

Was, wenn er diesmal Ernst macht?

Wenn im Sinne der Fabel der Wolf kommt? Auch wenn Arno Del Curtos Abgang unwahrscheinlich ist: durch den Verlust von Reto von Arx geht ein Teil seiner tiefen emotionalen Bindung mit dem HCD verloren.

Wenn Arno Del Curto noch einmal eine neue Herausforderung wagen will, dann muss er jetzt gehen. Mit der Trennung von Reto von Arx ist eine weitere Spielerkarriere zu Ende gegangen. Bei einer Trennung von Arno del Curto würde eine Ära zu Ende gehen und der HCD könnte auf Jahre hinaus ins Mittelmass zurückfallen. Kein Trainer kann in Davos in Arno Del Curtos Schuhen stehen. Zu speziell ist das Hockey, das in Davos gespielt und seit 20 Jahren eingeübt worden ist. 

Die monarchistischen Strukturen des HC Davos sind längst nicht mehr zeitgemäss. Im Universum HC Davos dreht sich alles um Arno Del Curto. Bei einem Wegfall des Zentralgestirns implodiert das ganze Planetensystem. Die Scheidung von seinem Freund Reto von Arx hat Arno Del Curto zutiefst verstört und ihn emotional stärker mitgenommen als alle Abgänge der letzten 19 Jahre zusammen.

Ob HCD-Präsident Gaudenz Domenig für einen Abgang von del Curto gewappnet wäre?
Ob HCD-Präsident Gaudenz Domenig für einen Abgang von del Curto gewappnet wäre?Bild: KEYSTONE

Was, wenn Lugano im Viertelfinale erneut scheitert, Patrick Fischer sein Charisma verliert und Präsidentin Vicky Mantegazza bereits ist, Arno Del Curto alle Macht zu geben so wie einst ihr Vater John Slettvoll allmächtig gemacht hat? Was, wenn Guy Boucher oder Marc Crawford in die NHL wechseln? Was, wenn Sean Simpson mit Karacho scheitert und Kloten schon wieder einen neuen Trainer braucht?

Was, wenn die Schweizer bei der WM mit Glen Hanlon kläglich scheitern und ein neuer Nationaltrainer gesucht wird? Was, wenn Arno Del Curto, der einzige Trainer der Welt, der seit 19 Jahren ununterbrochen arbeitet weil ihm seit 1996 nie mehr durch eine Entlassung eine Denk- und Verschnaufpause gewährt worden ist, für sich selbst ein Time-Out nimmt? 

HCD-Präsident Gaudenz Domenig darf nicht mehr davon ausgehen, dass sein Trainer für immer und ewig in Davos bleibt.  

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