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Wenn ein Hockeyunternehmen wie der SC Bern, also das Bayern München des Hockeys, sieben Mal hintereinander verliert, dann ist eigentlich klar: der Trainer muss gefeuert werden.
Wenn es nur so einfach wäre! Es gibt in diesem Falle auch eine ganz andere Sichtweise. Wer sieben Mal hintereinander verliert, aber fünfmal punktet und als Mannschaft immer intakt bleibt, darf den Trainer nicht feuern.
SCB-General Marc Lüthi (er hat bei allen Trainerfragen das letzte Wort) ist in die heikelste sportliche Lage seit seinem Amtsantritt vor 18 Jahren geraten. Aus eigenem Verschulden. Er hat wider besseren Wissens im letzten Sommer an Trainer Guy Boucher festgehalten. Obwohl alle, aber alle Zeichen auf sofortigen Trennung standen.
Obwohl er Arno Del Curto hätte haben können. Das bestätigte der HCD-Trainer gestern noch einmal und ergänzte: «Der Anruf aus Bern kam eine Woche zu spät.» Ach, welche «Jahrhundert-Chance» hat Marc Lüthi da vergeben! Das muss wieder einmal gesagt sein. Und so musste er nun halt im Laufe der Saison den Guy Boucher feuern.
Seither steckt der SCB in der Klemme. Denn eines ist klar: nächste Saison braucht der SCB den richtigen Trainer. Aber wie im November einen «Nottrainer» finden, der bereit ist, ohne Aussicht auf eine Vertragsverlängerung einzusteigen? Also hat Marc Lüthi die Mannschaft für den Rest der Saison dem Assistenten überlassen. Ein denkbar schwieriger Job für Lars Leuenberger. Für alle, auch für ihn selbst, ist klar, dass er Ende Saison gehen wird. So hat er weder Charisma noch Autorität eines grossen Bandengenerals.
Nun ist eine Situation eingetreten, die es so beim SCB noch nie gegeben hat. Kein einziger Spieler ist gegen den Trainer. Nach der «Eiszeit» unter Guy Boucher mögen alle den freundlichen und durchaus kompetenten ehemaligen Assistenten und Kumpel, der nun zum Chef befördert worden ist. Deshalb fällt die Mannschaft nie auseinander. Jeder versucht alles. Die Partien mögen laufen wie sie wollen, niemand nimmt eine Niederlage einfach hin.
Der SCB hat unter Lars Leuenberger nur drei von 14 Partien mit mehr als einem Tor Differenz verloren und acht erst nach Verlängerung und Penalty-Schiessen. In Lausanne gelingt der Ausgleich zum 4:4 eine Sekunde vor Schluss gelungen, ehe die Partie nach Penaltys doch noch verloren geht. Ganz offensichtlich stimmen die «weichen Faktoren». Die Chemie, das Innenleben des Teams.
Aber Lars Leuenberger ist nicht der grosse Taktiklehrer. Um die Details im täglichen Drill einzuschleifen (wie das Arno Del Curto so meisterhaft versteht) fehlt ihm die Autorität und die Erfahrung. Deshalb taumelt die Mannschaft wie führungslos durch die Spiele. Die «harten Faktoren», die taktische Disziplin, die Ordnung in der Defensive stimmen nicht. Der SCB ist taktisch zerrüttet wie vielleicht nie seit dem Wiederaufstieg – aber moralisch so intakt wie ein Meisterteam. Oder polemischer formuliert: Willige Löwen, geführt von taktischen Eseln.
Bei dieser Ausgangslage ist der Trainerwechsel hoch riskant. Und doch ist die Versuchung gross. Vor den vier letzten Partien gegen den ZSC (a), Servette (h), Lausanne (h) und Fribourg (h) hat der SCB sage und schreibe 16 Tage (!) Pause. Vom 5. bis zum 21. Februar. Genug Zeit für ein Trainingslager. Mit ziemlicher Sicherheit genug Zeit für einen neuen Trainer, um die «harten Faktoren» einzuüben und durchzusetzen und den SCB auch taktisch wieder playofffähig zu machen.
Aber was ist, wenn unter dem neuen Trainer die «weichen Faktoren» nicht mehr stimmen? Wenn die Chemie, das Innenleben der Mannschaft verloren gehen? Folgen dann nicht mehr dramatische, sondern gut strukturierte Niederlagen? Das wäre erst recht der Sturz ins Bodenlose.
Gottéron hat auch nach elf Niederlagen an Trainer Gerd Zenhäusern festgehalten. Die «weichen Faktoren» waren nie das Problem. Und auch die «harten Faktoren» funktionierten besser als beim SCB. Und der ganz grosse Unterschied: Gottéron ist nie aus den Playoffrängen gerutscht. Die Zeit ist nie davongelaufen. Es war ein bisschen weniger riskant, am Trainer festzuhalten. Inzwischen hat sich Gottéron von der Krise erholt und segelt auf Playoffkurs.
SCB-General Marc Lüthi aber läuft die Zeit davon. Drei Spiele kann er noch warten. Aber nach den Partien gegen Ambri (a), Zug (h) und Fribourg (h) folgt die vorerwähnte lange Februar-Pause. Spätestens am 6. Februar muss er sich entscheiden, ob er an Lars Leuenberger festhalten will oder nicht. Wenn er dann den Trainer nicht wechselt, ist die «rote Linie» überschritten. Eine Entlassung des Trainers nach diesem Zeitpunkt wird nichts mehr bringen. Zuletzt haben die SCL Tigers (im Frühjahr 2013) und die Lakers (letzte Saison) den letzten Zeitpunkt zum Trainerwechsel verpasst und sind abgestiegen. Auch beim letzten Abstieg hat der SCB im Frühjahr 1982 den Trainer zu spät, nach zwei Partien in der Auf/Abstiegsrunde gefeuert.
Wer eine Sekunde vor Schluss doch noch den Ausgleich schafft wie der SCB in Lausanne, ist ein moralischer Sieger. Vielleicht wird am Ende genau dieser Punkt den SCB doch noch in die Playoffs bringen. Aber es ist auch möglich, dass genau dieser Treffer Marc Lüthi dazu gebracht hat, bis zum bitteren Ende, bis zum Sturz in die Abstiegsrunde oder noch tiefer an Lars Leuenberger festzuhalten.
Dann hätte eine Sekunde über das Schicksal des SC Bern entschieden, eines Unternehmens mit 50 Millionen Umsatz. Fluch und Segen einer Sekunde.
Der SCB ist wenn schon die "Borussia Dortmund des Hockeys". Und Borussia Dortmund verliert all Schaltjahr mal sieben Spiele in Folge.
Ansonsten kann ich zustimmen. In der Tat ist die Situation heikel. Ein SCB-Abstieg ist für mich aber immer noch undenkbar.