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Nehmen wir einmal an, Kloten hätte nach dem 5:6 n.V. gegen Davos am letzten Dienstag einen ausländischen, einen 42-jährigen ehemaligen NHL-Torhüter engagiert. Mit dem frei erfundenen Namen John Nogoal. Jedermann hätte für diese Massnahme allergrösstes Verständnis gehabt.
Martin Gerber ging nach der Niederlage gegen Davos mit einer kläglichen Fangquote von 78,57 Prozent vom Eis. Und am 3. September ist er schon 42 geworden. Also ist klar, dass Kloten einen neuen Torhüter braucht.
Was also würde der Chronist jetzt, nach dem grandiosen 2:1 im Hallenstadion, notieren? Er würde schreiben, da habe man wieder einmal gesehen, was ein neuer, guter Torhüter ausmache. Die Ruhe, die Erfahrung des neuen Goalies habe die ganze Mannschaft verändert. Kein Wunder: Einer wie John Nogoal, der Stanley-Cup-Sieger und WM-Finalist war, der in Schweden eine Meisterschaft gewonnen habe, verlerne sein Handwerk nie.
Aber bei Kloten stand kein neuer Ausländer im Tor. Es war immer noch Martin Gerber. Er hat sich bei der Fangquote von 78,57 auf 97,22 Prozent verbessert. Wahrscheinlich die grösste Steigerung seit der Erfassung der Goaliestatistik. Er darf, ja muss als Vater des Sieges bezeichnet werden.
Nach dem Spiel wirkt der Emmentaler so, als habe er eine ganz gewöhnliche Partie hinter sich. Einfach eines von 50 Qualifikationsspielen. Er lobt die Mannschaft. «Wir haben von allem Anfang an gut gespielt, wenig Fehler gemacht, meine Vorderleute haben mir sehr geholfen und es mir leicht gemacht, ins Spiel zu kommen.»
1:2 DERBYSIEG!!!! Torschützen: Sanguinetti und Hollenstein #zscehck #derby #ehckloten #stolz pic.twitter.com/UbEUh6LPmQ
— EHC Kloten (@EHC_Kloten_1934) 24. September 2016
Jemand will wissen, ob er nach der Niederlage gegen Davos, als die Fans sogar in Sprechchören seine Auswechslung gefordert hatten, einen Mentaltrainer oder Psychiater aufgesucht habe. «Nein, es sei denn, sie bezeichnen eine Bierflasche als Mentaltrainer.» Er hab einfach in aller Ruhe ein Bierchen getrunken.
Der Dialog mit der Bierflasche hat geholfen – wobei es in diesem Fall nicht um die Wirkung von Alkohol geht. Sondern um die Wirkung einer Denkpause, eines Rückzuges in sich selbst. Zur schnellen Energierückgewinnung ist ein Bierchen nach einem Hockeyspiel keine Sünde.
Martin Gerber personifiziert das, was der Dichter Conard Ferdinand Meyer (1825 bis 1898), ein Zürcher (!), einst als «unbestürzbares Berner Gesicht» bezeichnet hat. Er hat ganz einfach schon viel zu viel erlebt, um nach einem missglückten Spiel seine Ruhe zu finden. Er hat aus der 2. Liga (Signau) den Aufstieg zum NLA-Goalie, zum schwedischen Meister, zum Stanley-Cup-Sieger geschafft, hat mehr als zehn Millionen auf dem Bankkonto und spielt noch immer, weil es ihm einfach Spass macht.
Es ist nicht die Notwendigkeit des Broterwerbes, die ihn umtreibt. Es ist die Leidenschaft für das Eishockey. Warum soll einer nicht so lange wie möglich das tun, was ihm am meisten Spass macht? Martin Gerber ist, wie so manche ganz grosse Figur des Mannschaftsports, ein «ewiger Spieler».
Sportchef Pascal Müller kann nun den Sonntag etwas ruhiger verbringen. Torhüter Luca Boltshauser (23) hat sich am Freitag in der Partie gegen Ambri (3:4 n.V.) praktisch mit der letzten Aktion des Spiels eine Knieverletzung zugezogen und fällt sechs bis acht Wochen aus. «Wir schauen jetzt erst einmal wie Martin Gerber spielt. Wir spielen ja nur mit drei Ausländern und haben im Notfall auch die Möglichkeit einen ausländischen Goalie zu verpflichten.» Das war seine Aussage vor dem Spiel. Nun, da Martin Gerber wieder so gespielt hat wie ein Stanley-Cup-Sieger und WM-Finalist, eilt es nicht so mit einem Ersatz.
Die ZSC Lions haben nun sechs der letzten acht Derbys verloren und sie zelebrierten ein akademisches, emotionsloses schwedisches Systemhockey. Das machte es den bissigen, mutigen, frechen, disziplinierten und kecken Klotener einfacher.
Wir nähern uns wieder den Zeiten, als Siege der Stadtzürcher gegen ihren Erzrivalen so selten waren, dass der legendäre ZSC-Sportchef und FIFA-Mediengeneral Guido Tognoni nach einem Derby-Sieg gegen Kloten voller Stolz zur Erinnerung an das historische Ereignis ZSC-Krawatten herstellen liess. Damals hiess der Klub EHC Kloten – und so heisst der Klub seit dieser Saison auch wieder.
Rund um die ZSC Lions gibt es eine seltsame Kritik auf sehr hohem Niveau. Die für unsere Lauf- und Unterhaltungsliga ungewohnte Sachlichkeit des ZSC-Spiels, das Fehlen jeglicher markigen Worte der neuen schwedischen Trainer Hans Wallson und Lars Johansson verleiten zur Annahme, es komme nicht gut mit den Zürchern. Dabei haben die ZSC Lions ohne zu brillieren vier der letzten fünf Partien gewonnen und stehen auf Platz 2.
Die neue herbstliche Sachlichkeit im Hallenstadion dämpft die Begeisterung, nährt aber bei objektiver Betrachtung die Hoffnung auf einen Meistertitel im Frühjahr. Es ist Unzufriedenheit auf allerhöchstem Niveau.
Martin Gerber ist nicht der einzige Ex-Langnauer, der ein wundersames Comeback gefeiert hat. Kloten hat im letzten Frühjahr Peter Guggisbergs Vertrag aus Kostengründen aufgelöst. Langnau wollte ihn nicht haben. Sportchef Jörg Reber hat die Mannschaft lieber mit braven, pflegeleichten Mitläufern wie Pascal Berger, Flurin Randegger, Roland Gerber und Raphael Kuonen verstärkt. Das Wagnis mit dem freundlich- eigenwilligen Genie Peter Guggisberg (32) wollte er nicht eingehen.
Pascal Berger, Flurin Randegger, Roland Gerber und Raphael Konen haben diese Saison zusammen ein Tor und drei Assists produziert. Die Langnauer haben die schwächste Offensive der Liga (14 Tore), stehen auf dem letzten Platz, haben acht Punkte Rückstand auf den letzten Playoffplatz, überschätzen nach dem Punktgewinn in Ambri (2:3 n.P.) ihre schwerste Krise seit dem Wiederaufstieg erst recht und sind auf und neben dem Eis die neuen Lakers geworden. Nur merken sie es immer noch nicht.
Peter Guggisberg hat alleine für Ambri bereits drei Tore und vier Assists erzielt und darüber hinaus gegen Zug und Langnau die zwei entscheidenden Penaltys versenkt. Ambri hat gleich viele Tore erzielt wie der SCB, Davos und Lugano (20), sechs Punkte mehr als Langnau und nur zwei Punkte Rückstand auf den letzten Playoffplatz.
Manchmal lohnt es sich, etwas Geld in einen eigenwilligen Spieler zu investieren. Eishockey ist schliesslich nicht nur berechenbare Arbeit. Es ist ein Spiel. No risk, no fun.