Wir feiern in diesen Tagen 20 Jahre Marc Lüthi. Er hat den SCB 1998 nach der Nachlassstundung als Manager übernommen, saniert und schreibt seit seiner zweiten Saison schwarze Zahlen.
Unter seiner Führung ist der SCB die wirtschaftlich erfolgreichste Sportfirma im Land geworden. Der SCB kommt als einziges Hockey-Unternehmen neben Langnau ohne Mäzen aus. Mit Marc Lüthi ist der SCB 2004, 2013, 2016 und 2017 Meister geworden. Er bekam damals den Job als Kompensation für einen Forderungsverzicht im Nachlassverfahren.
Kritisiert wird er trotzdem immer wieder. Wahlweise wird er als «Chole-Marc» oder als «König von Bern» oftmals mehr geschmäht als gelobt, um entweder seine Geschäftstüchtigkeit oder seine Macht zu illustrieren. Den Pulverdampf der Polemik hat der streitbare Berner aber noch nie gescheut.
Arno Del Curto hat den HCD in der hinteren Tabellenhälfte übernommen und daraus einen sportlichen Titanen gemacht. Unter dem Kommando seines charismatischen Bandengenerals hat der HCD 2002, 2005, 2007 2009, 2011 und 2015 die Meisterschaft gewonnen und noch nie die Playoffs verpasst. Er bekam damals den Job, weil sein Vorgänger Mats Waltin zu teuer geworden war.
Arno Del Curto fordert bedingungslose Gefolgschaft ein. Von Spielern und Funktionären. Deshalb ist im Zusammenhang mit dem HCD manchmal boshaft von den «Zeugen Del Curtos» die Rede.
Er ist zwar ein streitbarer, leidenschaftlicher und guter Kommunikator. Aber Kritik mag er nicht, diese kann zu monatelanger Verstimmung führen. Deshalb gibt es sei Jahren kaum mehr Kritik.
Warum ist Marc Lüthis Position auch nach 20 Jahren als Manager so stark wie eh und je und warum droht Arno Del Curto nach mehr als 20 Jahren spektakuläres Scheitern?
Aufstieg und Untergang grosser Hockeydynastien sind die Gezeiten des Teamsportes. Die sportliche Führung ist also eher schwieriger als das Management der Finanzen.
Aber die Finanzen hängen direkt am sportlichen Erfolg und der SCB hat unter Marc Lüthi einige sportliche Krisen ohne finanzielle Folgen überstanden. Einmal hat der SCB gar die Playoffs als Meister verpasst (2014).
Wir dürfen also schon die Frage stellen, warum Marc Lüthi nach wie vor erfolgreich ist und warum Arno Del Curto in der tiefsten Krise seiner Trainerkarriere steckt.
Marc Lüthi mag der Hockeykönig oder -kaiser von Bern sein. Aber der Hybris (= Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Leistungen und Kompetenzen) ist er noch nie erlegen. Obwohl er inzwischen als SCB-Mitbesitzer «unentlassbar» wie der Papst geworden ist.
Seit jeher duldet Marc Lüthi neben sich starke Persönlichkeiten und Widerspruch. Rolf Bachmann beispielsweise, einst meisterlicher Sportchef in Davos (2002), fungiert seit 15 Jahren als sein «Stabschef». Verantwortlich für die innere Organisation und den Spielbetrieb, und steht intern auf Augenhöhe mit dem Chef. Weil der freundliche Pragmatiker nach aussen so bescheiden auftritt, wird sein Einfluss stark unterschätzt.
Mit den Chefs der Sportabteilung hat sich Marc Lüthi schon oft intern heftig gestritten. Seine Auseinandersetzungen mit Sven Leuenberger (heute Sportchef in Zürich) sind nachgerade legendär. Er hat schon Trainer gefeuert, die sein Sportchef im Amt halten wollte. Aber in den meisten Fällen beugt er sich der fachlichen Kompetenz seines Sportchefs.
In der öffentlichen Wahrnehmung mag Marc Lüthi gleichsam SCB-König und -Kaiser sein. Mit mindestens so viel Medienpräsenz wie seine Trainer und Stars. In Bern gehört er zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte.
Aber intern gibt es eine reiche Streit- und Widerspruchskultur. Wenn Marc Lüthi als Kaiser keine Kleider mehr anhat, dann gibt es intern stets jemanden mit der Courage, ihm das rechtzeitig zu sagen.
Berns Hockeykaiser Marc Lüthi ist stets gut gekleidet.
Arno Del Curto mag es ganz und gar nicht, wenn er als König oder Kaiser von Davos bezeichnet wird. Obwohl er zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte zählt – weit über Davos und die Hockeyszene hinaus.
Lieber kokettiert er mit seiner angeblichen Machtlosigkeit und dem Image eines «Sozialromantikers», dem Ruhm und Geld rein gar nichts bedeuten. Im Grunde seines Wesens ist er das ja auch. Wer sagt, er sei inzwischen der Hybris erlegen, tut ihm schweres Unrecht. Und doch ist genau das sein Problem – und die Ursache für die tiefste HCD-Krise dieses Jahrhunderts.
Jahrelang hat sich auch Arno Del Curto intern mit Kritik auseinandergesetzt. Er hatte um sich eine «Leibgarde», die ihn als Chef akzeptierte und doch den Mut zum Widerspruch hatte. Loyale Gefolgsleute einerseits, die für ihren Chef durchs Feuer gingen. Kritiker andererseits, die Fehlentwicklungen erkannten und ihrem Chef halfen, sie zu korrigieren.
Der wichtigste Mann neben Arno Del Curto war über die Jahre sein Leitwolf Reto von Arx. Eine der eigenwilligsten, stärksten Persönlichkeiten unserer neueren Hockeygeschichte und seit 1995 beim HCD. Stets auf Augenhöhe mit seinem Cheftrainer.
Nach dem Titelgewinn von 2015 hat der Emmentaler die Schlittschuhe an den Nagel gehängt. Mit dem Rücktritt, dem ein monatelanges Theater vorausgegangen war, ist auch seine Freundschaft mit Arno Del Curto zerbrochen.
Auf Augenhöhe mit Arno Del Curto steht beim HCD heute nur noch Präsident Gaudenz Domenig. Ein kluger, schlauer «Arno-Flüsterer». Aber der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt ist ein Mann der Zahlen, nicht des Sportes.
Reto von Arx, der Mann, der dem Hockeykaiser von Davos sagte, wenn er sportlich keine Kleider mehr trug, hat nach dem letzten Meistertitel den inneren Zirkel der «Zeugen Del Curtos» verlassen.
Nun ist niemand mehr da, der Arno Del Curto auf sportliche Fehlentwicklungen aufmerksam macht und vor Irrtümern bewahrt. Im Doppelmandat Trainer/Sportchef ist er inzwischen sportlich allmächtig geworden.
Der Hockeykaiser von Davos steht im Herbst 2018 nackt da. Aber niemand wagt es in Davos, ihm das zu sagen.
PS: Es gehört zur Ironie unserer Hockeygeschichte, dass Arno Del Curto jahrelang der Wunschtrainer von Marc Lüthi war und der SCB der heimliche Wunschklub von Arno Del Curto. Ach, wie hätte das gerockt, wenn die beiden sich gefunden hätten …