Ein solides defensives Fundament wie letzte Saison und spektakuläre offensive Transfers: Gottéron ist wieder ein Team für die obere Tabellenhälfte.
Nach allen Gesetzen der Hockey-Logik wird Gottéron die Qualifikation in der oberen Tabellenhälfte beenden. Die Abwehr war letzte Saison die drittbeste der Liga, das Scheitern hatte offensive Gründe: Der Sturm war der drittschwächste der Liga, das Powerplay gar das miserabelste. Selten war so offensichtlich, warum der Erfolg ausgeblieben ist. Entsprechend einfach war es, die Mängel zu korrigieren.
Mit Schweizer Spielern war das Problem nicht zu lösen. Also hat Sportchef Christian Dubé das ausländische Personal erneuert und nun tritt Gottéron mit den nominell besten Ausländern seit den Zeiten von Slawa Bykow und Andrei Chomutow an: Verteidiger Ryan Gunderson (31), die Stürmer Daniel Brodin (29), Viktor Stalberg (33) und David Desharnais (32) sind weitgereiste, erfahrene Leistungsträger, die sich in der NHL, in Russland, Schweden oder Finnland bewährt haben. Das reicht, um den Sturm und das Powerplay auf Playoffstärke zu trimmen und die Abhängigkeit von Julien Sprungers Toren zu verringern. Damit ist der Platz in der oberen Tabellenhälfte gesichert. Oder?
Nein, noch nicht. Gottéron bleibt Gottéron. Es ist alles andere als sicher, dass die Verteidigung wieder eine der besten der Liga sein wird. Ausser Aurélien Marti (25) – beim SCB als untauglich ausgemustert – und Marco Forrer (23) – letzte Saison ohne Tor – sind inzwischen alle Verteidiger 30-jährig oder älter. Gottéron hat mit Abstand die älteste Abwehr. Das ist in einer Tempo- und Laufliga wie der National League nicht ohne Risiko. In der Fabel mit dem Hasen und dem Igel ist zwar der langsamere, schlauere Igel stets der Sieger. Ob die langsameren, schlaueren Gottéron-Verteidiger gegen die schnellen gegnerischen Stürmer bestehen können, ist nicht ganz sicher.
Gottéron hat bei weitem genug Talent und Erfahrung für einen Platz in der oberen Tabellenhälfte. Trainer Mark French hat die Mannschaft gut organisiert, sie kann an einem guten Abend Beton mischen wie der SC Bern. Und nach den vorzeitigen Vertragsverlängerungen von Reto Berra und Julien Sprunger kehrt etwas Ruhe ein. Die zwei wichtigsten Einzelspieler haben nun ihre Karriere untrennbar mit Gottéron verknüpft. Das tut Gottérons Hockeyseele gut.
Aber seit Anbeginn der Zeiten sind die Emotionen, der «heilige Zorn» der Treibstoff des Spiels. Soll Gottéron wieder richtig rocken, muss Trainer Mark French nicht nur die Balance zwischen Offensive und Defensive besser justieren als letzte Saison. Er sollte das Spiel auch mit mehr Emotionen befeuern.
Trainer: Mark French (CAN, 3. Saison).
Sportchef: Christian Dubé (CAN, 5. Saison).
Die Differenz zwischen Platz 10 und 6 betrug letzte Saison lediglich 4 Punkte – fast eine Zufalls-Differenz und für einmal dürfen wir sagen, dass es auch anders hätte kommen können: Gottéron hatte hinter Bern und Zug die drittbeste Abwehr – und Meisterschaften (Qualifikation und Playoffs) werden eigentlich in der Defensive entschieden. Die klare Verbesserung des ausländischen Personals sollte die drittschwächste Offensive der letzten Saison mächtig befeuern. Alles andere als mindestens Platz 6 mit dieser Mannschaft müsste als Scheitern gewertet werden.
Die Bieler haben die beste Mannschaft seit dem Meistertitel von 1983 und erstmals seit dem Wiederaufstieg sind sie keine Aussenseiter mehr.
Zwölf Jahre nach dem Aufstieg im Frühjahr 2008 und drei Jahre nach dem letzten Platz von 2016 ist Biel ganz oben angekommen. In zwölf Jahren ist aus einem finanziell wackeligen Team der zweiten Liga ein Meisterschaftskandidat in einem neuen Hockey-Tempel geworden. Nur noch Lausanne ist in den letzten 20 Jahren eine ähnlich stürmische Entwicklung gelungen.
Biel ist zwar (noch) nicht gut genug, um die Liga zu dominieren und ohne «wenn und aber» die Meisterschaft zu gewinnen. Aber gut genug, um unter günstigen Umständen und mit dem Beistand der Hockey-Götter Meister zu werden.
Zweimal hintereinander haben die Bieler unter Antti Törmänen das Halbfinale erreicht. Hätte Biel am 6. April 2019 das 6. Spiel auf eigenem Eis gegen den SC Bern gewonnen statt 0:1 verloren, dann hätte es wahrscheinlich eine Meisterfeier gegeben. Mit Zug wären die Bieler im Finale fertig geworden. Noch sind es zu viele «hätte», «wäre», «könnte».
Sportchef Martin Steinegger hat zum vierten Mal hintereinander spektakulär transferiert. 2016 war es Jonas Hiller, 2017 Beat Forster, 2018 Damien Brunner und nun sind Offensivverteidiger Yannick Rathgeb und Schillerfalter Luca Cunti gekommen. Beide sind dazu in der Lage, das Spiel einer Mannschaft zu beschleunigen, die an einem guten Abend schon letzte Saison die schnellste der Liga war.
Biel steigt mit der besten Mannschaft seit dem Titelgewinn von 1983 in die Meisterschaft. Aber zugleich ist es die letzte Gelegenheit, in dieser Zusammensetzung um den Titel zu spielen. Jonas Hiller wird 38 und hat den Rücktritt per Ende Saison angekündigt. Beat Forster ist 36, Anssi Salmela 35, Damien Brunner 33, Marc-Antoine Pouliot 34 und Captain Mathieu Tschantré 35. Es ist der letzte Tanz einer grossen Mannschaft, die letzte Saison beinahe Meister geworden wäre.
Trainer: Antti Törmänen (FIN, 3. Saison).
Sportchef: Martin Steinegger (SUI, 8. Saison).
Die Bieler haben die Qualifikation auf Platz 4 beendet. Nun hat Sportchef Martin Steinegger mit Luca Cunti vorne und Yannick Rathgeb hinten Biels ohnehin schnelles Spiel noch einmal beschleunigt. Eigentlich wäre eine Steigerung gegenüber der letzten Saison logisch. Warum wagen wir es dann nicht, den 2. Platz vorherzusagen? Weil es das verflixte dritte Jahr unter Trainer Antti Törmänen ist. Das Wissen um sein spektakuläres Scheitern in seinem dritten Jahr in Bern als Titelverteidiger hält uns von einer optimistischeren Prognose ab.
Der Titel von 2018 hat den ZSC Lions nicht Ruhe und Glück beschert. Sondern Selbstzweifel. Was sind wir? Eine Traumfabrik («Hockey-Hollywood») oder eine resultatorientierte Hockey-Firma?
Es ist lange her, seit die ZSC Lions ihren Anhang nicht nur unterhalten, sondern sportlich begeistert haben. Zwischen 2013 und 2016 gewannen sie unter NHL-General Marc Crawford dreimal hintereinander die Qualifikation und einmal den Titel. Noch 2015/16 waren sie mit dem späteren Nummer-1-Draft Auston Matthews eine Hockeyfirma mit globaler sportlicher Ausstrahlung.
Seit der Rückkehr von Marc Crawford nach Nordamerika im Sommer 2016 haben die Zürcher ihre Identität verloren. Nacheinander sind Hans Wallsson, Serge Aubin und Arno Del Curto ihrer Entlassung entgegengetaumelt und Meistermacher Hans Kossmann hatte schon beim Amtsantritt gewusst, dass sein Gastspiel Ende der Saison zu Ende sein würde.
Im letzten Frühjahr haben die ZSC Lions als Titelverteidiger die Playoffs verpasst und sind das «Lugano des Nordens» geworden. Mit dem gleichen Problem, das Lugano so sehr zu schaffen macht: Zu viel Geld verführt dazu, den Erfolg zu kaufen, die Löhne sind zu hoch und die Salär-Hierarchie ist aus den Fugen geraten.
Auf den ehemaligen schwedischen Nationaltrainer Rikard Grönborg – ein grosser Name muss es im Hallenstadion sein – wartet das grösste Abenteuer seiner Karriere. Der zweifache Weltmeister ist zwar schon 51. Aber er hat noch nie ein Profiteam im Alltag einer Meisterschaft geführt. Um es salopp zu sagen: Ein Laien-Schauspieler bekommt zum ersten Mal eine Hauptrolle in «Hockey-Hollywood». Vertraut mit der skandinavischen Kultur der Eigenverantwortung ist er in die Kabine mit den grössten Egos gekommen. Es wäre für Karl Marx einfacher gewesen, US-Notenbankpräsident unter Donald Trump zu sein, als für Rikard Grönborg, die ZSC Lions zum Titel zu coachen. Beste Unterhaltung ist garantiert. Und das ist ja bei den ZSC Lions auch wichtig und daran hat es auch letzte Saison ohne Playoffs wahrlich nicht gefehlt.
Trainer: Rikard Grönborg (SWE, neu).
Sportchef: Sven Leuenberger (SUI, 3. Saison).
Die teuerste Mannschaft ausserhalb der NHL und der KHL wird nicht so versagen wie letzte Saison. Eigentlich müssten das Talent und die Referenzen des neuen Trainers Rikard Grönborg zum Qualifikationssieg reichen. Lukas Flüeler ist ein meisterlicher, aber verletzungsanfälliger Titan und die Zürcher haben keinen zweiten Schweizer Goalie mit dem Niveau für die höchste Liga. So ist es nicht möglich, die Qualifikation zu gewinnen. Deshalb «nur» Rang 5.
Beinahe Meister geworden?! Das kann man vielleicht von einer Mannschaft behaupten, die das 7. Finalspiel in der Verlängerung verliert aber wohl kaum von Einer, welche im 1/2 Final ausgeschieden ist 🤦♂️