Eine Niederlage kann uns manchmal mehr über einen Sportler erzählen als ein Triumph. Wenn wir wissen wollen, warum Simon Moser (30) gestern mit der Auszeichnung «Playoff MVP» geadelt worden ist, finden wir die Antwort natürlich in den Leistungen der letzten Saison. Aber noch viel eindrücklicher in einer weit zurückliegenden Episode.
Drei Tage nach dem Abstieg der SCL Tigers organisiert das lokale Kultradio «Radio neo1» am 19. April 2013 im grossen Tigersaal des Langnauer Hockeytempels ein Podiumsgespräch. Die Situation könnte dramatischer nicht sein.
Die Stimmbürger hatten zwei Jahre vorher 15 Millionen für die Sanierung des Stadions bewilligt und das Gemeindeparlament verhinderte mit einem Zuschuss von 900'000 Franken (zinsloses Darlehen und Aktien) die Pleite. Sind die Millionen aus der Steuerkasse nun in den Sand gesetzt?
Fast 1000 (!) Besucherinnen und Besucher sind gekommen. Es ist ein emotionaler Anlass. Langnaus Captain Simon Moser sitzt vorne am Tisch. Er sucht keine Ausreden. Vor versammeltem, vom Abstieg aufgewühltem Hockey-Volk hat er den Mut, zu sagen, er habe Fehler gemacht und ja, die Gerüchte seien wahr, er bestätige hiermit offiziell, er werde die SCL Tigers nach der Saison verlassen und zum SC Bern wechseln. Um weiterhin Spitzenhockey spielen zu können.
Das ist besonders bitter: Am gleichen Abend, an dem der Abstieg mit einer Niederlage in Lausanne besiegelt worden ist, hat der SCB den Titel gewonnen – und nun wechselt der beste Langnauer ausgerechnet zum Erzrivalen.
Er hätte sich locker herausreden oder vor dieser Konfrontation mit den Fans drücken können. Doch er zieht es vor, persönlich Klartext zu reden. Ein Mann, ein Wort. Das Publikum honoriert diese offene und ehrliche Haltung mit grossem Respekt.
Und ein Chronist notiert an diesem Abend: «Simon Mosers starke Persönlichkeit und Führungsqualitäten werden unterschätzt. Es wäre keine Überraschung, wenn er sich beim SCB zu einem Leitwolf entwickeln würde.» Wohl wahr. Vier Jahre später wird er Captain beim SC Bern. Und seit gestern ist er nun auch der MVP der Playoffs. Also der wertvollste, wichtigste beste Spieler des Meisterteams. Mehr Leitwolf geht nicht. Und darüber hinaus gehört er zu den beiden WM-Silberteams von 2013 und 2018.
Der kräftige offensive Titan (187 cm/97 kg) hat inzwischen viermal hintereinander mehr als 30 Punkte pro Saison gebucht. Noch wichtiger: Er macht seine Nebenspieler besser. Mit seinem wuchtigen Spiel fegte er gerade in den Playoffs die Bühne frei für die Tanzmaus Mark Arcobello (172cm/77 kg). Der Amerikaner wurde SCB-Playoff-Topskorer. Aber Simon Moser war für das Team wichtiger. Der MVP eben. Selten war so klar, wer diese Auszeichnung bekommt. Es konnte kein anderer sein als Simon Moser.
Das Pech des Captains ist das Glück der Berner: «Simu» ist der einzige Schweizer in der Liga, der gut genug für die NHL wäre. Er hat es bei Nashville versucht. Aber Verletzungspech verhinderte eine NHL-Karriere.
Wäre Simon Moser in der NHL, hiesse der Meister von 2016, 2017 und 2019 nicht SCB.