Es geht nicht anders. Wir müssen wieder einmal Gotthelf bemühen, um diese Geschichte erzählen zu können. Immerhin zählen die Werke des streitbaren Pfarrers zur Weltliteratur. Wer mag da einem ständig um die passenden Worte ringenden Sportchronisten verwehren, sich auf einen Dichterfürsten von Weltrang zu beziehen? Und wir werden auch noch auf ein altes russisches Sprichwort verweisen.
Gotthelfs Lieblingsthema in den Zeiten vor der Gründung der modernen Schweiz war der Kulturkampf zwischen Stadt und Land. Zwischen modernem Zeitgeist und den edlen Bewahrern der ewigen Werte. Er polemisierte gegen die Pfaffen und gottlosen Krämer aus den städtischen Gebieten. Er idealisierte den edlen, frommen Landmann im Emmental hinten, der sich im Lichte der untergehenden Sonne auf dem Läubli vom Tagwerk erholte. Die heile Welt des Annebäbeli, Vreneli, Stüdi und Lisi, des Hansli, Ueli, Joggeli und Sami. Bescheidenheit, Einfachheit und Lauterkeit. Alles wohl geordnet nach dem ewigen Gesetz des Gebens und Nehmens.
Und nun erleben wir im Hockey eine Neuauflage dieses Kulturkampfes. Die SCL Tigers haben mit Marcus Nilsson (29) bis Saisonende den besten Ausländer unter Vertrag genommen, der zurzeit auf dem Hockey-Weltmarkt erhältlich ist. Der SC Bern hingegen legt in der Krise keinerlei Wert mehr auf sportliche Konkurrenzfähigkeit und weigert sich standhaft, wenigstens einen dritten ausländischen Feldspieler zu verpflichten.
Geld ist beim SCB bisher nur ausgegeben worden, um den Operettentrainer Don Nachbaur auszuwechseln. SCB-Manager Marc Lüthi behauptet zwar, dieser Trainerwechsel sei gratis. In Tat und Wahrheit dürfte dieses Theater mehr gekostet haben als die Langnauer nun für das Engagement des letztjährigen Topskorers der schwedischen Liga bis Saisonende ausgeben (weniger als 50'000 Franken).
Kommt dazu, dass Präsident Peter Jakob Langnaus neuen Ausländer privat finanziert. Als der für den Sport zuständige Verwaltungsrat Karl Brügger per SMS von Sportchef Marc Eichmann zwecks Vertragsunterzeichnung ins Tiger-Büro bestellt worden war, dachte er noch, er müsse in Gottes Namen halt für die Kosten aufkommen. Und war bass erstaunt, als ihm Marc Eichmann eröffnete, Peter Jakob zahle. Nun hat Karl Brügger im kleinen Kreis versprochen, er lasse mit sich reden, wenn ein weiterer Ausländer benötigt werde.
Peter Jakob weiss, dass diese Investition in die Mannschaft politisch nicht unumstritten ist. Im Januar bekommen die Klubs Steuergelder um die Einnahmeausfälle (kein Publikum, «Geisterspiele») zu kompensieren. Darf man in solchen Zeiten Geld für Transfers ausgeben? Peter Jakob sagt: «Es ist ein Abwägen. Wir spüren eine riesige Solidarität unserer Fans und unserer Sponsoren. Wir sehen es als unsere Pflicht, dafür eine Gegenleistung zu bieten. Die sportliche Konkurrenzfähigkeit ist ein wichtiger Punkt für uns, auch gegenüber unseren Fans, Sponsoren und den TV-Partnern.»
Er folgt mit dieser Argumentation dem ewigen Gesetz des Berner Landmannes, wonach es im Leben darauf ankommt, ein Gleichgewicht zwischen «Geben» und «Nehmen» zu bewahren. In diesem Fall: Wir nehmen in diesen schwierigen Zeiten Geld von unseren Fans, von unseren Sponsoren, von unseren TV-Partnern. Also ist es unsere Pflicht, ihnen dafür auch etwas zu geben. Dafür zu sorgen, dass die Mannschaft, soweit es möglich ist, konkurrenzfähig bleibt, dass es immer noch Spass macht, unsere Spiele zu sehen – auch wenn das halt im Moment nur am Fernseh-Apparat möglich ist.
Zudem weist Peter Jakob darauf hin, dass sorgfältig mit dem Geld umgegangen werde: «Wir haben wegen der Krise im Frühjahr auf jegliche Transfers verzichtet und mit Harri Pesonen und Chris DiDomenico zwei der besten Ausländer der Liga verloren und nicht ersetzt. Deshalb erachten wir die Verpflichtung von Marcus Nilsson als sinnvolle Investition.»
Es ist auch eine Investition in die Zukunft: Durchaus denkbar, dass der schwedische Weltklassespieler, der die KHL verlassen hat und anderorts eine Spielgelegenheit bis Ende Saison suchte, seinen Vertrag verlängern wird. Wer jetzt klug investiert, wird nach der Krise besser dastehen. Transferiere in der Not, dann hast Du in der Zeit.
Gerade in einer Krise, wenn es darum geht, eigene Spieler zu entwickeln, sind in einem Sportunternehmen die Positionen des Sportchefs und des Trainers die wichtigsten.
Aus Kostengründen ist beim SC Bern mit Don Nachbaur der billigste Trainer engagiert worden und bei der Anstellung von Florence Schelling als Sportchefin spielten wohl nicht nur fachliche, sondern auch werbetechnisch-politische Gründe eine Rolle. Das Resultat ist verheerend: Der SCB ist mit der viertteuersten Mannschaft der Liga nach Verlustpunkten bereits auf den zweitletzten Platz noch hinter Langnau (!) abgerutscht, wird inzwischen vom österreichischen Juniorentrainer Mario Kogler geführt und taumelt durch die grösste sportliche Krise seit dem Wiederaufstieg von 1986. Gut, dass diese Saison der Abstieg ausgesetzt worden ist.
SCB-Manager Marc Lüthi gibt in sportlichen Dingen den Hockey-Krämer und schliesst das Engagement eines zusätzlichen ausländischen Stürmers kategorisch aus, und die Kritik an der Führung der sportlichen Abteilung hat er kürzlich mit der Bemerkung abgetan, man solle nicht so ein Theater um den Sportchef machen. Er habe vor Jahren einmal zwischenzeitlich als Manager nebenbei auch noch den Sportchef gemacht. Das war allerdings vor bald 20 Jahren. Inzwischen hat sich das Hockey zu einem recht komplexen Geschäft entwickelt.
Es ist schon etwas verwunderlich, dass der Manager der grössten Hockey-Firma Europas mit zwei Hockey-Millionären als Mitbesitzer (Mark Streit, Roman Josi) keine ausserbetriebliche Finanzierung einer ausländischen Arbeitskraft organisieren kann. Aber vielleicht verzichtet er ja wohlweislich. Weil er nach dem Trainer-Debakel ahnt, was herauskommen könnte, wenn man dieser Sportabteilung auch noch die Rekrutierung von zusätzlichem ausländischen Personal überlässt.
Ganz so wohl ist es dem SCB bei dieser Gesamtlage wohl doch nicht. Marc Lüthi inszenierte das billige Trainerwechsel-Theater (Don Nachbaur wurde dazu «motiviert», sein Amt niederzulegen, was er dann wohl nicht gratis getan hat) erst am 2. Dezember. Am 30. November ist die Frist für die Rückforderung des Saisonabi-Geldes abgelaufen. Es ist nicht ganz sicher, dass die Verzichtrate (mehr als zwei Drittel) auch angesichts der Trainer-Operette so hoch gewesen wäre. Das Prinzip «Geben» und «Nehmen» wird beim SCB verhöhnt.
Ein altes russisches Sprichwort sagt: «Nur reiche Leute können sich billige Schuhe leisten.» Will heissen: Investitionen in wichtige Dinge lohnen sich. Lässt man sich zu Billiglösungen verführen, kommt es einem teuer zu stehen. Wer wüsste das besser als die Russinnen und Russen, deren Schuhwerk bitterkalten Wintern trotzen muss. Aufs Hockey übertragen: Nur reiche Klubs können sich billige Trainer leisten. Weil die Folgekosten und der Imageschaden einer billigen Trainerlösung (keine Weiterentwicklung des Teams, Verpflichtung eines Nachfolgers) immens sind. Und tatsächlich lassen sich die Folgekosten für die Billiglösung Don Nachbaur für das Image und die sportliche Entwicklung beim SCB noch gar nicht abschätzen.
Nun können wir einwenden, der Chronist wolle bloss ein wenig polemisieren. Tut er nicht. Soeben hat mit Daniel Germann ein enger Vertrauter von Marc Lüthi und hoch angesehener, langjähriger zeichnender Redaktor der jeder Polemik abholden NZZ in der Sonntagsausgabe des Blattes den Zweihänder hervorgeholt. Wir zitieren:
Und weiter:
Und schliesslich:
Wahrlich starker Tobak. Von einem, der Marc Lüthi und dem SCB nahesteht und die Situation viel besser beurteilen kann als ein aussenstehender Chronist, der es nie wagen würden, den SCB so beissend zu tadeln.
Nur ein reiches Newsportal kann sich einen billigen Polemiker leisten