Sport
Eismeister Zaugg

Der SCB auf dem Weg in die Playoffs – oder in die NLB

Enttäuschte Stadtberner nach der Niederlage in Biel.
Enttäuschte Stadtberner nach der Niederlage in Biel.
Bild: Sandro Stutz/freshfocus
Eismeister Zaugg

Zwei HD-Soldaten statt ein richtiger Bandengeneral – der SCB auf dem Weg in die Playoffs oder die NLB

Selbst Schlusslicht Biel besiegt den SCB (4:3 n.V.). Nun taumeln die Berner führungslos in ihre sportliche «Überlebenswoche».
25.01.2016, 09:5325.01.2016, 16:14
Folge mir
Mehr «Sport»

Ach, welch ein Schauspiel im Kabinengang des prächtigen neuen Bieler Hockey-Tempels! SCB-General Marc Lüthi schreitet nach dem Spiel, bebend vor Zorn, Richtung SCB-Kabine, schmettert die Türe zu und tobt drinnen. Hie und da geht die Türe wieder auf und man hört Wortfetzen. Es ist eine einfach strukturierte Kabinenpredigt. Eigentlich eine zornige Aneinanderreihung von Kraftwörtern.

Ein gewaltiges verbales Donnerwetter geht über der Mannschaft nieder. Cheftrainer Lars Leuenberger wirkt, als er hinterher den Chronisten Red und Antwort steht, noch kleiner als er eigentlich schon ist (173 cm). Er bestätigt auf Nachfrage, so habe er den Chef noch nie erlebt.

Marc Lüthi konnte sich in Biel nicht mehr zurückhalten.
Marc Lüthi konnte sich in Biel nicht mehr zurückhalten.
Bild: KEYSTONE

Marc Lüthis heiliger Zorn ist verständlich. Denn dümmer kann eine Mannschaft fast nicht verlieren. Sein SCB war in Biel ein disziplinloser Haufen. Die Stadtberner brachten es fertig, ein Spiel zu verlieren, das von Anfang an für sie lief. Sie vergeigten eine 2:0-Führung in nur 18 Sekunden.

Schafft es der SCB noch in die Playoffs?

Ausreden, Fehler und Disziplinlosigkeiten

Der Auftakt zur «Überlebenswoche» mit den Partien in Lausanne, Ambri und gegen Zug ist also missglückt. So wie der längst abgesetzte Guy Boucher die Karikatur eines Bandengenerals war, so sind Lars Leuenberger und sein Assistent Marco Bayer nun das andere Extrem. Ohnmächtige Banden-HD-Soldaten ohne jede Autorität. Beim SCB ist ein überdrehter Bandengeneral durch HD Läppli ersetzt worden.

Das mag respektlos klingen und sagt nichts über die fachliche Qualifikation von Lars Leuenberger und Marco Bayer. Aber die beiden haben kein Charisma und strahlen die Autorität eines Küchenburschen in einem Fünfsternhotel aus. Und sowieso gilt: Die Kabine ist das Königreich des Trainers. Wenn er hier unfreiwillig einem anderen das grosse Wort überlassen muss, dann ist seine Autorität bei den Spielern für immer dahin.

Lars Leuenberger versucht alles, doch er scheint seine Spieler nicht zu erreichen.
Lars Leuenberger versucht alles, doch er scheint seine Spieler nicht zu erreichen.
Bild: KEYSTONE

Das 3:3, das 3,9 Sekunden vor der zweiten Pause den Weg in die sechste Niederlage de suite ebnete (3:4 n.V), war die Folge einer Strafe die sich Lars Leuenberger und Marco Bayer durch wiederholtes Reklamieren bei den Schiris einhandelten. Noch nie seit dem Wiederaufstieg von 1986 hat der SCB sechsmal hintereinander verloren. Der schwächste SCB seit 30 Jahren.

Lars Leuenberger monierte hinterher, man habe die Schiris vergeblich auf die nicht laufende Uhr aufmerksam gemacht. «Und wenn man etwas anständig sagt und nicht verstanden wird, dann muss man deutlicher werden. Wäre die Uhr korrekt gelaufen, dann hätten wir das 3:3 Sekunden vor der zweiten Pause nicht kassiert.»

Aber nicht nur die Schiedsrichter hören Lars Leuenberger und seinem Assistenten nicht mehr zu. Auch die Spieler tun es nicht. Die Niederlage in Biel ist die Folge von vielen Disziplinlosigkeiten und Fehlern, die gut gecoachte Spieler einfach nicht begehen.

Löwen geführt von Eseln

Inzwischen ist die Analyse der SCB-Krise einfacher geworden. Die schlimmsten Fehler sind korrigiert. Trainer Guy Boucher ist längst gefeuert, das Torhüterproblem durch einen ausländischen Goalie gelöst. Die Mannschaft ist nicht auseinandergefallen und ist talentiert genug für den Playoff-Final. Die Berner haben zwar sechsmal hintereinander verloren. Aber dabei haben sie viermal gepunktet. Die Spieler wollen. Sie versuchen alles. Aber sie wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Löwen, geführt von Eseln. Die Trainer sind hilflose Helfer.

Das Bayern München unseres Hockeys taumelt nun führungslos in die sportliche «Überlebenswoche.» Es ist ein gewagtes Spiel, die Mannschaft und die  Trainer einfach dem Schicksal zu überlassen. Weil sich weitere Investitionen in eine missglücke Saison nicht mehr rechnen. In der Hoffnung, man werde am Ende den Ligaerhalt ja sowieso schaffen und dann werde in der nächsten Saison sowieso alles gut. Eigentlich müsste jemand im Büro so mit Marc Lüthi toben wie Marc Lüthi soeben in der SCB-Kabine getobt hat.

Beim SCB passt derzeit einfach nicht viel zusammen.
Beim SCB passt derzeit einfach nicht viel zusammen.
Bild: KEYSTONE

Wir dürfen uns bei dieser Ausgangslage auf grossartige Unterhaltung freuen. Lars Leuenberger und Marco Bayer werden in der Kabine noch einmal mächtig Dampf machen. Es ist allerdings ein gefährliches Spiel. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich der immense Frust bald einmal in Form eines «Rumpelspiels» auf dem Eis entlädt. Ganz wie Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er gerufen hatte, nicht mehr unter Kontrolle brachte.

So bleiben nur noch zwei Varianten. Wenn es dem SCB irgendwie gelingt, doch noch in die Playoffs zu stolpern, so ist dort ein grandioses Schlussfeuerwerk zu erwarten. Befreit von allem Druck und aller Nervosität könnte es gelingen, das grosse Potenzial abzurufen.

Sollten die Playoffs allerdings verpasst werden, dann drohen in diesem Zustand die Playouts gegen Biel, anschliessend die Liga-Qualifikation und dort, weil nur noch zwei Ausländer eingesetzt werden dürfen – der SCB müsste eine Ausländerlizenz für den Goalie einsetzen – nichts anderes als der Abstieg.

Larry Huras als mögliche Alternative?

Eigentlich müsste der SCB noch einmal den Trainer wechseln. Lars Leuenberger schliesst einen freiwilligen Rücktritt allerdings aus. Er sagt: «Zu tausend Prozent.» Das ist richtig so. Wenn er jetzt das Handtuch wirft, ist seine Karriere als Klubtrainer zu Ende. Dann bleibt nur noch ein Verbandsjob (U20-Nationaltrainer).

Aber wen an die Bande stellen? Der beste zur Verfügung stehende Mann heisst Larry Huras. Ihn hat SCB-General Marc Lüthi im Oktober 2011 ohne jede sportliche Not entlassen. Mit der Begründung, er biete zu wenig Spektakel. Die Mannschaft stand auf Rang 5. Mit 11 Punkten Vorsprung auf den «Strich».

Warum nicht Larry Huras zurückholen?
Warum nicht Larry Huras zurückholen?
Bild: Bongarts

Zumindest an Spektakel, Blitz und Donner geizt der SCB unter Lars Leuenberger nicht. Aber es ist triviale, billige Unterhaltung, nicht sportlich hochstehende. Marc Lüthi wird sich sicherlich auch schon gedacht haben, es ginge dem SCB besser mit einem Trainer, der ein bisschen weniger Spektakel veranstaltet und dafür genügend Punkte holt. Wie damals Larry Huras.

Alle Schweizer Eishockey-Meister seit Einführung der Play-offs 1985/86

1 / 40
Alle Schweizer Eishockey-Meister seit Einführung der Playoffs 1985/86
2023: Genf-Servette HC, Finalserie: 4:3 gegen den EHC Biel.
quelle: keystone / salvatore di nolfi
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Du hast watson gern?
Sag das doch deinen Freunden!
Mit Whatsapp empfehlen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
CheGue
25.01.2016 10:54registriert Oktober 2015
Marc Lüthi ist ein grossartiger Geschäftsmann! Wenn er aber glaubt, in der momentanen Situation sei ein Donnerwetter, dass die Balken krachen, das Beste, hat er von Sport keine Ahnung! Die Spieler sind verunsichert und haben kein Selbstvertrauen! Bei Lars Leuenberger wusste er, dass das Unterfangen vor zwei Jahren gescheitert war! Wo oder bei wem (Boucher?!) sollte dieser nun die Erfahrung gesammelt haben?! Wie sollten so neue Impulse in die Mannschaft kommen?! Lüthi ist mitschuldig an dieser Situation!
495
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bettina Lüthi
25.01.2016 10:12registriert November 2015
Hör mal auf mit deinem Bayern München des Hockey das ist ein Witz. Die Mannschaft ist ein bisschen besser als die Klassierung zeigt aber zu durchschnittlich für ein Spitzenteam. Sollten sie noch in die Playoffs stolpern liegt das an der Unfähigkeit der anderen Mannschaften ihre Chancen zu nutzen. Ausserdem wird gegen den ZSC oder allenfalls Zug je nachdem sehr schnell Endstation sein... Dann gilt es diese Saison abzuhaken und schnell wieder konkurrenzfähig werden. An einen Abstieg glaube ich allerdings nicht.
425
Melden
Zum Kommentar
avatar
länzu
25.01.2016 11:50registriert April 2014
Dem gibt es absolut nichts hinzuzufügen, ausser dem Vergleich mit Bayern München.
364
Melden
Zum Kommentar
24
Die Akte Embolo: Prügel im Ausgang, Billet weg, die Badewanne und das Verhalten bei Corona
Breel Embolo ist wieder einmal in den Schlagzeilen, ohne dass er dafür Fussball gespielt hat. Dem Nationalmannschafts-Stürmer wird vorgeworfen, sich während der Pandemie gefälschte Covid-Zertifikate organisiert zu haben.

Auf dem Rasen verhält er sich meist tadellos. In mehr als 350 Spielen als Profi kassierte Breel Embolo erst einmal einen Platzverweis, vor acht Jahren sah er in der Europa League Gelb-Rot. Er wird laut «Transfermarkt» nur etwa alle zehn Spiele verwarnt.

Zur Story