Müssen wir beim Spengler Cup um den HCD bangen? Wer als neutraler Beobachter die 1:2-Pleite in Langnau gesehen hat, macht sich grösste Sorgen und denkt: Dieser HCD wird beim Hockey-Altjahrspektakel völlig überfordert sein.
Aber so ist es ganz und gar nicht. Langnau ist seit der Amtsübernahme von Heinz Ehlers der schlimmste Gegner für Arno Del Curto. Die Emmentaler haben inzwischen auch die dritte Saison-Partie gegen Davos gewonnen. In der Tabelle dürfen wir wohl noch drei Punkte dazu addieren: Beim allerletzten Qualifikationsspiel dürfen die Langnauer am 25. Februar noch einmal gegen den Punktelieferanten aus dem Bündnerland antreten. Der HCD ist in dieser Saison in der Tat bloss «Kanonenfutter» für die Langnauer.
Nichts erklärt die Bitterkeit der freitäglichen HCD-Niederlage besser als das Matchtelegramm: Ausgerechnet Roland Gerber (32) erzielte beim 2:1 beide Treffer. Er verkörpert geradezu das taktische Konzept von Heinz Ehlers. Der defensive Defensivstürmer hat bisher in seiner ganzen NLA-Karriere (die schon länger als 500 Spiele dauert) erst ein einziges Mal in einer Partie zwei Treffer erzielt – gegen die Lakers.
Warum ist das so? Weil Heinz Ehlers' «Hase-Igel-Prinzip» gegen keinen Gegner so gut funktioniert wie gegen den HC Davos. Der HCD sieht optisch am besten gegen spielstarke Laufteams aus. Wenn es nach dem Motto «laufen und laufen lassen» ein spielerisches Sausen und Brausen ist. Wie beispielsweise gegen Kloten (6:5, 5:2) oder gegen ein taktisch liederliches Lugano (4:3 n. V., 5:2). Gegen die wahren Titanen (ZSC Lions, SC Bern) setzte es diese Saison zwar lauter Niederlagen ab, aber es waren spektakuläre Untergänge mit europäischem Niveau in spielerischer Herrlichkeit und von grandiosem Unterhaltungswert.
Eigentlich unvorstellbar, ja absurd, dass dieser HCD gegen die SCL Tigers, das langsamste und untalentierteste Team der Liga, mit seiner offensiven Kavallerie nicht einfach unters Eis galoppiert.
Aber Heinz Ehlers ist eben ein taktischer Hexenmeister, ein spielerischer Nihilist. Er versteht es, sein Team so zu organisieren, dass dort, wo einer der viel schnelleren Davoser hinkommt, stets schon einer der schlauen, langsamen Langnauer dem Raum besetzt hält. So zwingen die Emmentaler ihren viel talentierteren und schnelleren Gegner dazu, von der spielerischen Autobahn abzuzweigen. Beim HCD ist Eishockey spielerisch leichtfüssige Arbeit. Bei Langnau hart und mühselig gearbeitetes Spiel.
Die SCL Tigers sind nach wie vor im Rennen um den letzten Play-off-Platz. Sollten die Langnauer die Play-offs schaffen (und der HCD gleichzeitig erstmals seit dem Wiederaufstieg die Play-offs verpassen), so wäre das eine der grössten Sensationen dieses Jahrhunderts. Langnau wäre das das langsamste und untalentierteste Team, das je die Play-offs erreicht hat – und der HCD die schnellste Mannschaft, die je um den Ligaerhalt gespielt hat.
Die HCD-Schwäche ist eine gewisse taktische Sturheit: Weil gegen einen defensiv so geschickt organisierten Aussenseiter wie Langnau raumgreifende, schnelle Auslösungen nicht mehr möglich sind, wird zu viel mit der Scheibe gelaufen, statt die Scheibe laufen zu lassen. Und die Spieler lassen sich ins defensive Unterholz locken, wo sie immer wieder hängen bleiben.
Aber beim Spengler Cup wird niemand «Betonhockey» wie Langnau spielen. Die Davoser werden freien taktischen Auslauf haben und glücklich siegen (ohne Glück werden sie wegen durchschnittlicher Goalies beim diesjährigen Turnier keine Partie gewinnen) oder spektakulär verlieren. Der Unterhaltungswert wird erstklassig sein. Wir müssen uns um den HCD keine Spengler-Cup-Sorgen machen. Ein wenig Play-off-Sorgen hingegen schon.