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Ambris letzter grosser Tanz in der besten Saison seit dem Wiederaufstieg

Ambris, Jiri Novothny, bedankt sich bei den Fans, nach dem fuenften Playoff Viertelfinalspiel der National League, zwischen dem EHC Biel und dem HC Ambri-Piotta, am Dienstag 19. Maerz 2019 in der Tiss ...
Jiri Novothny verabschiedet sich von den grossartigen Ambri-Fans.Bild: KEYSTONE
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Ambris letzter grosser Tanz in der besten Saison seit dem Wiederaufstieg

Die beste Saison seit dem Wiederaufstieg von 1985 ist für Ambri nach der 1:2-Niederlage in Biel zu Ende. Biel steht im Halbfinale. Und trotzdem gibt es für Ambri eine gute Nachricht: Luca Cereda wird seinen «Lehrlings-Vertrag» nicht auflösen.
20.03.2019, 02:2520.03.2019, 07:55
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Die Armen lernen auch ohne Musik zu tanzen. Dieses alte Sprichwort gilt auch für ein grosses Ambri. Die Leventiner tanzten den letzten Tanz der Saison. Ohne die Musik des Ruhmes.

Die Hoffnung nach dem 1:0 durch Noele Trisconi (5. Minute) währt nicht lange genug. Weniger als drei Minuten später trifft Damien Brunner zum Ausgleich. Bevor seine Mitstreiter nervös werden. Und als wieder Noele Trisconi trifft, versagen die Schiedsrichter kurz vor der ersten Pause seiner erneuten Heldentat nach Konsultation der Video-Bilder die Anerkennung. Er hatte seinen Stock zu hoch gehalten, als er den Puck unhaltbar für Jonas Hiller abgelenkt hatte.

Die Hockey-Götter waren ungnädig. Die Geschichte wäre zu schön gewesen: der 22-jährige Junior, der mit seinen ersten Playofftreffern Ambris Saison verlängert.

Tore durch die «Hinterbänkler» – also durch die Spieler aus dem dritten und vierten Sturm – wären für Ambri die einzige Möglichkeit gewesen, diese Partie bzw. diese Serie zu gewinnen.

Die Bieler sind über vier Linien so gut besetzt, dass sie Ambris ersten Sturm mit Dominik Kubalik, Marco Müller und Dominic Zwerger bei fünf gegen fünf Feldspielern mit ihren «Hinterbänklern» weitgehend im Griff haben. Das «Trio Grande» hat bei nummerischem Gleichstand in dieser Serie nur ein einziges Tor erzielt.

Das 2:1 durch Robbie Earl wird sich schliesslich als der Anfang vom Ende erweisen. Und doch ist es für Ambri ein anderer Schlussakt als in allen anderen der letzten Jahre. Ja, es ist eigentlich der beste Saison-Abschluss seit dem Wiederaufstieg von 1985.

Biels Robbie Earl im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem Lausanne HC, am Freitag, 1. Maerz 2019, in der Tissot Arena in Biel. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Robbie Earl erzielte den Gamewinner für Biel.Bild: KEYSTONE

Die beste Saison seit dem Wiederaufstieg? Das kann nicht sein. Immerhin hat Ambri 1999 die Qualifikation gewonnen und erst das Finale gegen Lugano verloren.

Und doch ist es so. Und diese finale Niederlage in Biel sagt uns, warum. Ambris letztes Spiel einer Saison war ja bisher immer ein melancholisches, ein enttäuschendes, ein ernüchterndes.

Entweder bedeutete der letzte Tanz in den Jahren des Ruhmes geknickte Hoffnungen (der Titel gelang nie, das Finale 1999 gegen Lugano ging verloren). Später wenigstens Erleichterung im Abstiegskampf. Aber bloss im Hinterzimmer unseres Hockeys, wenn vorne auf der grossen Bühne das richtige, das wahre, das Playoffhockey zelebriert wurde.

Froh waren die Herzen auch nach geglückter Rettung nie richtig. Mit dem Ende der Saison zog nämlich die fünfte Jahreszeit ins karge Bergtal: die des Jammerns über zu wenig Geld, des Bangens um die wirtschaftliche Existenz und der theatralischen Bettelaktionen.

Nun hat sich Ambri mit leichtem Herzen und auf der grossen Bühne mit Liveübertragung im staatstragenden Fernsehen verabschiedet. Es gibt erstmals seit Menschengedenken keine existenziellen Sorgen.

Was an einem gewöhnlichen Abend gegen einen gewöhnlichen Gegner zwischen September und Februar so oft zum Sieg reichte, genügte in dieser finalen Partie nicht. Obwohl Trainer Luca Cereda und seine Spieler alles richtig machen. Aber Biel ist kein gewöhnlicher Gegner. Die Bieler haben inzwischen den Schritt vom Aussenseiter zum Spitzenteam gemacht. Vor einem Jahr hatten sie die Halbfinalserie gegen Lugano nach einer 2:0 Führung noch leichtfertig aus der Hand gegeben und 2:4 verloren.

Ambris Cheftrainer Luca Cereda, spricht im dritten Eishockey Playoff-Viertelfinalspiel der National League zwischen dem HC Biel und dem HC Ambri Piotta, am Donnerstag, 14. Maerz 2019, in der Tissot Ar ...
Luca Cereda hat Ambri so weit gebracht.Bild: KEYSTONE

Nun setzten sie alles daran, diesen Fehler nicht mehr zu machen. In keiner Sekunde unterschätzen sie Ambri und müssen doch bis zur Schlusssirene warten, bis der Sieg und damit der Halbfinal in trockenen Tüchern ist. 146 Sekunden vor Schluss hatte Luca Cereda seinen Torhüter vom Eis genommen, um mit einem Mann mehr und den Besten das Bieler Gehäuse zu berennen.

Ambri spielt bis zum Schluss auf Augenhöhe mit einem starken, ja zeitweise grossen und taktisch reifen Biel. Das mag zeigen, zu welch grosser Leistung Ambri noch einmal fähig ist. Wie schön Ambri noch einmal getanzt hat – und erst noch drei Tage länger als Lugano. Zu recht wird Ambri von seinen Fans noch einmal gefeiert, die zeitweise in Biel den gleichen Lärmpegel erreichen wie das heimische Publikum. Und wer noch nie in Ambri war, kann erahnen, was es bedeutet, wenn es in der Valascia zu einer «Energie-Übertragung» von den Fans auf die Spieler kommt.

Aber eben: es ist ein finaler Tanz ohne die Musik des Ruhmes. Die Saison ist zu Ende. Und ohne ein bisschen Melancholie geht es doch nicht. Das gehört zu Ambris Kultur.

Dominik Kubalik hat seinen letzten Tango getanzt. Der beste der Besten, der beste Skorer der Liga wird Ambri verlassen und nach Amerika, nach Chicago «auswandern».

Die alte Weisheit – Spieler kommen und gehen, Ambri aber bleibt bestehen – mag ein Trost sein. Aber Dominik Kubalik, dessen Toren und Assists Ambri die Playoffs zu einem schönen Teil verdankt, kann nicht ersetzt werden. Und so geht es doch wieder mit ein wenig Hoffen und Bangen in den Frühling und Sommer: Findet Sportchef Paolo Duca den nächsten Kubalik?

Im Kabinengang werden Sportchef Paolo Duca und Trainer Luca Cereda, die erst 37-jährigen Architekten des neuen Ambri, zur Saison befragt. Die Antworten sind zwar weitgehend die üblichen, die wahre Profis bei dieser Gelegenheit geben: der Gegner wird gerühmt und den eigenen Spieler für den Einsatz gedankt.

Und doch fällt etwas auf: die echte Bescheidenheit und Demut, mit der der Sportchef und sein Trainer die eigene Leistung einordnen. Sie sind sich bewusst, dass es sehr schwer wird, eine Saison wie die soeben zu Ende gegangene zu wiederholen.

Kein Hadern mit dem Schicksal, keine Verschwörungstheorien. Ganz einfach die Einsicht, dass Biel besser war und der berechtigte, leiste Stolz auf die eigene Leistung.

Zum letzten Mal in dieser Saison erfreute, ja begeisterte Ambri mit seinem mutigen, dynamischen, direkten Tempospiel und dominiert Biel mit 30:27 Torschüssen. Mit einer Mannschaft die nominell nicht viel besser ist als die «Miserablen» von Rapperswil-Jona. Das muss auch wieder einmal gesagt sein. Weil es gesagt werden darf. Es ist wahr.

Da fragt sich der neutrale Chronist: ach, wäre das ein Spektakel, wenn Luca Cereda in Bern, in Zürich oder gar in Lugano (!) so ein Eishockey zelebrieren würde!

Luganos Cheftrainer Greg Ireland reagiert im Eishockeyspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem HC Lugano am Dienstag, 8. Januar 2019, im Zuercher Hallenstadion. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Greg Ireland ist nicht mehr Trainer von Lugano.Bild: KEYSTONE

Welch ein Unterschied im Auftreten zwischen diesem ruhigen, freundlichen, bescheidenen jungen Mann und den theatralischen Auftritten des soeben in Lugano verabschiedeten Selbstdarstellers Greg Ireland.

Aber Chronist fragt sich eben auch: würden sich die Jungmillionäre in Bern, Zürich und Lugano einem so jungen Trainer wie Luca Cereda unterziehen und so leidenschaftlich für ihn kämpfen wie die «Namenlosen» in Ambri?

Nein, sie würden nicht. Noch nicht. Vorerst funktioniert Luca Cereda «nur» bei einem Aussenseiter. Aber er ist erst 37. Er hat eine grosse Zukunft vor sich. Und, was oft vergessen wird: er ist kein Zauberlehrling. Er hat seinen eigenen Stil entwickelt.

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Checks, bei denen es Brunner und drüber geht. Tore, die Freudensprunger verursachen. Memes von Fora und hinten aus der Tabelle. Diaz alles findest du auf unserem Hockey-Account auf Instagram.

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Und eine Frage darf nicht ausbleiben: Wird Luca Cereda seinen «Lehrlingsvertrag» auflösen oder bleibt er?

Mit dem Vertrag des Ambri-Trainers ist es nämlich so eine Sache. Er hat im Sommer 2017 eine Chance als Cheftrainer bekommen. Aber nur mit einem beidseitig jederzeit auf drei Monate kündbaren «Lehrlingsvertrag». «Ich bin froh, dass mir Ambri diese Chance gegeben hat und ich habe diese Bedingungen akzeptiert.»

Paolo Duca, Sportchef Ambri-Piotta, spricht bei der Praesentation des neuen Teams fuer die Saison 2017/18 aufgenommen in Cademario im Tessin am Dienstag, 29. August 2017. (KEYSTONE/TI-PRESS/Benedetto  ...
Paolo Duca muss Ersatz für Kubalik finden.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Der wohl begehrteste Jungtrainer der Schweiz könnte also Ambri unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist jederzeit verlassen. Aber er wird es nicht tun. Er wird nicht einmal mehr Geld verlangen. «In Ambri stimmt für meine Familie und mich alles. Es gibt keinen Grund, meinen Vertrag aufzulösen. Und ich denke, dass es auch die Gegenseite nicht tun wird…»

Er kann davon ausgehen, dass es die Gegenseite – also Sportchef Paolo Duca – nicht tun wird.

Die Stadien der 12 NLA-Klubs – plus das von Kloten

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Die Stadien der 12 National-League-Klubs
Die PostFinance-Arena des SC Bern.
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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sloping
20.03.2019 03:23registriert Oktober 2014
Duca und Cereda haben der Mannschaft wieder eine Seele und Identität gegeben, die in der Valascia und im Speziellen der Curva Sud seit Menschengedenken gelebt wird. Ambri ist eines der letzten Sehnsuchtsziele für Sportromantiker, abseits des businessgeschwängerten Sports des 21. Jahrhunderts. Es existiert weltweit kein vergleichbarer Ort, um der Faszination des Eishockeys und dem Mythos Ambri näher zu kommen, als einem Tessiner Derby in der alterwürdigen Valascia beizuwohnen. Wenn zum Schluss La Montanara erklingt, sind dies unbezahlbare Momente, die man sein Leben lang nicht vergisst.
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geistfrei
20.03.2019 06:30registriert Februar 2014
Lockout 2020/21: Dominik Kubalik, wir freuen uns auf dich!
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meliert
20.03.2019 05:28registriert August 2014
Schade für Ambri das Ausscheiden, es war ein sehr gutes Spiel, die Leventiner hatten gute Chancen, aber ein Hiller zu bezwingen ist schwer. Das bescheide auftretten des ganzen HCAP ist sehr sympathisch! Hoffentlich klappt es bald einmal mit dem Schweizer Meister.
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