Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Eine Seelenverwandtschaft. Ja, das ist es, was den Spengler Cup und René Fasel (68) verbindet.
So wie unsere Hockeyfunktionäre nicht sehen, was sie mit dem Spengler Cup haben, so kommen sie auch mit René Fasel nicht zurecht.
Der Spengler Cup ist eine weltweit bestaunte Hockey-Institution. In allen europäischen Hockeyländern würden die Klubs viel Geld zahlen, damit jemand eine solche Hockey-Werbeveranstaltung über die Festtage organisiert. Aber unsere Klubgeneräle im Unterland würden das Turnier am liebsten abschaffen und haben den HC Davos mit einer jährlichen Spengler-Cup-Strafsteuer von 800'000 Franken belegt.
René Fasel ist die einflussreichste Persönlichkeit, die unser Eishockey je hatte. Seit 1994 Präsident des Internationalen Eishockeyverbandes (IIHF). Er öffnet Türen, die unserem Bundespräsidenten verschlossen bleiben. Er gilt als erfolgreichster IIHF-Präsident aller Zeiten. Er müsste im eignen Land eigentlich in allerhöchsten Ehren stehen.
Aber unsere Funktionäre überbieten sich ihm gegenüber in Respektlosigkeiten. Zuletzt wagte es Verbandsgeschäftsführer Florian Kohler (inzwischen nicht mehr im Amt) beim letzten Kongress während der Silber-WM 2018, die Integrität der IIHF-Führung anzuzweifeln. «Ich wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken» sagt ein international hoch angesehener Schweizer Hockeymacher, der dabei war.
Dabei wird übersehen, was René Fasel heimlich still und leise immer wieder für unser Hockey tut. Dass wir beispielsweise immer wieder mal eine WM ausrichten dürfen (die nächste 2020 in Zürich und Lausanne), verdanken wir nicht in erster Linie einem geschickten sportpolitischen Lobbying unserer Verbandsfunktionäre. Sondern mehr dem Wohlwollen und der Einflussnahme des Weltpräsidenten.
Item, so wie der Spengler Cup für unsere Klubs, so ist René Fasel für die helvetischen Provinz-Hockeyfürsten eine Nummer zu gross. Es ist kaum Zufall, dass René Fasel jedes Jahr zum Spengler Cup kommt, sich hier wohl fühlt und zu den Organisatoren des Turniers beste Beziehungen unterhält. Er sagt über den Spengler Cup: «Dieses Turnier wird es geben, solange es Eishockey gibt.»
2020 wird René Fasel nicht mehr fürs höchste Hockey-Amt kandidieren und damit wird er auch aus dem IOC ausscheiden. Mit ihm verlässt der letzte grosse helvetische Sportfunktionär der alten Schule die internationale Bühne. FIFA-Präsident Gianni Infantino (48) ist ja einer der neuen Schule.
Einst sassen bis zu fünf Schweizer im IOC, und unser Land war die heimliche politische Sportweltmacht. Wenn René Fasel 2020 geht, bleibt mit Dennis Oswald (71) noch ein einziger im IOC übrig. Verliert die Schweiz ihre globale sportpolitische Bedeutung? «Nein», sagt René Fasel. «Nach wie vor haben neben dem IOC bedeutende internationale Sportverbände ihren Sitz in der Schweiz. Allein daraus ergibt sich ein gewisser Einfluss. Vielleicht erreichen wir, dass der Präsident des schweizerischen Olympischen Komitees automatisch IOC-Mitglied wird.»
Seit alle wissen, dass der oberste Chef geht, gibt es im internationalen Hockey eine gewisse politische Unruhe. Die Nachfolgekandidaten bringen sich in Position. Zurzeit gelten Franz Reindel (64), der Präsident des Deutschen Eishockeybundes, und der Prager Petr Briza (54), ein ehemaliger Weltklasse-Goalie, als aussichtsreiche Bewerber. Kandidaten aus der Schweiz gibt es keine.
Ja, unser Hockey muss froh sein, wenn es gelingt, jemanden ins Council, in die 13-köpfige Hockey-Weltregierung, zu bringen. Unter anderem wollen auch Schweden und die USA einen der freiwerdenden Sitze und es gibt weitere hochkarätige Kandidaten aus anderen Nationen.
Der ehemalige NHL-Profi Mark Streit (41) soll für diese Wahl beim IIHF-Kongress im Herbst 2020 aufgebaut werden. Er hat allerdings (noch) nullkommanull sportpolitische Erfahrung und keinerlei Netzwerk in der internationalen Hockeypolitik. René Fasel sagt diplomatisch, er begrüsse es, wenn ehemalige Spieler ins Council gewählt werden. Warum eigentlich nicht die ehemalige Kulttorhüterin Florence Schelling zur Kandidatin aufbauen?
Aber eigentlich wären SCB-General Marc Lüthi als Präsident der europäischen Klubvereinigung und ZSC-Manager Peter Zahner als Präsident der Champions Hockey League die aussichtsreichsten Kandidaten. Weil sie ein internationales Hockey-Beziehungsnetz haben. Beide werden nicht kandidieren. Marc Lüthi sagt sogar: «Spinnen Sie? Nein, ich kandidiere nicht.» Na denn. Und zu Mark Streits «Operetten-Kandidatur» sagt er: «Der Mark muss nun halt anderthalb Jahre fleissig netzwerken.»
Wenn René Fasel 2020 zurücktritt, dann wird sich auch die Amtszeit seines tüchtigen deutschen Generalsekretärs Horst Lichtner (59) dem Ende zuneigen. Neue Präsidenten bringen in der Regel neue Leute.
René Fasel sagt, ideal wäre ein Schweizer auf dem Posten des Generalsekretärs. «Schon deshalb, weil wir unseren Hauptsitz in Zürich haben und gute Beziehungen zu den lokalen Behörden wichtig sind. Im besten Fall ist entweder der Präsident oder der Generalsekretär ein Schweizer.»
Wer könnte IIHF-Generalsekretär werden? Der ehrgeizige Florian Kohler (30), der soeben das Handtuch als Verbandsgeschäftsführer geworfen hat? Christian Hofstetter (51), Fasels «Ziehsohn» in der IIHF-Organisation, zurzeit im Amt eines Sportdirektors? Dazu äussert sich René Fasel klugerweise nicht. «Ich überlasse diese Entscheidung meinem Nachfolger.»
Zwei Jahre Regierungszeit bleiben dem IIHF-Obmann noch. Ist er nun eine «Lame Duck», weil jeder weiss, dass er geht? Oder hat er nach wie vor Gestaltungskraft? «Ich habe stets mit Argumenten im Interesse des Eishockeys etwas zu erreichen versucht und nicht mit der Autorität des Amtes», sagt René Fasel. «So werde ich es weiterhin halten.»
Er arbeitet also auch in den verbleibenden zwei Jahren an der Verbesserung des Eishockeys. «Ich denke, das Eishockey war weltweit nie besser als heute.» Diese Attraktivität gelte es zu erhalten. Beim interessantesten Vorschlag geht es um die Breite des Eisfeldes. Gut möglich, dass die WM spätestens ab 2022 auf dem kleinen, nordamerikanischen NHL-Eisfeld gespielt wird und sich weltweit die kleinere, um vier Meter schmälere NHL-Fläche durchsetzt.
Auch in unserer Meisterschaft. «Das Eishockey ist auf den kleineren Eisfeldern viel attraktiver. Auf den breiteren europäischen Eisfeldern verlagert sich das Spiel inzwischen weg vom Tor auf Kreisel in den Ecken.» Das sei nicht das, was das Publikum wolle. Die Umstellung von den grossen auf die kleinen Eisfelder ist baulich möglich.
Seine grosse politische Mission bleibt die Stärkung des europäischen Eishockeys gegenüber der NHL. Da hat er klare Vorstellungen: «Eine Expansion der NHL nach Europa – nur über meine Leiche.»
Hingegen ist er zur Kräftigung des Hockeys auf dem alten Kontinent ein Befürworter einer Expansion der KHL nach Westeuropa. Als mögliche Destinationen sieht er London und Paris. In der Schweiz höchstens Genf im Falle eines neuen Stadions.
Seine Begeisterung über die aktuelle Champions Hockey League hält sich in engen Grenzen. Ein solcher Wettbewerb könne nur erfolgreich sein, wenn sie ausschliesslich Champions vorbehalten sei und die KHL daran teilnehme. Der Internationale Eishockeyverband hält an der AG, welche die Champions League organisiert, sowieso nur eine unbedeutende Minderheitsbeteiligung.
Die Teilnahme der NHL-Stars bei den nächsten Olympischen Spielen (2022 Peking) ist ein weiteres heikles hockeypolitisches Dossier. Diese Teilnahme sei nach wie vor offen. René Fasel sagt, es gebe für 2022 vier Möglichkeiten: ein olympisches Turnier mit den NHL-Profis (wie zuletzt 2014), ohne NHL-Profis (wie 2018), mit einer Alterslimite (wie im Fussball) und ohne NHL-Profis – oder gar kein Eishockey bei Winterspielen.
Erste Voraussetzung ist die Zustimmung der NHL, die von vielen Faktoren (u. a. den Verhandlungen zwischen Liga und Spielergewerkschaft über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag) abhängt.
Aber es geht auch ums Geld. Nur wenn das IOC künftig für die «technischen Kosten» (u. a. für den Transport und die Versicherung der NHL-Stars) aufkomme, sei eine Teilnahme der NHL möglich. Bisher weigerte sich IOC-Präsident Thomas Bach diese Kosten in der Höhe von 25 Millionen zu übernehmen. René Fasel sagt: «Bleibt es dabei, gibt es 2022 beim Olympischen Turnier keine NHL-Spieler.» Zu seinen grössten sportdiplomatischen Leistungen gehört die Öffnung des olympischen Turniers für die NHL-Profis (1998, 2002, 2006, 2010 und 2014).
Der Hockey-Weltpräsident sieht so oder so schwierige Zeiten für die Winterspiele. Selbst in klassischen Wintersportländern wie der Schweiz oder Deutschland sind die Spiele in Volksabstimmungen gescheitert. «Es könnte darauf hinauslaufen, dass die Spiele künftig im Turnus Europa, Nordamerika und Asien an den gleichen Orten stattfinden. Damit nicht immer neue Infrastrukturen aufgebaut werden müssen.»
Und was wird aus René Fasel nach 2020? Er ist ein Freund von Wladimir Putin und manche sagen, er könnte ein «Gerhard Schröder des Eishockeys» werden. Der deutsche Ex-Kanzler weibelt ja für die russischen Interessen durch die Welt.
René Fasel steht zu seiner Freundschaft mit dem russischen Staatsoberhaupt. «Ich habe im Eishockey miterlebt, welche Schwierigkeiten Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und eines ganzen Gesellschaftssystems überwinden musste. Der Staat war bankrott. Es ist gewaltig, was Wladimir Putin für sein Land geleistet hat.» René Fasel, der Freund Putins, der in seinem eigenen Land, im Schweizer Eishockey, zu wenig Freunde hat.
Und so kann die Frage nicht ausbleiben: René Fasel, werden Sie der «Gerhard Schröder des Eishockeys?» Er lächelt und sagt: «Wir werden sehen.»
Vielleicht werden wir René Fasel eher gerecht, wenn wir ihn als «François Lefort des Eishockeys bezeichnen.» Der Genfer gehörte im 17. Jahrhundert zu den engsten Vertrauten Peters des Grossen. Er reorganisierte im Rang eines Generals und Admirals dem Zaren, der St.Petersburg erbaut hat, Armee und Marine.
Item, zum Spengler Cup wird René Fasel jedenfalls auch nach 2020 weiterhin kommen.