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Den ZSC Lions droht als Qualifikationssieger das «Aus» in vier Partien. Das hat es seit Einführung der Playoffs (1986) noch nicht gegeben.
Was ist passiert? Die Erklärung liegt nicht im taktischen, spielerischen oder konditionellen Bereich. Sondern im Innenleben der Mannschaft. Im Zentrum aller Analysen für das, was in den drei ersten Partien passiert ist, stehen Trainer Marc Crawford und «Kinderstar» Auston Matthews.
Die ZSC Lions haben einem der ganz grossen Talente des Welthockeys die Gelegenheit zu einem «Lehrjahr» gegeben. Statt eine weitere Saison bei den Junioren verbringen zu müssen (was ihm nur noch wenig gebracht hätte) darf Auston Matthews diese Saison in einem richtigen Männerteam spielen. Sein Talent ist so gross, dass er als «Messi on Ice» verehrt gefeiert wird. Im Sommer wird er gedrafted (ein NHL-Team wird die Rechte an ihm erwerben). Er wird nächste Saison in der NHL spielen und dort zu einem Superstar reifen.
Das alles spielt auch für Marc Crawford eine Rolle. Gewinnt er mit Auston Matthews in einer zentralen Rolle die Meisterschaft, dann hat er erhebliche Chancen, dass er Trainer jenes NHL-Klubs wird, der Auston Matthews verpflichtet. Auston Matthews sozusagen als das Pferd, auf dem der ZSC-Trainer in die NHL zurückreitet.
So gesehen ist es nur logisch, dass Auston Matthews von seinem Trainer in der Teamhierarchie ganz oben platziert worden ist. Es wäre übertrieben zu behaupten, bei den ZSC Lions drehe sich alles um den US-Wunderknaben. Aber wir sehen jetzt: Wahrscheinlich gibt Marc Crawford Auston Matthews zu viel Bedeutung, zu viel Eiszeit und zu viel Verantwortung. Wenn ein Bub ins Zentrum rückt, dann bleibt weniger Bedeutung, Verantwortung und Eiszeit für die Männer und die Hierarchie gerät durcheinander.
Wir können davon ausgehen, dass diese Ausgangslage nicht allen verdienten ZSC-Stars Freude bereitet. Während der Qualifikation spielte das keine Rolle. Die ZSC Lions sind so gut, dass auch durchschnittliche bis solide Leistungen der bestandenen Spieler ausreichten. In den Playoffs reicht das aber nicht mehr.
Marc Crawford hat in allen drei Partien gegen den SCB Auston Matthews und Topskorer Robert Nilsson stark forciert und den «Grinder» (wörtlich übersetzt: «Schleifern») zu wenig Eiszeit überlassen. Gerade im dritten Spiel haben diese «Grinder» die SCB-Abwehr geschleift und die ZSC Lions 2:0 in Führung gebracht (Fabrice Herzog). Auston Matthews und Robert Nilsson haben «nur» zu Severin Blindenbachers 3:3 assistiert.
Aber Auston Matthews hat in allen drei Partien einen Assist gebucht. Er hatte in keinem dieser drei Spiele eine Minus-Bilanz. Er hat das gebracht, was von einem 18-jährigen «Buben» erwartet werden darf. Gescheitert sind die ZSC Lions also nicht, weil er zu wenig gut war. Sondern weil seine Mitspieler nicht gut genug waren.
Die ZSC Lions haben am Dienstag zum dritten Mal ein Spiel verloren, das für sie gelaufen ist. Zweimal haben sie 1:0 geführt, in dieser dritten Partie sogar 2:0. Und das Momentum kehrte durch den schnellen Ausgleich zum 3:3, nur 131 Sekunden nach dem 3:2 der Berner ein zweites Mal zurück. Sie verloren trotzdem erneut. Warum?
Eine Besonderheit dieser ZSC Lions vor allem ab dem zweiten Spiel: Unruhe und zweitweise Hektik auf und neben dem Eis. Auch dann, wenn dazu kein Anlass ist – wie im dritten Spiel nach der beruhigenden 2:0-Führung. Aber wie kann eine Mannschaft, wie können Spieler ruhig bleiben, wenn der Trainer vor Nervosität vibriert? Das Problem für die ZSC Lions ist nicht die Annullierung des 2:2 in Bern im zweiten Spiel. Das Problem ist die Unruhe, die rund um diesen umstrittenen Schiedsrichter-Entscheid aufgekommen ist – geschürt auch von Trainer Marc Crawford mit einem verunglückten TV-Interview.
Es sind zwei Szenen im dritten Spiel, die so typisch sind für diese Unruhe. Die Verlängerung läuft, die ZSC Lions sind drauf und dran, die Entscheidung zu erzwingen. Da ereifert sich ZSC-Coach Marc Crawford, tigert der Bande entlang und will den Schiedsrichtern (die diese Partie hervorragend geleitet haben) irgendetwas mitteilen. Der grosse NHL-General verkörpert geradezu Nervosität. In der nächsten Szene bleibt Robert Nilsson in der SCB-Abwehr hängen und im Gegenangriff gelingt Andrew Ebbett der Siegestreffer zum 4:3.
Diese drei Niederlagen führen nun dazu, dass sich die Kritiker intensiv mit dem Coaching von Marc Crawford auseinandersetzen werden. Zu viel Eiszeit für die Künstler, zu wenig für die «Grinder». Diese Mischung aus verschiedenen Spielertypen, Künstlern und Handwerkern macht grosse Mannschaften aus. Die ZSC haben die verschiedenen Spielertypen, die es für den Gewinn einer Mannschaft braucht. Aber der Coach hat diese Qualität bisher nicht genutzt.
Auf der Gegenseite hat SCB-Trainer Lars Leuenberger alles richtig gemacht. Ja, er hat bisher Marc Crawford ausgecoacht. In der dritten Partie am deutlichsten. Lars Leuenberger nimmt nach dem 2:0 sein Timeout – im richtigen Augenblick. 22 Sekunden später verkürzt der SCB bereits auf 2:1.
Die Berner haben ihr Spiel vereinfacht, die Nerven noch nie verloren und weil zwei der besten Spieler (Blum, Plüss) nach wie vor fehlen, sind sie noch gar nie in Versuchung gekommen, zu grosse Risiken einzugehen. Es gibt in der Neuzeit unseres Hockeys kein anderes Beispiel einer Mannschaft, die in den Playoffs drei Partien hintereinander mit dem genau gleichen einfachen Rezept einen spielerisch so klar besseren Gegner im Schach gehalten und besiegt hat. Oder, um es andersherum zu formulieren: es gibt in der Neuzeit kein anderes Beispiel für einen Coach, der dreimal hintereinander kein Rezept gefunden hat, einen spielerisch limitierten Gegner zu knacken.
Stanley-Cup-Sieger Marc Crawford ist ein grosser Coach. Er zählt in der NHL zu den 50 besten aller Zeiten. Nun steht er vor dem spektakulärsten Scheitern seiner Karriere – oder, wenn er es doch noch schafft, auch bei uns vor dem Einzug in den Himmel der Legenden. Es wäre fatal, die ZSC Lions schon abzuschreiben und das Licht im Hallenstadion bereits zu löschen. Diese Mannschaft hat genug Substanz, hat alles, um die Wende nach wie vor zu schaffen.
Aber bisher noch nicht das Coaching.