Der SC Bern hat sich aus seiner letztjährigen Depression befreit. Die Berner sind wieder gut genug, um Meister zu werden. Sportchef Sven Leuenberger transferierte die richtigen Spieler und sein Trainer Guy Boucher (43) hat sie zu Meisterschafts-Favoriten getrimmt.
Der ehemalige NHL-Cheftrainer ist ein Glücksfall für den SCB. Er hat den «Larifari-Betrieb» beendet, die Leistungskultur verändert und den Klub an die Ursprünge seiner Hockeykultur zurückgeführt. Zurück zum urigen, direkten, intensiven, disziplinierten und taktisch exzellenten nordamerikanischen Hockey. Der SCB spielt wieder vor den beiden Toren. Nicht mehr draussen in den Ecken. Die Automatismen (Powerplay, Boxplay) funktionieren und fast alle spielen ihr bestes Hockey.
Wo also ist das Problem? In der Persönlichkeit des Trainer. Ob einer ein grosser Trainer ist, zeigt sich beim SCB nicht in der Qualifikation. Auch Assistent Lars Leuenberger war schon mal vorübergehend ein charismatischer SCB-Bandengeneral. Trainer werden beim SC Bern erst in den Playoffs gewogen und an Titeln gemessen.
Die Strategen Marc Lüthi und Sven Leuenberger neigen dazu, den Spengler Cup gering zu schätzen. Doch in diesen Tagen sollten sie sich intensiv mit dem Spengler Cup auseinandersetzen. Denn nur wenn sie aus dem Turnier die richtigen Schlüsse ziehen, kann der SC Bern 2015 Meister werden.
Wir haben beim Spengler Cup 2014 erstmals gesehen, wie sich Guy Boucher bei uns in einer Extremsituation verhält. Der Spengler Cup war für den kanadischen SCB-Trainer die erste ganz grosse Bewährungsprobe seit seiner Ankunft in der Schweiz. Er coachte Team Canada. Jedes Spiel ist live nach Kanada übertragen worden. Erstmals seit seiner Entlassung in Tampa (NHL) konnte sich Guy Boucher in Kanada wieder medial inszenieren. Für ihn war der Spengler Cup eine Frage der Ehre – und des beruflichen und persönlichen Prestiges.
Hätten sich Marc Lüthi und Sven Leuenberger die Mühe genommen, nach Davos zu reisen, dann wären sie jetzt beunruhigt. Guy Boucher war als Coach von Team Canada – sorry für diesen Ausdruck – eine Lachnummer. Die Art und Weise, wie sich Boucher in der Schlussphase der Halbfinalpartie gegen Servette von Chris McSorley die Hosen ausziehen liess, wie er unter maximaler Anspannung seines Amtes waltete und die Nerven, das Spiel und den Anstand verlor, lässt einem objektiven und leicht zur Boshaftigkeit neigenden Berichterstatter gar keine andere Einschätzung zu.
Da wartet viel Arbeit auf Marc Lüthi und Sven Leuenberger. Sie müssen ihrem Trainer den Grössenwahn austreiben. Nur weil er einmal ein wenig in der NHL coachen durfte, heisst das noch lange nicht, dass er sich in der Schweiz aufführen kann, als sei er Scotty Bowman. Guy Boucher ist nach wie vor bloss ein gescheiterter NHL-Trainer, der nur in Juniorenligen etwas gewonnen hat, und im Vergleich zu Marc Crawford oder Arno Del Curto ist er nach wie vor eine kleine Nummer.
Guy Boucher hat diese Saison an der SCB-Bande schon hin und wieder die Übersicht verloren. Das blieb, weil Bern dem Gegner in der Regel nominell überlegen ist, meistens ohne Folgen. Beim Spengler Cup hat der Kanadier nicht nur die Übersicht verloren. Er hat auch ohne Not die Schiedsrichter gegen sich aufgebracht.
Der SCB ist nicht so gut, dass der Titel 2015 bereits garantiert ist. Es wird in den Playoffs sehr, sehr knapp werden. Jedes Detail wird entscheiden. Vielleicht auch die Schiedsrichter. Der Umgang mit den Unparteiischen ist eine hohe Kunst. Einerseits ist es wichtig, die Schiedsrichter durch autoritäres Auftreten zu beeindrucken und einzuschüchtern. Aber ebenso wichtig ist es, sie zu respektieren, und niemals darf sich ein Coach dazu hinreissen lassen, einen Schiedsrichter zu beleidigen.
Die ganz grossen Trainer verstehen es, die Spielleiter zu ihren Verbündeten zu machen. Ja, sie sind oft sogar dazu in der Lage, von der Bande aus die Schiedsrichter zu beeinflussen. Weil sie wissen: Am Ende des Tages sitzen die «Zebras» immer am längeren Hebel. Sie bilden die mächtigste Bruderschaft des Eishockeys.
Danny Kurmann & Co. werden nie mit Absicht für oder gegen einen Trainer bzw. dessen Mannschaft pfeifen. Aber es gibt gerade in den heissen Playoffpartien unzählige heikle Situationen, die es dem Unparteiischen erlauben, rechtmässig und im Einklang mit allen Regeln so oder so zu entscheiden. Und dann leitet Sigmund Freud das Spiel. Die im Unterbewusstsein lauernde Antipathie beeinflusst den Schiedsrichter.
SCB-Zampano Marc Lüthi hat zwar mit seinen Kumpels Marc Furrer (Verbandspräsident) und Ueli Schwarz – der gescheiterte ehemalige SCB-Trainer und SCB-Sportchef ist Verbandsdirektor – mächtige Verbündete und viel hockeypolitischen Einfluss. Aber wenn sein Trainer die Schiedsrichter gegen sich aufbringt, werden ihm diese Beziehungen auch nicht helfen.
Dass sich Marc Lüthi und Sven Leuenberger vor ihrem Trainer verneigen, ist verständlich. Guy Boucher hat den SCB aus der Krise geführt und dem Bären den struppigen Pelz glatt gebürstet. Aber das heisst noch lange nicht, dass sie ihrem Trainer vor lauter Dankbarkeit für eine gute erste Qualifikationshälfte und aus Ehrfurcht vor dessen NHL-Vergangenheit alles durchgehen lassen. Guy Bouchers missglückter Auftritt beim Spengler Cup darf klubintern nicht ohne kritische Fragen bleiben.
Der SC Bern hat alles, um wieder Meister werden zu können. Aber der SCB wird 2015 nur dann Schweizer Meister, wenn Guy Boucher in den Playoffs nicht so zum zornigen Clown wird wie beim Spengler Cup.
Btw. betrachtet man die ganze bisherige Saison, hat GB nicht unrecht mit dem was er den Schiris gehustet hat. Sie benehmen sich wie Stars, obwohl der beste Schiri immer noch derjenige ist, an den man sich mach dem Schlusspfiff nicht mehr erinnert.