Manchmal reduziert sich alles, was in einem Spiel wichtig ist, auf eine Szene. Auf die Körpersprache der Spieler. Klotens kräftiger finnischer Leitwolf Tommi Santala (190 cm/97 kg) wird bei einem Bully von Dan Fritsche (185 cm/88 kg) herumgeschubst und provoziert als sei er nicht einer von Klotens letzten Titanen und Kriegern. Sondern ein Schulbub. Und er lässt es sich gefallen. Die Körpersprache eines Verlierers und eines Siegers.
Kurz darauf braust Dan Fritsche bei numerischer Unterlegenheit der ZSC Lions auf und davon und erzielt das 4:1. Statt neuer Hoffnung mit dem Anschlusstreffer zum 3:2 kassieren die Flyers im eigenen Powerplay den alles entscheidenden Treffer. Der Puck will nicht den Weg des Aussenseiters gehen. Dazu passt: ZSC-Sportchef Edgar Salis hatte diesen Dan Fritsche Ende November im Tausch gegen Verteidiger Marco Maurer von Lugano erworben. Ein schlaues Tauschgeschäft. Und typisch für diese Saison der ZSC Lions: Alles gelingt.
Wie schon bei den Niederlagen in der ersten und zweiten Finalpartie (0:1, 1:2) spielten die Kloten Flyers auch während des dritten Gipfeltreffens über weite Strecken auf Augenhöhe mit den ZSC Lions. Aber sie blieben erneut auf der Strecke. Nicht nur wegen einer bösen Laune der Hockey-Götter. Die ZSC Lions zermürbten ihren Gegner durch einen permanenten, wie industriell erzeugten Druck aller vier Linien. Dan Fritsche stürmte in diesem dritten Finalspiel im vierten Sturm.
Servette-General Chris McSorley sagte im Frühjahr 2010 während der Finalserie, gegen den SC Bern zu spielen sei wie gegen die chinesische Armee zu kämpfen: Immer wenn man meine, jetzt gebe es eine Atempause, rolle eine neue Welle heran. Das lässt sich jetzt, vier Jahre später, genau so auch über die ZSC Lions sagen. Nicht die erste Linie macht in diesem Finale die Differenz. Sondern die Wucht aller vier Formationen.
Kloten hätte wahrscheinlich genug Kraft, um die drei ersten Linien aufzuhalten. Aber die Kräfte reichen nicht, wenn auch noch die vierte Angriffsreihe mit so viel Wucht heranstürmt. Das «letzte Bataillon» macht während den letzten Tagen der Meisterschaft in der Ökonomie der Energien die Differenz. So werden Klotens «Krieger» zermürbt. Sie müssen zu stark forciert werden.
Kein Zufall, dass Verteidiger Eric Blum und Mittelstürmer Michael Liniger in dieser dritten Partie mit einer Minus-2-Bilanz vom Eis mussten. Und dass Torhüter Martin Gerber nach zwei Dritteln und einer Fangquote von 79,17 Prozent seinen Platz fürs letzte Drittel Jonas Müller überliess. Dabei war er bei allen fünf Gegentreffer unschuldig. Und auch Blum und Liniger müssen sich keine Vorwürfe gefallen lassen. Die Kloten Flyers und ihr Trainer Felix Hollenstein hatten alles richtig gemacht. Und trotzdem reichte es nicht.
Nicht nur auf dem Eis deuteten am späten Donnerstagabend im ausverkauften Hallenstadion viele Zeichen auf den Untergang der Kloten Flyers. Noch stärker neben dem Eis. Im Kabinengang der Klotener warten 23 Chronistinnen und Chronisten. Vor der Kabine der ZSC Lions sind es nur 15. Das ZSC-eigene TV-Team mitgerechnet.
Der Verlierer interessiert stärker als der Sieger. Dem Verlierer wird noch einmal die Aufwartung gemacht. Weil die Berichterstatterinnen und Berichterstatter davon ausgehen, dass sie sich am Samstag nach dem Spiel mit den ZSC Lions befassen werden. Dem neuen Meister. Und die Kloten Flyers dann nicht mehr interessieren. Heute Freitag werden bereits die ZSC-Meisterhuldigungen für die Sonntagspresse komponiert. Das ist beunruhigend. Die Schwarmintelligenz der Medienschaffenden irrt sich nämlich in solchen Fällen selten.
Michael Liniger, Klotens tapfere, aber bis heute titellose Antwort auf Reto von Arx, bringt es auf den Punkt. Er sagt, der Gedanke, nun viermal gegen diese ZSC Lions gewinnen zu müssen, könne einen schier erdrücken. Deshalb nehme man einfach das nächste Spiel und sehe dann weiter.
Die ZSC Lions viermal hintereinander zu besiegen ist für die Klotener so schwierig, wie einen Elefanten aufzuessen. Der Spruch, der zu dieser Situation passt, stammt vom ehemaligen SCB-Trainer und Entertainer Larry Huras. Als Titelverteidiger lag er mit dem SCB im Frühjahr 2011 im Halbfinale gegen Kloten 0:3 zurück (1:4, 2:3 n.V., 3:4). Er bezeichnete die Aufgabe mit dem Verzehr eines Elefanten und fragte nach der dritten Pleite im Kabinengang provokativ in die Runde: «How do you eat an elephant?» Er gab die Antwort gleich selber: «One bite at a time.» («Wie esse ich einen Elefanten auf? Ganz einfach: Stück für Stück.»)
Tatsächlich schaffte der SCB den Ausgleich mit drei Siegen in Serie (2;1, 4:1 und 5:1). Aber den letzten Bissen schafften die Berner nicht mehr. Kloten gewann die 7. Partie 1:0, zog ins Finale ein und unterlag dort dem HC Davos.
Im Finale ist noch nie ein 0:3 aufgeholt worden. Der Elefant ZSC Lions ist für dieses Kloten zu gross. Die ZSC Lions werden Meister. Aber einen Sieg der Kloten Flyers zur Rettung der Ehre der «alten Krieger» am Samstag schliesse ich nicht aus. Ein 4:0 im Finale hat es erst einmal gegeben. Im Frühjahr fegte der HC Davos die ZSC Lions im Finale mit der Höchststrafe vom Eis (3:0, 6:2, 3:1, 4:1). Es war der furiose Auftakt zur jahrelangen Dominanz der Bündner mit fünf Titeln in neun Jahren.