Die letzte Mission des letzten Sport-Romantikers ist gescheitert. Die Eishockey-WM 2021 findet nicht in Minsk statt. Das Turnier wird nach Dänemark, Lettland oder in die Slowakei verlegt. «Es blieb uns gar keine andere Wahl», sagt René Fasel, der Präsident des Eishockey-Weltverbandes (IIHF). Die Sponsoren, die eine WM mit zweistelligen Millionenbeträgen alimentieren, wären ausgestiegen. Die politische Lage in Weissrussland ist viel zu angespannt.
Der Sport beugt sich also der Politik und dem Kommerz. Der grosse Stratege Carl von Clausewitz hat einmal gesagt, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Es hat Romantiker gegeben, die hofften, der Sport könne die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein. Der erste war Baron Pierre de Coubertin im 19. Jahrhundert. Er wollte mit dem olympischen Gedanken die verfeindeten Völker versöhnen. Aus seinen Olympischen Spielen ist ein globales Milliardengeschäft ohne Einfluss auf den Weltfrieden geworden. Ein weiterer war Dr. Carl Spengler, der sich in den 1920er von einem Wettkampf, der seinen Namen trägt, Völkerverständigung versprach. Wenigstens ist aus dem Spengler Cup die Geldmaschine für den HC Davos geworden. Aber Politik lässt sich mit dem Turnier nicht einmal im Kanton Graubünden machen.
René Fasel ist der letzte dieser Romantiker, der bis zur Absage der WM in Minsk, an die versöhnende Kraft des Sportes glaubte. Nicht ganz zu Unrecht. Hatte er denn nicht in einer historischen diplomatischen Mission erreicht, dass Nord- und Südkorea mit einem gemeinsamenF rauenteam beim olympischen Turnier von 2018 in Südkorea antreten? Gibt es denn grössere politische Gegensätze als die zwischen Nord- und Südkorea?
Und so ist René Fasel hoffnungsvoll und vielleicht auch etwas naiv zu seiner letzten sportdiplomatischen Mission aufgebrochen: er wollte die Eishockey-WM 2021 in Minsk zu einem «Fest der Versöhnung» machen. Er wollte die Eiszeit zwischen Diktator Alexander Lukaschenko und der Opposition auftauen. Der Sport sollte die Fortsetzung der festgefahrenen Politik mit anderen Mitteln werden und in Weissrussland politisches Tauwetter einleiten.
René Fasel kennt Alexander Lukaschenko seit 20 Jahren als Hockey-Kumpel. Warum sollte es nicht möglich sein, mit Hilfe der in Weissrussland so starken Eishockeykultur den Prozess der Versöhnung anzustossen? Der Romantiker René Fasel hat es versucht. Das ehrt ihn. Er reiste letzte Woche noch einmal in die weissrussische Hauptstadt – und tappte in Alexander Lukaschenkos Falle.
Die Bilder, wie der Sportromantiker aus der Schweiz den eiskalten Realpolitiker aus Minsk herzlich umarmt und begrüsst, sind um die Welt gegangen. Sie haben René Fasel heftigste Kritik, ja Spott und Häme beschert. Wie kann man nur den letzten Diktator Europas umarmen?
Seit Monaten fordern Sportler, Politiker und Menschenrechtler, Belarus die Eishockey-WM zu entziehen. Alexander Lukaschenko begrüßte nun aber Weltverbands-Präsident René Fasel sehr herzlich und versprach „die beste WM der Geschichte“. @sportschau pic.twitter.com/MRLXCWaOWS
— Deutschlandfunk Sport (@DLF_Sport) January 11, 2021
Falls wir es noch nicht gewusst haben – das ganze Drama um die WM 2021 in Minsk hat es uns vor Augen geführt: der Sport mag Milliarden Menschen begeistern und ein globales Milliardengeschäft sein. Aber alle Versuche, am grossen Rad zu drehen und mit dem Sport Realpolitik zu machen, sind zum Scheitern verurteilt. Der Sport kann uns schöne Stunden bescheren. Aber der Sport kann die Welt nicht retten.