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Kapitulation? Von wegen! Biels Krise und ein Trainer ohne Furcht und Fortune

Cheftrainer Mike McNamara feuert seine Spieler an, im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem EHC Biel und den EV Zug, am Dienstag, 14. Februar 2017 in der Tissot Arena in Bie ...
Biels Cheftrainer Mike McNamara: Muss er bald um den Ligaerhalt kämpfen? Bild: KEYSTONE
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Kapitulation? Von wegen! Biels Krise und ein Trainer ohne Furcht und Fortune

Krise – na und? Kein Trainer war in der Krise je gelassener als Biels Mike McNamara? Das hat gute Gründe. 
29.10.2017, 06:3629.10.2017, 14:34
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Ja, es ist Krise. Biel hat auch in Bern verloren (1:4) und nur zwei der letzten elf Spiele gewonnen. In dieser Zeit ist die Mannschaft vom 2. auf den 7. Platz zurückgefallen. Der Kampf um die Playoff-Qualifikation hat begonnen. Und wenn es keine Wende gibt, wird daraus ein Kampf um den Liga-Erhalt.

Wie zeigt sich eigentlich eine Krise in der Praxis? Trainer verhalten sich in kritischen Situationen sehr ähnlich. Ihr Gemütszustand bewegt sich zwischen Zorn und Fatalismus. Auch die Ausreden nach einem Spiel, das die Krise weiter verschärft, sind ähnlich: Schiedsrichter, Verletzungspech und – aber leider nur in unterhaltsamen Ausnahmefällen – Kritik an einzelnen Spielern.

Die Trennung vom «Hockey-Gott»

Biel ist krisenerprobt. Seit dem Wiederaufstieg von 2008 haben der Präsident und das Management nie die Nerven verloren und jede kritische Situation klug gemeistert. Selbst die Trennung von «Hockey-Gott» Kevin Schläpfer im letzten November verlief unspektakulär und störte den Lauf der Dinge nicht.

Auch jetzt ist keine «Kurzschluss-Handlung» von Geschäftsführer Daniel Villard und Sportchef Martin Steinegger zu erwarten. Nun geht es um Trainer Mike McNamara. Die Situation ist ernst und die Frage logisch: Wird er gefeuert? Darf er weitermachen? Die Antwort auf diese Frage gibt es spätestens nach den beiden nächsten Partien am Freitag gegen Langnau und am Samstag in Ambri.

Biels Marco Maurer stuerzt auf Biels Torhueter Jonas Hiller, im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem EHC Biel, am Samstag, 28. Oktober 2017, in der PostFinanc ...
Biel am Boden – zumindest im Spiel gegen den SC Bern. Bild: KEYSTONE

Bis dahin ist das Krisen-Szenario in Biel also ein klassisches. Und doch ist etwas anders: das Verhalten des Trainers.

Mike McNamara hat die Mannschaft am 14. November von Kevin Schläpfer übernommen. Eigentlich hatte er gar nicht mehr mit einem Auftritt auf der grossen helvetischen Hockeybühne gerechnet. Er wird im März 69 Jahre alt. Er ging mit grosser Freude jeden Tag seiner Arbeit in Biels Nachwuchsorganisation nach. Aber dann hat er doch zugesagt und machte seine Sache so gut – er führte Biel vorzeitig in die Playoffs – dass er einen Vertrag auch für diese Saison bekommen hat.

Der Verlust des Heldenstatus

Hätte er sich nach erfüllter Mission wieder in die Nachwuchsabteilung zurückgezogen, dann wäre auch er in Biel ein «Hockeygott» geworden. Nun verliert er durch die aktuelle Krise den Heldenstatus. «Ich habe nach der letzten Saison darüber nachgedacht, ob es nicht besser gewesen wäre, zu gehen. Aber ich habe es nicht getan. Weil ich einfach noch immer viel Spass an meiner Arbeit habe. Einen Heldenstatus brauche ich sowieso nicht.» Er habe auch weitergemacht, weil er viel Potenzial in der Mannschaft gesehen habe – und noch immer sehe.

Mike McNamaras Leidenschaft ist das Eishockey. Er sei jeden Tag um sieben Uhr im Stadion, kehre gegen fünf zum Nachtessen mit seiner Frau nach Hause zurück (er ist seit 40 Jahren glücklich verheiratet) und dann schneide er noch Videos. Er könnte damit längst aufhören. Geld hat er genug verdient. Aber warum aufhören, wenn es so viel Spass macht?

«Einen Heldenstatus brauche ich sowieso nicht. Ich habe einfach viel Spass an der Arbeit.» 
Mike McNamara

Und so bleibt er nach dem 1:4 in Bern ruhig und gelassen und steht den Chronisten freundlich Red und Antwort. Er hat keine Angst um seinen Arbeitsplatz. Weil er nicht mehr darauf angewiesen ist. Er habe in letzter Zeit trotzdem nicht gut geschlafen. «Nicht aus Sorge um meinen Job. Sondern aus Sorge um die Mannschaft. Immer wieder gehen mir Spielsituationen durch den Kopf und bringen mich um den Schlaf.»

Schlaflos in Biel. Aber von sich aus werfe er das Handtuch nicht. Eine Kapitulation kommt nicht in Frage. Dafür ist der Kanadier zu stolz. «Aber wenn ich darum gebeten werde, dann mache ich gerne Platz und ich hoffe dann, dass ich wieder im Nachwuchs arbeiten darf.»

Die Suche nach Antworten

Er wird gefragt, ob er eigentlich auch schon gefeuert worden sei. «Ja natürlich, ich glaube drei oder vier Mal. So genau weiss ich es nicht mehr. Ich weiss nur, dass meine nächste Entlassung die letzte sein wird …» Warum ist Biel nach dem guten Start nun in eine Krise geraten? Der Trainer hat auf diese Frage keine Antwort. Wüsste er eine, könnte er die Krise beenden. Er spricht von Spielern, die nicht das tun, was sie tun sollten. Namen nennt er nicht. Auch als die Leistungen von Torhüter Jonas Hiller thematisiert werden, tritt er nicht ins Fettnäpfchen der Einzelkritik. Philosophisch sagt er: «Ein Torhüter kann eine Mannschaft machen. Aber eine Mannschaft auch den Torhüter.»

Biels Trainer Mike McNamara macht Notizen im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem EHC Biel und dem HC Lugano, am Dienstag, 20. Dezember 2016, in der Tissot Arena in Biel. ( ...
Wie lange ist McNamara noch Headcoach in Biel?  Bild: KEYSTONE

Tja, es gäbe viel zu kritisieren. Die Bieler wirkten in Bern müde und sie waren in der Offensive wirkungslos. «Wir haben am Vortag gegen die ZSC Lions viel Energie verloren. Ja, es stimmt, wir erzielten offensiv wenig Wirkung. Aber der SCB ist defensiv die beste Mannschaft der Liga.» Dagegen ist schwerlich etwas einzuwenden. Seit dem «Grande Lugano» der späten 1980er und frühen 1990er Jahre hat in der Schweiz nie mehr eine so talentierte Mannschaft so defensiv gespielt wie Kari Jalonens SC Bern.

Dieses langweilige «Resultathockey» ist nur noch siegreich zu ertragen. Ist es in Biel in der Krise zu windstill? Würde es helfen, wenn der Coach die Türe zuknallen, Mobiliar und Stöcke zertrümmern würde? «Ich habe das früher auch gemacht, heute nicht mehr.» Mike McNamara vertraut auf die Kraft der Argumente.

Braucht es wieder mehr Rock 'n' Roll? 

Zu viel Weisheit und Gelassenheit, um junge Männer zu Höchstleistungen zu treiben, die dafür bezahlt werden, zu spielen, und nicht um zu arbeiten? Lief es letzte Saison nach der Entlassung von Kevin Schläpfer so gut, weil der ruhige Mike McNamara für die Spieler nach Jahren mit dem emotionalen Feuerteufel Kevin Schläpfer vorübergehend eine Wohltat war? Braucht es jetzt wieder mehr Rock 'n' Roll in der Kabine? Sollte es wieder mehr «schläpfern»?

Wahrscheinlich ist es tatsächlich zu windstill in Biel. Fachliche Kompetenz des Trainers kann nicht das Problem sein. Mike McNamara war auch beim 1:4 in Bern ein tüchtiger Bandengeneral. Das 1:3 in der 37. Minute wurde annulliert. Mike McNamara hatte die Videoüberprüfung verlangt und die brachte ein Offside zu Tage. Der entscheidende dritte Treffer fiel schliesslich erst in der 56. Minute.

Der grosse preussische Krieger-König Friedrich der Grosse soll einmal gesagt haben: «Ich brauche Generäle, die nicht nur tüchtig sind, sondern auch Fortune (= Glück) haben.» So ist es: Biel braucht nicht nur einen tüchtigen Bandengeneral wie Mike McNamara. Biel braucht auch einen Bandengeneral, der Fortune hat. Seit dem 4:2 auswärts gegen die ZSC Lions am 22. September hat Mike McNamara kein Glück mehr. Er ist ein Trainer ohne Furcht und Fortune.

Nun ist es an der Zeit, dass wir das Problem auf den Punkt bringen. Was ist Fortune für den Hockeytrainer? Ein grosser Torhüter. An diesem 22. September hat Jonas Hiller beim 4:2 gegen die ZSC Lions 95,24 Prozent der Schüsse abgewehrt. Diesen Wert hat er seither nie mehr auch nur annähernd erreicht.

Es spielt keine Rolle, ob der Trainer verständnisvoll und ruhig oder autoritär und zornig ist. Wenn er keinen grossen Torhüter, wenn er keine Fortune hat, ist er verloren.

Wie Mike McNamara in Biel.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Herr Berger
29.10.2017 19:00registriert Juli 2016
In den Playouts hilft dann der Kevin indem er die Flügers ansatzlos ins B coacht.
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