Zu den grössten Herausforderungen einer Chronistin oder eines Chronisten gehört es, einem finnischen Sportler zusammenhängende Sätze zu entlocken.
Okay, das ist etwas boshaft. Harri Pesonen (30) entspricht ganz und gar nicht den vermeintlich typischen Finnen, wie wir sie aus Aki Kaurismäkis Kultfilmen kennen: sparsam im Dialog und mit skurrilem Humor. Langnaus finnischer Stürmer ist vom Typ her ein Lateiner. Fröhlich, temperamentvoll und er spricht so viel, dass man ihn unterbrechen muss, um eine Frage zu stellen.
Vier Jahre lang tanzte der nordische Zauberer für Lausanne. Nach einer durchzogenen Qualifikation (29 Punkte / 41 Spiele) war er in der Relegationsrunde noch einmal in grosser Form (4 Spiele / 9 Punkte). Aber Lausannes Sportdirektor Jan Alston wollte den Finnen nicht mehr.
Deshalb stürmt Harri Pesonen jetzt für die SCL Tigers. Er sagt, warum er im Emmental gelandet ist. «Das Management in Lausanne hatte andere Pläne. So ist das Hockey-Business, das ist okay für mich. Ich wollte unbedingt in der Schweiz bleiben und ich hatte Offerten von mehreren Klubs. Die Langnauer haben mir das Gefühl gegeben, dass sie mich unbedingt wollen. Das war für mich entscheidend. Nicht das Geld.»
Harri Pesonen ist ein wichtiger Grund für Langnaus beste Saison seit 1982/83. Beim 4:3 gegen Lausanne liess er sich zwei Tore und einen Assist gutschreiben, mit 13 Punkten aus zwölf Partien ist er bester Skorer des Teams. Mit Chris DiDomenico (10 Punkte) bildet er die beste Flügelzange der Liga.
Der leichtfüssige, kreative, unberechenbare Pesonen und DiDomenico, der zähe, smarte unerbittliche kanadische Leitwolf mit dem intensiven Spielstil – das ist so wie im Fussball eine Kombination aus einem Brasilianer und einem Deutschen. Diese zwei Individualisten mit Sinn fürs Mannschaftsspiel haben eine doppelte Wirkung: Sie hauchen Heinz Ehlers Kollektiv Leben ein und geben Langnaus System-Hockey die Prise Unberechenbarkeit, die in den letzten zwei Jahren fehlte.
Bereits jetzt steht fest, dass Harri Pesonen auch nächste Saison für die SCL Tigers stürmen wird. Offiziell hat er zwar nur für ein Jahr unterschrieben. Aber der Kontrakt enthält eine einseitige Verlängerungsoption für Langnau. «Und die lösen wir natürlich ein», kündigt Sportchef Marco Bayer an.
Für Trainer Ville Peltonen ist es besonders ärgerlich, dass sein Landsmann jetzt für Langnau stürmt. Er hat zwar schon im November in Lausanne unterschrieben, als er in Bern noch Assistent von Kari Jalonen war. Aber auf die Zusammensetzung der Mannschaft hatte er offenbar keinen Einfluss. Zum Entscheid, den Vertrag mit Harri Pesonen nicht mehr zu verlängern, habe er nichts zu sagen gehabt: «Das war die Entscheidung des Managements.» Also von Sportchef Jan Alston.
So ist Ville Peltonen bei seiner ersten Stelle als Cheftrainer in eine kuriose Situation geraten. Lausanne, eine der teuersten Mannschaften der Liga, ist nach der siebten Niederlage in den letzten acht Spielen auf Rang 9 abgerutscht. Kurios deshalb, weil Lausanne nicht so auftritt wie ein Krisenteam, das Probleme mit dem Trainer hat. Die Disziplin ist gut, das Spiel klug strukturiert. In lichten Momenten ist Lausanne eine Hockeymaschine wie der SC Bern.
Tatsächlich ist Ville Peltonen ein Zauberlehrling, der das Konzept seines Mentors Kari Jalonen kopiert und aus Lausanne einen Operetten-SCB gemacht hat. Aber ungewollt ist es dabei zur Auferstehung der DDR-Nationalmannschaft gekommen: Das Kollektiv funktioniert. Keiner muckt auf, keiner flippt aus. Aber die Individualisten fehlen, die Verantwortung übernehmen. Auch Leader, die etwas wagen, gibt es keine.
Harri Pesonen ist exakt der Spielertyp, der Lausanne so sehr fehlt und Langnau so viel besser macht. So gesehen ist er der einflussreichste Spieler der Liga.
Tatsächlich hat Sportchef Jan Alston in Lausanne mit ziemlicher Sicherheit die teuerste Ansammlung von Mitläufern zu verantworten, die es je in unserem Hockey gegeben hat. Gewiss, die Namen sind gross und die Saläre sind es auch: Lukas Frick, Joël Genazzi und Joël Vermin sind WM-Silberhelden von 2018. Robin Grossmann war 2013 ein WM-Silberheld. Christoph Bertschy ist Nationalstürmer, Etienne Froidevaux war es auch. Ronalds Kenins war schon in der NHL, letzte Saison meisterlicher Flügel der ZSC Lions und für Lettland an der WM.
Aber eigentlich sind alle diese grossen Namen vor allem Wetterfrösche. Scheint die Sonne, so sind sie warm. Regnet es, so werden sie nass. Aber das Wetter ändern kann keiner. Nicht einer der grossen Namen bei Lausanne war im Verlauf seiner bisherigen Karriere bei einem grossen Team ein Leader. Trittbrettfahrer des Ruhmes. Und erschwerend kommt dazu: Sandro Zurkirchen und Luca Boltshauser sind zwar gute, aber keine grossen Torhüter.
Ville Peltonen, als Spieler ein charismatischer Leitwolf des ersten finnischen Weltmeisterteams (1995) und des letzten Meisterteams in Lugano (2006), hat eigentlich alles im Griff. Aber es ist für jeden Trainer schwierig, aus teuren Mitläufern eine erfolgreiche Mannschaft zu machen. In Lausanne sollte nicht der Trainer gefeuert werden. Sondern der Sportchef.