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Palmen sind das freundliche Symbol für das Versagen Luganos seit dem letzten Titel von 2006. Zu gut das Hockey-Leben. Zu mild das Leistungsklima. Zu bäumig das Salär. Und deshalb das regelmässige Scheitern in den Playoffs gegen die rauen Kerle des Nordens.
In Zürich-Oerlikon stehen keine Palmen. Aber sonst ist es im Hallenstadion inzwischen so wie in Lugano. Zu gut das Hockey-Leben. Zu mild das Leistungsklima. Zu bäumig das Salär. In den letzten Monaten sind die Parallelen zu Lugano geradezu verblüffend. Wie in Lugano sind auch in Zürich die lokalen Chronisten inzwischen in die Fankultur eingebunden und übernehmen freudig die faulen Ausreden der Klubgeneräle.
Ach, ist das ein Jammern über den Ausfall von Robert Nilsson! In Pittsburgh würde nicht so geklagt, wenn Sidney Crosby fehlen würde. Nachdem der Trainerwechsel noch nicht die ultimative Besserung gebracht hat, ist nun also das Fehlen von Robert Nilsson der Grund für die Krise.
Robert Nilsson (33) ist tatsächlich ein aussergewöhnlicher Spieler. Wahrscheinlich sogar der talentierteste Einzelspieler der Liga. Aber ein Leitwolf, der eine Mannschaft durch kritische Phasen trägt, war er noch nie. Er belebt mit seiner Unberechenbarkeit das Offensivspiel auf den Aussenbahnen und vermag die gegnerische Abwehrorganisation zu verwirren. Aber inzwischen zu wenig regelmässig und zu wenig oft in den alles entscheidenden Phasen. Er ist ein offensiver Farbtupfer. Ein zerbrechlicher Schmetterling. Ein wunderbarer Schönwetterspieler. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Eishockey gilt zu Recht als der letzte wahre Mannschaftsport. Namen sind nur Buchstaben, aufgenäht auf das Leibchen. Ausfälle zu kompensieren gehört zur Leistungskultur grosser und kleiner Mannschaften.
Das Jammern über Verletzungen der ZSC Lions wirkt nachgerade lächerlich. Die Zürcher haben Ausfälle zu beklagen. So wie andere Klubs auch.
Der SC Bern musste diese Saison zeitweise ohne die gesamte erste Sturmreihe (Thomas Rüfenacht, Mark Arcobello, Simon Moser) und wichtige Spieler wie Eric Blum, Alain Berger und Beat Gerber auskommen. Nicht immer konnten die Berner mit vier Ausländern antreten. Soeben haben sie gegen Lausanne (4:3 n.V) lediglich mit drei Ausländern gewonnen.
Die SCL Tigers – sie können für ihre erste Mannschaft nicht einmal halb so viel Geld ausgeben wie die ZSC Lions – hätten eigentlich Grund zum Jammern. Mit Ville Koistinen verliess der mit Abstand wichtigste Verteidiger von einem Tag auf den anderen die Mannschaft. Sein Ersatz Cam Baker kassierte gleich beim Debut einen Restausschluss und zwei Spielsperren. Topskorer, Leitwolf und Energiespieler Antti Erkinjuntti fiel durch eine Blessur aus – und die Langnauer haben trotz dieser Missgeschicke soeben vier Spiele hintereinander gewonnen.
Zugs Trainer Harold Kreis musste wegen der Verletzungen von Timo Helbling, Robin Grossmann, Dominik Schlumpf und Santeri Alatalo zeitweise ohne seine halbe Verteidigung auskommen.
Die Ausreden der ZSC Lions sind umso lächerlicher, weil sie sich ein ganzes Farmteam und die grösste Nachwuchsorganisation Europas leisten.
Wenn ein Hockeyunternehmen dazu in der Lage ist, verletzungsbedingte Ausfälle zu kompensieren – dann die ZSC Lions. Sie haben aber in den letzten drei Jahren die Förderung ihres eigenen Nachwuchses sträflich vernachlässigt um jeglichen Konkurrenzkampf im Team zu vermeiden und die Befindlichkeiten der Stars nicht zu stören.
Logisch, dass jetzt gejammert wird, die Spieler aus dem Farmteam seien bei weitem nicht so gut wie man denke. Inzwischen haben die Zürcher nur noch 8 Punkte mehr als die SCL Tigers – aber 20 weniger als Tabellenführer SC Bern. Noch selten hat so viel Geld so wenig sportlichen Ertrag gebracht wie diese Saison im Hallenstadion.
Das Problem bei den ZSC Lions ist nicht das Verletzungspech. Das Problem ist die Leistungskultur, die seit dem letzten Titel von 2014 unter Sportchef Edgar Salis nicht mehr gehegt und gepflegt worden ist. Im letzten Frühjahr ist der Sport-Sozialromantiker nach neun Jahren endlich abgesetzt und durch Sven Leuenberger ersetzt worden. Einer der wichtigsten Wechsel in der ZSC-Führungsetage seit der Gründung der ZSC Lions.
Die alles entscheidende Frage ist nun, ob sich der ehemalige SCB-Sportchef intern gegen General Manager Peter Zahner durchzusetzen vermag. Die Arroganz, die sich unter anderem darin zeigt, dass man glaubt, es sich leisten zu können, aus freundschaftlicher Verbundenheit dem Veteranen Mathias Seger den Vertrag zu verlängern statt die eigenen jungen Verteidiger zu fördern. Oder im Frühjahr 2017 ohne Ersatzausländer in die Playoffs zu steigen, sie kommt bei den ZSC Lions von ganz oben.
Ein gut geführtes Sportunternehmen leistet sich auch nicht wochenlange Transfer- und Vertragsverlängerungs-Seifenopern wie die Zürcher mit Mathias Seger, Denis Hollenstein, Roman Wick und Niklas Schlegel. Auch das ist Arroganz. Die süssen Früchte des Ruhmes aus den Titeln von 2012 und 2014 sind sauer geworden.
Sportchef Sven Leuenberger hat spät, vielleicht nicht zu spät, das antiautoritäre schwedische Experiment der Selbstverantwortung seines Vorgängers Edgar Salis beendet und Hans Wallson und dessen Assistenten gefeuert. Mit dem rauen Schmirgelpapier-Psychologen Hans Kossmann ist das Leistungsklima rauer geworden. Nun wird wieder Tacheles geredet.
Hans Kossmann kann eine ähnliche Wirkung entfalten wie «Feuerwehrtrainer» Doug Shedden im Laufe der Saison 2015/16 in Lugano nach der Entlassung von Patrick Fischer. Der Kanadier führte die Mannschaft immerhin zehn Jahre nach dem letzten Titelgewinn erstmals wieder ins Finale.
Die ZSC Lions haben genug Substanz um den Titel zu gewinnen. Sie sind nach wie vor die gefährlichsten Herausforderer des Meisters. Das haben sie im ersten Spiel unter Hans Kossmann gezeigt. Sie zerlegten da Lugano gleich 6:1. Und sie besiegten unter dem neuen Trainer auch schon den Meister und Tabellenführer auswärts 4:2.
Wenn sich Hans Kossmann durchsetzen kann, ist alles möglich. Wenn er sich nicht durchsetzen kann, dann wissen wir: die ZSC Lions sind «uncoachable» geworden. Sportchef Sven Leuenberger wird in diesem Falle nicht so lange in der Hängematte des Amtes schaukeln wie Roland Habisreutinger in Lugano.
Er wird von sich aus gehen.