Eine Krise ist immer eine Chance. Weil eine Krise zu Veränderungen zwingt. Für Chronisten ist es in der Regel nicht schwierig, die Sündenböcke zu benennen. Eine Krise steigert deshalb den Unterhaltungswert. Weil sich vortrefflich polemisieren lässt. Beispiel: Es ist nicht schwer, die Ursache für Klotens Punktelosigkeit zu finden – wer freiwillig nicht alle Ausländerpositionen besetzt, rutscht halt auf den letzten Platz ab. Oder ein anderes Beispiel: Wenn die ZSC Lions auf das 1:6 in Lugano nicht reagieren können, geht die Polemik gegen Trainer Hans Wallson los. Die Ursachenforschung ist dann einfach: Die ZSC Lions haben ein Trainerproblem.
Aber was, wenn weder Ausländer noch Trainer noch Sportchef in einer Krise eine Polemik hergeben? Die SCL Tigers sind in eine seltsame «Birebitzeli-Krise» geraten. Der Ausdruck «Birebitzeli» meint in der berndeutschen Sprache «ein kleines bisschen, ganz wenig.»
Das ist es, was Langnau den miserablen Herbst beschert. Rechnen wir die Vorbereitung hinzu, dann haben die SCL Tigers inzwischen elf von zwölf Spielen verloren. In der Meisterschaft haben sie nach vier Partien erst einen Punkt – genau gleich viel wie vor einem Jahr unter Scott Beattie. Und da war schon klar, dass der Trainer schuld ist. Und tatsächlich: Als der Kanadier gefeuert und durch Heinz Ehlers ersetzt worden war, kehrten Disziplin, Zuversicht und Erfolg zurück. Ende Saison war die Meinung gemacht: Hätten wir Heinz Ehlers vom Saisonanfang an im Amt gehabt, wären wir in die Playoffs gekommen.
Aber jetzt gibt es keine Erklärung für die Krise. 3:4 n. V. (nach 3:0) und 3:5 (nach 2:0 und 3:1) gegen die ZSC Lions, 3:6 gegen Biel und soeben 2:3 gegen Zug.
Es fehlt nirgendwo so viel, dass mit gutem Gewissen und lustvoll polemisiert werden könnte. Es fehlt überall ein wenig, ein «Birebitzeli». Die beiden Goalies Ivars Punnenovs und Damiano Ciaccio sind ein «Birebitzeli» weniger gut als vor einem Jahr – und das reicht bei einer Mannschaft wie Langnau nicht zum Sieg. Aber sie sind trotz Fangquoten von weniger als 90 Prozent noch keine Lottergoalies, die an allem Schuld sind. Wären die Torhüter bloss ein «Birebitzeli» besser, hätte es gegen die ZSC Lions zu zwei Siegen gereicht.
Trainer Heinz Ehlers feuern? Den hochgelobten Wunschtrainer? Das steht ausserhalb aller Diskussionen. Die Taktik stimmt ja. Es ist die gleiche, die letzte Saison funktioniert hat. Wären nur alle ein «Birebitzeli» konzentrierter, würden alle ein «Birebitzeli» weniger Fehler machen, es hätte bereits zu zwei Siegen gereicht.
Nicht einmal das «Birebitzeli» Verletzungspech reicht zu einer ausreichenden Entschuldigung. Leitwolf und Captain Pascal Berger fehlt zwar seit dem ersten Spiel wegen eines Schlüsselbeinbruchs. Aber der Ausfall eines wichtigen Spielers reicht als Erklärung nicht aus.
Ersatzcaptain Emanuel Peter ist zwar ein «Birebitzeli» zu intellektuell, zu alt, zu weich und zu langsam, um ein charismatischer Leitwolf zu sein – aber auch als «Captain Minus» (bisher eine −1-Bilanz) halt auch nicht so schlecht, dass er als Captain abgesetzt und unter die Wolldecke verbannt werden müsste.
Und die Ausländer? Wäre die kanadische «Nullnummer» Aaron Gagnon (4 Spiele/1 Tor) nur ein «Birebitzeli» besser, hätten die Langnauer wahrscheinlich schon ein Meisterschaftsspiel gewonnen. Aber er alleine kann ja nicht der Sündenbock sein.
Oder liegt es daran, dass die «finnische Mafia» mit Ville Koistinen, Eero Elo und Antti Erkinjuntti ein «Birebitzeli» zu wenig Energie und Emotionen ins Spiel trägt? Dass keiner aus dem Trio zum Führungsspieler taugt? Auch diese Analyse taugt nicht so recht. Die drei führen die Team-Skorerliste an. Antti Erkinjuntti ist sogar punktgleich mit Matt D’Agostini Liga-Topksorer. Nein, die Ausländer taugen nicht zu Sündenböcken.
Langnau fehlt überall ein «Birebitzeli». Bei den Torhütern, den Verteidigern, den Stürmern, den Ausländern. Sie sind ein «Birebitzeli» zu langsam, zu weich und zu undiszipliniert – aber nicht langsam und weich und undiszipliniert genug für eine kernige Polemik zum Thema fehlende Härte und Disziplin.
Nirgendwo fehlt genug, um mit gutem Gewissen den Hebel anzusetzen. Gross ist daher die Ratlosigkeit. Es ist eine gefährliche Krise. Sie kann zu Resignation führen und wenn die Hockeyseele ermüdet, ist Langnau verloren. Eine rasche Lösung wie vor einem Jahr mit dem Trainerwechsel ist nicht möglich.
Wenn keine baldige Besserung eintritt, wird es als erste Krisenmassnahme zu einem Wechsel auf den Ausländerpositionen kommen. Ersatzmann Eric Himelfarb (er verbringt die Wartezeit auf den Schweizer Pass als fünfter Ausländer) wird eine Chance bekommen. Erzielt er keine Wirkung, wird Sportchef Jörg Reber einen zusätzlichen Ausländer verpflichten. Schon um den Anschein von Tätigkeit zu erwecken.
Und dann? Dann kommt, wenn die Besserung weiterhin ausbleibt, die grosse Krise, die nicht einmal mehr Heinz Ehlers im Amt übersteht. Sein Nachfolger würde dann Kevin Schläpfer. Biels ehemaliger «Hockeygott» sollte sich schon ein «Birebitzeli» auf die neue Herausforderung im Emmental vorbereiten.