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Der SC Bern im Basislager zum meisterlichen Gipfelsturm 

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Auf dem Weg an die Spitze

Der SC Bern im Basislager zum meisterlichen Gipfelsturm 

Warum der Sieg über einen starken HC Davos die beste SCB-Leistung seit dem Gewinn des Titels im Frühjahr 2013 ist.
16.11.2014, 12:53
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Vor der Partie wird Ivo Rüthemann (37) auf dem Eis von SCB-General Marc Lüthi verabschiedet. Seine Dress mit der Nummer 32 wird zu den Klängen des Berner Marsches hochgezogen und wird fortan ganz oben unter dem Dach hängen. Die Nummer 32 wird beim SCB nicht mehr vergeben.

Der zurückgetretene Ivo Rüthemann wird beim SCB geehrt.
Der zurückgetretene Ivo Rüthemann wird beim SCB geehrt.Bild: KEYSTONE

Es gibt in unserer schönen Hockeykultur aber immer noch ein bisschen Provinzialität: «Ivo Rüthema, du hesch es gruusigs Libli aaa» singen die HCD-Fans im Gästesektor während der Ehrung. Ivo Rüthemann wechselte seinerzeit 1999 von Davos nach Bern. Eine solche Schmähung wäre in Kanada frevelhaft und undenkbar. Aber Marc Lüthi wird’s verschmerzen können: Weil die HCD-Fans den Gästesektor füllten, war Europas grösste Arena zum ersten Mal in dieser Saison ausverkauft.

Der Einstieg ins Berufsleben von Ivo Rüthemann

NLA-Rekordspieler Ivo Rüthemann (1072 Spiele) kam zum ersten Mal seit seinem Rücktritt im letzten Frühjahr in den Berner Hockey-Tempel. «Ich wollte einfach Abstand gewinnen und jetzt war die Zeit da, wieder einmal zu kommen.» Der Familienvater arbeitet heute bei einer Privatbank in der Stadt Bern und er hat mit dem Hockey abgeschlossen.

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Was durchaus zu dieser aussergewöhnlichen Spielerpersönlichkeit passt: Was er macht, das macht er richtig. Und so setzt er jetzt ganz auf den Beruf. Eine zweite Hockeykarriere wird es bei Ivo Rüthemann kaum geben – es sei denn, als SCB- Verwaltungsrat oder als Hockey- Verbandspräsident. Er wäre die perfekte Besetzung für diese Positionen.

Holloway versenkt einen Penalty. Der SCB zeigte gegen Davos eine starke Leistung und gewann verdient.
Holloway versenkt einen Penalty. Der SCB zeigte gegen Davos eine starke Leistung und gewann verdient.Bild: KEYSTONE

Ivo Rüthemann hat bei seiner Rückkehr in den Berner Hockey-Tempel ein ganz grosses Spiel gesehen. Es war im Grunde der erste SCB-Spitzenkampf seit dem Meistertitel im Frühjahr 2013. Die Berner waren in einem schnellen, intensiven und zeitweise hektischen Spiel jederzeit auf Augenhöhe mit dem HC Davos und dominierten den Tabellenführer über weite Strecken (37:23 Torschüsse). Den Rumpeltest hatten sie am Vorabend gegen in Zug noch verloren (1:3). Doch nun bestanden sie gegen den HCD den Tempotest in grandioser Manier.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Der SCB ist inzwischen so gefestigt, dass er nicht nur Mittelklasseteams überrennen, sondern auch ein absolutes Spitzenteam herausfordern und besiegen kann. Bei dieser Renaissance des grossen Berner Hockeys spielt Torhüter Marco Bührer eine wichtige Rolle. Seine starke Leistung zeigt uns: Nichts ist im Sport besser als Konkurrenz. Bührer hat seit zwei Partien mit Nolan Schaefer eine Nummer 2 bekommen, die ihm den Platz streitig machen kann. Marco Bührer ist beim 1:3 in Zug und nun beim 3:2 n.P richtigerweise zum besten SCB-Spieler gewählt worden.

Die Scheibe fest im Visier. Marco Bührer ist seit der Verpflichtung von Goalie-Konkurrent Schaefer stärker geworden.
Die Scheibe fest im Visier. Marco Bührer ist seit der Verpflichtung von Goalie-Konkurrent Schaefer stärker geworden.Bild: KEYSTONE

Die Differenz in diesem Spitzenspiel war letztlich aber so gering, dass es unseriös wäre, den Verlierer als Verlierer zu schmähen und den Sieger schon im November zum Meister auszurufen. Aber diesen Erfolg gegen einen starken HCD dürfen wir trotzdem als den grössten SCB- Sieg seit dem 16. April 2013 bezeichnen. An diesem 16. April holten die Berner mit einem 5:1 gegen Gottéron den Titel – und traten dann den Marsch in die grösste Depression seit dem Wiederaufstieg von 1986 an.

«Die Berner sind wieder bissig geworden, sie haben uns keine Ruhe gelassen und noch einmal zugesetzt.»
Arno del Curto

Die ganz besondere Qualität der Berner: Sie hatten ihre stärkste Phase nach dem 1:2, dem Treffer, der in der 53. Minute ihre Niederlage zu besiegeln schien. «Nach unserem zweiten Tor haben wir das Spiel verloren» wird HCD-Trainer Arno Del Curto hinterher sagen. «Wir fühlten uns zu sicher und glaubten, das Resultat mit spielerischen Mitteln über die Zeit zu bringen. Aber das hat gegen diesen SCB nicht funktioniert. Die Berner sind wieder bissig geworden, sie haben uns keine Ruhe gelassen und noch einmal zugesetzt. Wir gerieten unter Druck, kassierten Strafen.»

Zurück zum Glück

Mit einem schweren Spiel vom Vortag in den Beinen dem HC Davos in der Schlussphase den Sieg entreissen, der am Vortag spielfrei war – das ist die vorläufige Meisterprüfung für den SCB. Dabei hat die Mannschaft ihr Potenzial noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Sie befindet sich nach der Depression der letzten Saison nach wie vor auf dem langen Weg zurück zu jenem Selbstvertrauen, jener Stilsicherheit, jener Gelassenheit in hektischen Situationen, die alle grossen SCB-Teams der Geschichte geprägt haben. Immer mehr finden Spieler zu ihrem besten Hockey zurück, die letzte Saison phasenweise weit unter ihrem Wert blieben (wie Christoph Bertschy, Pascal Berger, Justin Krueger, Ryan Gardner oder Marco Bührer).

Der SCB steht wieder auf sicherem Playoff-Grund. Nun steht Trainer Guy Boucher am Basislager zum meisterlichen Gipfelsturm. Kann er die Mannschaft auf diesem hohen Niveau stabilisieren und schliesslich zu einem Meisterkandidaten weiter entwickeln? Das wird die entscheidende Frage in dieser Meisterschaft.

Bringt Guy Boucher den SCB zurück auf den Thron?
Bringt Guy Boucher den SCB zurück auf den Thron?Bild: KEYSTONE

Der SCB steht inzwischen an einem guten Abend wieder auf Augenhöhe mit den Titanen Davos, ZSC Lions, Zug und Lugano. Aber Niederlagen gegen die Teams der zweiten Tabellenhälfte sind nach wie vor möglich. Die Berner müssen noch selbstsicherer, gelassener, kreativer und härter werden, um nicht nur Spektakelspiele im November zu gewinnen. Sondern auch die Playoff- Partien im April und den ersten Titel in diesem Jahrhundert ohne Ivo Rüthemann.

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