Am Ende bedeutet eine Niederlage in jedem Fall bloss einen oder gar keinen Punkt. Und doch gibt es verschiedensten Arten von Niederlagen: Unglückliche, unverdiente, kuriose, dramatische, verdiente, spektakuläre, logische, unvergessliche, hohe, himmeltraurige und knappe Niederlagen.
Und dann gibt es die Niederlagen à la biennoise. Wie Biels 1:2 gegen Lugano. Wenigstens kommen die Fans auf ihre Rechnung. Niemand verliert so unterhaltsam wie die Bieler. Sie haben Lugano während drei Dritteln und in allen drei Zonen dominiert. Sie haben mehr Zweikämpfe gewonnen, mehr Torschüsse und mehr Torchancen herausgespielt – und doch 1:2 verloren.
Biel verliert diese Saison oft so und ähnlich. Daheim und auswärts und ab und zu auch mit einem letzten Treffer ins leere Netz. 1:2 gegen den SCB (a) 4:5 n.P. gegen Servette (a) 3:4 n.V. gegen die Lakers (h) 2:4 gegen Ambri (h) 2:3 n.V gegen Servette (h) 2:4 gegen Davos (h). 3:4 gegen Kloten (a) und nun eben dieses 1:2 gegen Lugano.
Normalerweise ist es nicht so schwierig, die Schuldigen nach einer Niederlage zu benennen. Aber angesichts der Dramatik der Bieler Niederlagen ist selbst der boshafteste Polemiker ratlos. Populär ist es natürlich, dem Trainer die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber das ist selbst mit viel Bösartigkeit nicht möglich. Biels Spiel ist gut strukturiert. Die taktische Disziplin ist hoch und die Passqualität gut.
Jeder ist leidenschaftlich bei der Sache, Schüsse werden geblockt, jeder hilft jedem und auch Taktik und Coaching sind tipptopp. Die Kondition ist auch vorzüglich. Trainer Kevin Schläpfer macht also alles richtig. Der Torhüter ist auch nicht schuld. Immerhin hat Simon Rytz in der 22. Minute beim Stand von 0:1 den Penalty von Ilari Filippula abgewehrt und auch sonst ohne Fehl und Tadel gehalten.
Torschüsse 46 zu 26 für den EHCB
2. Drittel: 27 zu 4 Schüsse für Biel !
Bin noch immer fassungslos
— liveehcb (@liveehcb) 11. November 2014
Biels Problem ist die Torproduktion. Aber eben: Warum? Auch da ist es schwierig, einen Sündenbock zu benennen. Wenn die Stürmer so viele Chancen herausspielen und dann immer und immer wieder an einem starken Torhüter scheitern, dann wird es schwierig, die Ursachenforschung zu personifizieren.
Sportchef Martin Steinegger taugt auch nicht zum Sündenbock. Er hat aus dem Scheitern der Vergangenheit die richtigen Schlüsse gezogen und vier ausländische Stürmer verpflichtet. Die Bieler zerbrachen gegen Lugano an einem überragenden Elvis Merzlikins. Aber sie sind in dieser Saison schon so oft auch gegen andere Goalies vergeblich angerannt.
Diese Niederlagen haben System. Biel wie es spielerisch singt und lacht – und dann doch verliert. Biels Spektakel trug gegen Lugano von allem Anfang an schon den Kern des dramatischen Scheiterns in sich. Je länger die Partie dauerte, desto mehr ahnten, ja wussten alle im Stadion, wie es herauskommen wird. Es war geradezu eine Niederlage à la biennoise mit Ankündigung. Und tatsächlich: Eine Minute und 18 Sekunden vor Schluss kommt das Unheil. Die schwedische Tanzmaus Linus Klasen zwickt die Scheibe unhaltbar zum 1:2 ins Netz.
Vertan die Chance, mit einem Sieg auf Kosten von Servette über den Trennstrich zu klettern. Was ist zu tun? Wie kann Trainer Kevin Schläpfer diese Niederlagen endlich abstellen? Er ist nach dem Spiel nicht böse und nicht aufgebracht. Er ist ratlos. Aus dem charismatischen Bandengeneral ist ein Fatalist geworden. Fatalisten halten die Fügungen des Hockey-Schicksals für unausweichlich und kommen schliesslich zum Schluss, der Wille des Menschen könne doch nichts ausrichten.
«Was soll ich denn sagen? Ich kann keinem einzigen ein Spieler einen Vorwurf machen. Jeder hat alles gegeben. Sie haben sich in die Schüsse geworfen und bis zum Schluss gekämpft.» Er könne doch so nicht die Taktik ändern. Dann hält er inne und sagt: «Dass wir so gut spielen und doch immer wieder verlieren, macht mir Sorgen.» Er ahnt, dieses 1:2 könnte eine weitere Niederlage auf dem Weg in die Abstiegsrunde gewesen sein. Und wenn es dort so weitergeht, warten die Playouts oder gar die Liga-Qualifikation.
Wenn nichts mehr hilft, dann braucht es ein bisschen Hockey-Voodoo, um die Scheibe ins gegnerische Tor zu bringen. Warum nicht mal eine abenteuerliche Lösung? Soeben hat sich Todd Elik wieder in Biel gemeldet. Als Cheftrainer des Erstligisten St.Imier ist er nicht mehr glücklich. Während Biel heldenhaft gegen Lugano 1:2 verlor, kassierte er gegen Forward Morges eine 1:10-Pleite. Der Kanadier ist interessiert am vakanten Assistenten-Posten. Der bisherige Assistent Gerd Zenhäusern ist ja inzwischen Cheftrainer in Fribourg geworden, und Torhütertrainer Marco Streit arbeitet nun auch noch als Assistent.
Vielleicht hilft in Biel tatsächlich nur noch Hockey-Voodoo und wenn einer die Kunst des Voodoo beherrscht, dann wohl doch der alternde Hockey-Rockstar Todd Elik, der einst mit Kevin Schläpfer für den NLB-Kultklub SC Langenthal stürmte. Sie denken, das sei alles Unsinn? Nun, das mag sein. Aber Biels Niederlagen machen alle so ratlos, dass am Ende gar Todd Elik ins Spiel kommt. Aber Kevin Schläpfer sagt resigniert: «Ja, ja, der Toddy ruft mich jeden Tag an. Nein, das bringt nichts. Er kommt nicht nach Biel.»
Dann wendet er sich ab, will in die Kabine zurück, bleibt stehen und zuckt mit der Hand als wäre er ein Goalie. Noch einmal ist ihm der fatale Gegentreffer zum 1:2 durch den Kopf gegangen. Der Puck fuhr auf der Fanghandseite von Simon Rytz ins Netz. «Aber ich kann ihm doch keinen Vorwurf machen. Wir haben ja bloss ein Tor geschossen.»
Vielleicht ist es einfach so, dass Kevin Schläpfer vorübergehend das Glück fehlt, dass er in vergangenen Tagen so oft auf seiner Seite hatte und das es ihm ermöglicht hat, ein «Hockeygott» zu werden. Vielleicht sollte er wirklich mal Todd Elik einladen um auf andere Gedanken zu kommen. Und wenn es nur für eine Beizentour ist.