«Zürcher Hockey-Rockfestival»? Ja, so sollten wir in den Hockey-Geschichtsbüchern die vergangene Woche bezeichnen.
Was am Montag mit der Inthronisierung von Arno Del Curto als Cheftrainer der ZSC Lions beginnt, am Freitag mit der 0:1-Niederlage in Langnau hinten zu einem Drama zu werden droht, mündet am Samstagabend im Hallenstadion mit einem 4:1-Triumph gegen den gleichen Gegner in eine «Hockey-Rocknight».
Der Trainer als Rockstar. In der vergangenen Woche haben wir wieder einmal auf eindrücklichste Art und Weise erlebt, welche Gestaltungskraft ein einzelner Mann selbst in einer hochprofessionellen, bis ins Detail durchorganisierten Hockeyfirma wie jener der ZLE Betriebs AG an der Siewerdtstrasse 105 heute noch hat.
Der Trainer ist also immer schuld? Von Extremfällen abgesehen – wenn etwa die wichtigsten Spieler durch Verletzungen ausfallen – ist das so. Und wird immer so sein.
Die Dominanz von Bern und Zug, die Renaissance der SCL Tigers, die wundersame Rückkehr Ambris, Biels Aufstieg in die Spitzengruppe oder Servettes Rückkehr auf die Hockeylandkarte haben sehr viel mit der Persönlichkeit des Trainers zu tun. Beziehungsweise mit der Fähigkeit des Managements, den richtigen Trainer zu finden.
Nun können wir einwenden, dass eine Hockeyfirma oft nicht nur ein Trainerproblem hat. Das ist richtig. Manchmal hat ein Hockeyunternehmen tatsächlich nicht nur ein Trainerproblem. Sondern auch das Problem, dass das Management unfähig ist, den richtigen Trainer zu finden. Nirgendwo in der Hockeywelt ist diese Unfähigkeit so folgenreich und spektakulär wie beim HC Lugano.
Achtung, jetzt folgt eine Polemik. Ich warne vor Risiken und Nebenwirkungen. Das Weiterlesen erfolgt auf eigenes Risiko.
Welch eine Ironie der Hockey-Geschichte. Der HC Lugano verdankt den Aufstieg zu meisterlichem Ruhm («Grande Lugano») einem grossen Trainer (John Slettvoll). Und Lugano darbt seit dem letzten Titel von 2006, weil es nicht mehr gelungen ist, den richtigen Trainer zu finden.
Seit 2009 führt der ehemalige Verteidiger und Spieleragent Roland Habisreutinger (45) Luganos Sportabteilung. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Arbeit des tüchtigen Sportchefs seine Unfähigkeit in Trainerfragen. Sie hat Kultcharakter.
Okay, es ist nicht einfach, den richtigen Trainer zu finden. Jeder Sportchef kann einem Irrtum erliegen. Wie Langnaus Jörg Reber im Falle von Scott Beattie. Wie ZSC-Sportchef Sven Leuenberger bei der Anstellung des Operetten-Trainers Serge Aubin. Die Kunst ist es, aus Fehlern zu lernen und dann doch den richtigen Trainer zu verpflichten.
Aber wenn wir Roland Habisreutingers Trainer in unserem Kopfkino vorbeiparadieren lassen, dann wissen wir nicht mehr, ob wir lachen (was respektlos wäre) oder weinen (was denn doch übertrieben wäre) sollen.
Es ist eine Parade von Clowns und Gauklern, Zauberlehrlingen und aus der Zeit gefallenen Hexenmeistern, von tüchtigen, aber für einen Hockey-Paradiesgarten unter Palmen gänzlich untauglichen Coaches. Ein Trainer-Fastnachtsumzug.
Nur in einem Falle war Roland Habisreutinger ein Visionär und dafür sollten wir ihm ein Denkmal vor dem Verbandsbüro an der Flughofstrasse 50 zu Glattbrugg errichten: Er hat Patrick Fischer nicht nur eine Chance als Cheftrainer gegeben. Er hat ihn darüber hinaus genau im just richtigen Zeitpunkt gefeuert. Damit er Nationaltrainer werden konnte.
Aber weder Kenta Johansson noch Philippe Bozon, die aus dem Ruhestand gescheuchten John Slettvoll und Larry Huras, schon gar nicht der parteiische Poltergeist Doug Shedden oder der aktuelle Trainer Greg Ireland haben bzw. hatten das Format und das Charisma, um eine grosse Mannschaft über einen längeren Zeitraum erfolgreich zu führen und zu formen.
Dabei hätte Roland Habisreutinger Kari Jalonen haben können. Und die Langnauer können ihr Glück nach wie vor kaum fassen, dass Luganos Sportchef Heinz Ehlers, einer der besten Trainer Europas, dessen Vertrag Ende dieser Saison ausgelaufen wäre, nicht einmal kontaktiert hat.
Dabei hätte Roland Habisreutinger seine Präsidentin Vicky Mantegazza bitten müssen, mit dem Privatjet nach Belp zu fliegen und dort im Flughafenrestaurant mit Heinz Ehlers zu speisen, die Üerti (= die Zeche) zu bezahlen und ihm eine Offerte zu machen, die er einfach nicht hätte ablehnen können. Geld spielt ja in Lugano nur eine Rolle, weil es keine Rolle spielt.
Inzwischen hat Heinz Ehlers in Langnau verlängert. Und natürlich setzt Arno Del Curto seine Trainerkarriere in Zürich und nicht in Lugano fort.
Die Sportchefs sollten persönlich Geld in einen Topf einzahlen und daraus Roland Habisreutinger das Gehalt spendieren. So lange er nämlich in Lugano schaltet und waltet, wird Lugano im Titelkampf ein immer weniger ernstzunehmender Faktor. Und kaum mehr ein Spitzenspieler erliegt der Versuchung, für Geld nach Lugano zu wechseln. Im Gegenteil: wer weiterkommen will, wechselt in die Deutschschweiz. Wie Grégory Hofmann, Luganos bester und wichtigster Einzelspieler. Und wenn es Lugano dann doch einmal gelingt, einen grossen Spieler zu verpflichten, dann verpfuscht der Trainer alles und der Star geht im Krach. Wie zuletzt Damien Brunner und Luca Cunti.
Wir können es noch anders sagen: Die Milliardärin Vicky Mantegazza ist eine grosse Präsidentin. So wie ihr Vater Geo ein grosser Vorsitzender war. Das meine ich nicht ironisch. Da seien die Hockeygötter davor.
Und so ist die grosse Frage in unserem Hockey des 21. Jahrhunderts: Wo wäre Lugano, wenn Vicky Mantegazza sportlich kompetent beraten würde wie einst ihr Vater durch den klugen Fausto Senni?
Ja, wo wäre Lugano mit wie Sven Leuenberger, Martin Steinegger, Paolo Duca, Marco Bayer oder Reto Kläy als Sportchef? Oder gar mit Chris McSorley im Doppelmandat Sportchef/Trainer?