Die alten Bauern wussten: «Novemberkatzen» haben kein langes Leben. Katzen, die im November das Licht der Welt erblickten, waren in der Regel zu schwach, um den Frühling zu erleben.
In gewisser Weise gilt diese Bauernweisheit für viele Spieler, die im November zu den «Operetten-Länderspielen» aufgeboten werden. Nur wenige werden im Frühjahr bei der WM noch dabei sein. Dies gilt beispielsweise für Lino Martschini. Er blieb beim 3:2 gegen die Slowakei ohne Eintrag in der Skorerliste und beendete die Partie mit einer Minus-Bilanz (−1). Auch Marco Miranda, Roger Karrer (ZSC Lions), Fabian Heldner (Davos) und Yannick-Lennart Albrecht sind bei dieser Krefeld-Reise typische «November-Katzen».
Jawohl! 😍 Dario Simion vom @official_EVZ gleicht das Spielgeschehen wieder aus! 💪 SUI 1:1 SVK#MySportsCH #HomeofSports #hoppschwiiz pic.twitter.com/yS9q6cL1V1
— MySportsCH (@MySports_CH) 8. November 2018
Doch hin und wieder gibt es «November-Katzen», die das Frühjahr erleben. Auch im Eishockey. Zugs fleissiger Riese Dario Simion (189 cm / 88 kg) könnte eine werden. Er hat gegen die Slowaken den Ausgleich zum 1:1 erzielt. Sein erstes Länderspieltor. Und am Ende ging er mit einer +1-Bilanz vom Eis. Aber eben: Selbst diese formidable Statistik will im Hinblick auf ein Aufgebot für die WM 2018 in Bratislava wenig heissen. Es ist ja erst November.
Die Frage, ob er sich Chancen für ein WM-Aufgebot ausrechne, scheint ihn zu überraschen. «Das ist doch mein grosses Ziel.» Und dafür mache er alles. Wer dazu in der Lage ist, in Länderspielen Tore zu erzielen, hat bessere «Überlebenschancen». Das sieht der Zuger nicht unbedingt so. Zu einem guten Spiel gehöre mehr. Beispielsweise auch eine gute Defensivarbeit. Ja, in seiner freundlichen Bescheidenheit sagt er sogar: «Das war nicht mein bestes Spiel.» Aber ganz offensichtlich ist er besser als vor einem Jahr. Der Wechsel von Davos nach Zug hat sein Spiel befeuert. Und so ist er einer, der im November gekommen ist, um im Nationalteam zu bleiben.
Seine Steigerung ist erstaunlich. Er hat nach zwölf Spielen in Zug bereits drei Tore erzielt – nur zwei weniger als letzte Saison in 50 Partien in Davos. Und jetzt beim fünften Aufgebot zu «Operetten-Länderspielen» sein erstes Länderspiel-Tor.
Dario Simion ist voll des Lobes über seine vier Jahre oben in den Bergen bei Arno Del Curto. «Ich habe viel gelernt». Und doch ist die Begründung für den Wechsel im Sommer zu Zug wohl eine der Antworten auf die Frage, warum Arno Del Curto und sein HCD grosse Schwierigkeiten haben. «Ich fühlte mich einsam in Davos und wenn es einem nicht gefällt, dann wirkt sich das auch auf das Spiel aus.»
Einsam in Davos? Das sagt einer, der im Maggiatal hinter Locarno aufgewachsen ist? «Die Familie und die Freunde waren weit weg. Der Weg nach Zug ist kürzer als nach Davos und ich habe auch in Zürich viele Kollegen.» Da meint man immer, das Smartphone überwinde alle Distanzen und die Welt sei globalisiert.
Item, sein Aufgebot für den Deutschland Cup ist kein Zufall und nicht einfach dem Umstand geschuldet, dass im November aus politisch-sportlichen Gründen keine Spieler vom HC Lugano und vom SCB aufgeboten worden sind (diese politisch-sportlichen Gründe werden vom Verband dementiert).
Nationaltrainer Patrick Fischer sagt, bei jedem Aufgebot gebe es gewisse langfristige Überlegungen. «Dario Simion erinnert mich ein wenig an Patric Della Rossa.» Der vielseitige kräftige Flügel (187 cm / 92 kg) brachte es einst zwischen 1995 und 2008 auf über 100 Länderspiele, acht WM- und zwei Olympiateilnahmen. Obwohl er im Laufe seiner Karriere in Kloten, bei den ZSC Lions, Zug, Basel, Davos und Olten nie ein charismatischer Star war. Aber er war vielseitig, konnte Powerplay und Boxplay spielen und erfüllte verlässlich seine defensiven Pflichten.
Das Spiel ist aus! Die Schweizer 🇨🇭 feiern den vierten Sieg in Serie gegen die Slowakei 🇸🇰💪🤗 Zum besten Spieler der Schweiz wird @Guarano22 gewählt. Das Endresultat lautet: SUI 3:2 SVK#MySportsCH #HomeofSports #hoppschwiiz pic.twitter.com/KuNdRsJR2R
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Das alles gilt auch für Dario Simion. Wer vielseitig verwendbar ist, für offensive und defensive Rollen, hat gute Chancen, als Ergänzungsspieler erstmals ins WM-Team zu kommen. Erst recht, wenn er gut in die Chemie des Teams passt. Und es schadet Dario Simion sicher nicht, wenn Patrick Fischer sagt: «Ich kenne ihn bereits aus meiner Zeit in Lugano gut.».
Zum Spiel gegen den häufigsten Länderspielgegner dieses Jahrhunderts ist zu sagen: Die Schweizer gewannen gegen die Slowakei verdient. Sie brauchten etwas Zeit, um ihr Spiel zu sortieren. Aber dann stand der Sieg nie mehr in Gefahr und sie waren läuferisch dem Gegner klar überlegen. Und sie traten selbstsicher auf. Wie ein Winnerteam. So wie es sich für einen WM-Finalisten gehört. Auch wenn nur vier WM-Silberhelden dabei waren (Michael Fora, Noah Rod, Lukas Frick und Damien Riat).
Am Samstag treten die Schweizer im zweiten Spiel gegen Deutschland an (13.30 Uhr). Mit Lukas Flüeler im Tor.