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Wer wird heute im United Center im NHL-Draft 2017 als Nummer 1 gezogen? Das ist in diesen Tagen und Stunden die meistgestellte Frage der Eishockeywelt. Und keiner weiss darauf eine Antwort. Oder besser: Jene, die eine Antwort haben, geben sie nicht.
Die Klubgeneräle, die Scouts und die Spieleragenten reden, aber das Geheimnis der Draft-Strategie wird gewahrt. Göran Stubb, der seit mehr als 30 Jahren das Scouting-Büro der NHL in Europa leitet, sagt: «Wer wen drafted, ist das bestbewahrte Geheimnis in der Hockey-Welt. Ich bin schon mit einem Verantwortlichen im Taxi vom Hotel zum Draft gefahren und er hat mir versichert, an einem betreffenden Spieler sicher nicht interessiert zu sein. Er hat genau diesen Spieler gedraftet …»
Wird Nico Hischier (18) als Nummer 1 gezogen? Es ist die Stunde der Experten, der «Kaffeesatz-Leser». Steve Simmons ist einer der einflussreichsten kanadischen Kolumnisten, der keine Polemik scheut. Er hat eine gute Idee. Er setzt sich im offiziellen NHL-Hotel, im Marriott Inn, Magnificent Mile, Downtown Chicago, samt Laptop in die Lobby.
Hier gehen alle ein und aus und die meisten an seinem Tisch vorüber, die in der NHL wichtig sind oder sich für wichtig halten. Auch viele der Draft-Kandidaten, ihre Eltern und Freunde kommen vorbei. Und er schreibt eine Kolumne darüber, was gesagt, gemutmasst, georakelt, gerätselt und gehofft wird. Vorzügliche, allerbeste Unterhaltung.
Die NHL-Manager und die Cheftrainer sind in der Regel an ihren Massanzügen zu erkennen und wenn sie reden an der lauten Stimme. Das typische Charisma sportlichen nordamerikanischer Alphatiere. Die Scouts sind etwas weniger gut gekleidet und diskreter. Die Agenten tragen sehr teures Tuch oder geben sich betont cool wie Nico Hischiers NHL-Agent Allain Roy, der sogar in Shorts auftaucht. Aber auch sie wissen nicht, wer wen auswählen wird.
Gegen 17.00 Uhr muss Steve Simmons seine Story liefern. Und, Steve, hast du eine Antwort erhalten, wer nun die Nummer 1 wird? «Nein. Aber immer mehr sehen Nico Hischier als Nummer 1.»
Unsere Hoffnung lebt. Und das Geheimnis bleibt gewahrt. Es wird erst heute am späten Nachmittag (Schweizer Zeit 01.00 Uhr in der Nacht auf Samstag) im United Center, in der Arena der Chicago Black Hawks vor 20'000 Fans gelüftet.
Was Prognosen dieses Jahr noch schwieriger macht als sonst: Ein Schweizer ist Kandidat für die Nummer 1. Ein Schweizer? Für die hockey-patriotische Kanadier unvorstellbar. Es kann doch nicht sein, dass einer aus der Schweiz mit knapp 15'000 Junioren die Nummer 1 wird. Und nicht einer aus Kanada mit über 400'000 registrierten Nachwuchsspielern. Dass Nico Hischier vor Nolan Patrick «gezogen» wird.
Die Nummer 1 im NHL-Draft ist und bleibt eine grosse Sache für die Nordamerikaner. Und wichtig für das seelische Wohlbefinden der Kanadier. Steve Simmons sagt zwar, das habe vielleicht vor 20 Jahren noch eine Rolle gespielt. Aber heute sei das nicht mehr der Fall. Das sagen, wenn sie gefragt werden, alle Kanadier. Doch die meisten denken eben doch patriotisch. Schliesslich ist Eishockey als Kanadas Nationalsport in der Verfassung verankert. (Das Schwingen in der Schweiz übrigens noch nicht.)
Den Stanley Cup können kanadische Klubs inzwischen nicht mehr gewinnen. Das ist schmerzlich genug. 1993 holten die Montréal Canadiens den Pokal zum letzten Mal. Mit Paul DiPietro im Team, der inzwischen in Zug seinen Hockey-Lebensabend als Scout und Talenttrainer geniesst.
Längst wird Kanadas Nationalsport von US-Dollars und Klubs aus den USA dominiert. Aber wenigstens beim Draft sind die Kanadier nach wie vor dabei. Nur 13 Mal war seit 1963 nicht ein Kanadier die Nummer 1. Zuletzt vor einem Jahr Auston Matthews. Okay, ein Amerikaner. Dass auch schon Schweden (Mats Sundin war 1989 der erste Europäer), Russen oder Tschechen hin und wieder die Nummer 1 sind, das geht. Aber ein Schweizer? Das fühlt sich für einen wahren Kanadier an wie für die Eidgenossen, wenn ein Gastschwinger aus Italien im Schlussgang beim Eidgenössischen steht.
In einem Punkt gibt es daher eine recht grosse Übereinstimmung: Könnte eines der kanadischen Teams zuerst auswählen, Montréal, Ottawa oder Calgary zum Beispiel, dann wären Nico Hischiers Chancen erheblich kleiner.
Ein General Manager einer kanadischen NHL-Organisation, der einen Schweizer statt einen Kanadier, Nico Hischier statt Patrick Nolan, zur Nummer 1 im Draft macht, hätte einigen Erklärungsbedarf. Es geht, allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz, auch um Hockey-Patriotismus.
Aber die New Jersey Devils dürfen als erste auswählen. Ein Klub aus den USA. Da und dort ist der Transfer von Mirco Müller als gutes Zeichen für Nico Hischier gewertet worden. New Jersey hat den Verteidiger in einem Transfer-Tauschgeschäft von den San José Sharks geholt. Damit Nico Hischier in seinem ersten NHL-Team ein bekanntes Gesicht findet und sich zu Hause fühlt? «Das ist vollkommener Unsinn» sagt Müllers Agent Andy Rufener. «Mirco Müllers Trade hat rein gar nichts mit einem möglichen Draft von Nico Hischier zu tun.»
Und doch: Nico Hischier kann die Nummer 1 werden. New Jersey mag in vielerlei Hinsicht eine konservative Organisation sein, aber wenn es um Hockey geht, waren die Amerikaner schon immer weltoffen. Sie holten einst Russen und Deutsche ins Team und galten wegen ihrer Internationalität in den 1990er Jahren als «UNO-Team».
Die Devils sind unpopulär. Sie haben trotz grosser Erfolge (Stanley Cups 1995, 2000 und 2003) keine mit den charismatischen NHL-Organisationen vergleichbare Fan-Basis. Mehr noch als einen weiteren Stanley Cup brauchen sie etwas Magisches. Etwas, was andere NHL-Klubs nicht bieten können.
Warum nicht ein Wunderkind aus der Schweiz?