Eigentlich schade für die Eidgenossenschaft, dass er keine Karriere als Politiker angestrebt hat. Er wäre ein formidabler Bundesrat geworden.
Aber als er CVP-Grossrat im Kanton Freiburg war, pflegte er ab und an mit dem Bentley zur Session zu fahren und unterstützte einen Vorstoss zur Kürzung der Lehrerlöhne. Nach einer Amtsperiode war seine politische Karriere zu Ende. Den Bentley hatte er sich als Extravaganz zum 40. Geburtstag gegönnt und bezeichnet den Kauf heute als «einen meiner grössten Fehler». Aber sein Freund, der berühmte Künstler Jean Tinguely, versessen aufs Mechanische, habe viel Spass an den Ausfahrten mit dem teuren Schlitten gehabt. Die Legende geht, René Fasel habe Jean Tinguely ein Rad vom Bentley geschenkt und der habe es im Schlafzimmer aufgestellt. Übrigens: den Bentley hat er später gegen eine Wohnung eingetauscht. Auch das eine Legende, die er nicht dementiert.
So ist René Fasel (69) nicht Politik, sondern einer der weltweit einflussreichsten Sportfunktionäre geworden. Er gilt als bester Präsident des internationalen Eishockey-Verband (IIHF). Nun weilt er in diesen hohen Amte zum letzten Mal beim Spengler Cup.
Beim IIHF-Kongress in St. Petersburg geht seine Amtszeit am 26. September 2020 offiziell zu Ende. Sie hat im Juni 1994 – er war damals noch Präsident des Schweizerischen Hockey-Verbandes - mit der Wahl in Venedig begonnen.
Keiner hat den Weltverband (IIHF) länger und besser geführt. Unter René Fasel ist die globale Hockeyorganisation von 4 auf 30 Vollzeitstellen und das Budget von weniger als 10 auf über 30 Millionen angewachsen. Durch den soeben unterzeichneten Vertrag mit der Vermarktungsagentur «Infront» ist die finanzielle Stabilität gesichert: der Kontrakt läuft bis 2033 und sichert in diesem Zeitraum Einnahmen von über einer halben Milliarde Franken.
Aber es ist nicht Geld, das die Amtszeit des ehemaligen Schiedsrichters prägt. Es sind seine Bemühungen um die stetige Entwicklung des Eishockeys und um die Gesundheit der Spieler, die dazu geführt haben, dass Eishockey heute im Weltsport so gut verankert ist wie noch nie.
Der gelernte Zahnarzt hat die Position des europäischen Hockeys gegenüber dem Fünf-Milliarden-Business NHL behauptet. Die NHL, die wichtigste Liga der Welt, ist nicht Mitglied eines Landesverbandes (wie unsere National League dem Verband unterstellt ist) und tut und lässt, was sie will.
René Fasel ist es gelungen, die NHL ins Olympische Turnier zu integrieren (1998, 2002, 2006, 2010, 2014). Erst für 2018 war die Einigung nicht mehr möglich. «Mein Ziel ist es, dass die NHL für Peking 2022 zurückkehr» sagt René Fasel. «Damit die NHL-Profi auch bei den Qualifikationsspielen dabei sein können, möchten wir gerne eine Einigung vor dem Start der Qualifikation im September.» Es ist seine letzte grosse diplomatische Mission.
Rückblickend sieht er die Integration der NHL in den olympischen Spielbetrieb, die Durchsetzung von «Null Toleranz» gemeinsam mit der NHL und die gemeinsame Olympiamannschaft von Nord- und Südkorea 2018 als prägende Ereignisse. «Für diese vereinigte koreanische Mannschaft haben wir vier Jahre lang gearbeitet. Es war ein unglaublich komplexes und spannendes Projekt.» Und wohl nur ein Schweizer, geübt in der Kunst der Kompromisse und Umwege auf dem Weg zu einem grossen Ziel, konnte es verwirklichen.
«Null Toleranz», die strikte Auslegung der Regeln zum Schutze der technisch versierten Spieler und die Aufhebung der roten Mittellinie (Zweilinien-Pass) hat aus dem rustikalischen Spiel den dynamischsten Mannschaftsport der Welt gemacht. René Fasel sagt, die konservativen Kräfte von der Aufhebung der roten Linie zu überzeugen, habe vier Jahre gedauert.
Seine letzte technische Mission ist die Verkleinerung der Eisfelder auf NHL-Masse – also auf die um rund ein Drittel schmäleren Spielfelder. «Das Spiel ist so einfach viel besser. Es wird direkter aufs Tor gespielt.» Ab 2022 sollen die WM-Turniere bereits auf den kleineren Eisflächen gespielt werden. Finnland, der Ausrichter der WM 2022 wehre sich noch ein wenig dagegen, doch ab 2023 sei die Sache klar.
Die Frage ist natürlich: was folgt nach dem Ende der Amtszeit? René Fasel sagt, er werde sich nicht in den Ruhestand begeben. Seine Nähe zu Russland, seine Freundschaft zu Wladimir Putin haben ihm schon viel Kritik eingetragen. Aber noch mehr Türen geöffnet. Wird er also nun Präsident der russischen KHL? Oder Berater von Wladimir Putin? Sozusagen der Gerhard Schröder des Hockeys?
Solche Fragen bringen den «Hockey-Napoléon» zum Schmunzeln. Er sagt: «Es gibt viele interessante Anfragen. Kürzlich hat mir der chinesische Sportminister gesagt, ich wolle doch beim Aufbau des chinesischen Hockeys helfen. Die Russen seien ja so gut, dass sie meine Hilfe nicht benötigen.»
Aber es wird so sein, dass René Fasel dem russischen Hockey verbunden bleiben wird. Und dem Spengler Cup.
HCD-Präsident Gaudenz Domenig sagte kürzlich, er möchte René Fasel als Botschafter für den Spengler Cup gewinnen. «Das muss er eigentlich gar nicht» sagt der charmante Hockeydiplomat aus Fribourg. «Ich unterstütze das Turnier doch jetzt schon, wo ich kann. Es gibt in der Schweiz keine bessere Werbung fürs Eishockey als der Spengler Cup. Es sind so viele zum Eishockey gekommen, weil sie schon als Kinder im Fernsehen den Spengler Cup gesehen haben. Das gilt auch für mich.»
Wir können es salopp auch so sagen: Sein Ruhestand wird sozusagen ein neues Hockey-Leben zwischen Wladimir Putin und dem Spengler Cup sein.
Wenn der Horizont zwar über die Bande reicht, jedoch nicht über Tribünen - geschweige denn - über Grenzen.