Eigentlich sollten wir nicht zwei Spiele miteinander vergleichen und aus diesem Vergleich Schlussfolgerungen ziehen.
Eigentlich. Aber in diesem Falle dürfen wir es. Weil Zug am Freitag und am Samstag gegen zwei Gegner antritt, die fast gleich spielen. Beide begegnen Zug mutig auf Augenhöhe. Wohl wissend, dass die talentierteren, schnelleren Zuger nur mit furchtloser «Vorwärts-Strategie», mit bissigem Forechecking und couragiertem Zweikampfverhalten aus dem Gleichgewicht zu bringen sind.
Die Statistik bestätigt die verblüffende Ähnlichkeit: In Langnau wird Zug mit 32:20 Torschüssen dominiert und verliert 3:5. Am Samstag müssen sich die Zuger 24 Stunden später erneut und nun auf eigenem Eis statistisch dominieren lassen (21:30 Torschüsse). Sie haben alle Hände, Stöcke und Füsse voll zu tun, um sich einem hartnäckigen Gegner zu erwahren. Sie gewinnen nach Penaltys 3:2.
Trainer Dan Tangnes ist sichtlich erleichtert. Die Differenz sieht er in einer Steigerung im Spiel mit dem Puck: «Wir haben weniger Pucks verloren.» Und in einer Reduktion der Anzahl Fehler.
Er hat sicherlich recht. Hockey ist ein Mannschaftssport. Aber wir können es polemisch auch auf einen einzigen Faktor herunterbrechen. Auf Torhüter Leonardo Genoni. Er «stiehlt» für die Zuger den Sieg.
Die Partie gegen das leidenschaftliche und noch punktelose Lugano beginnt nämlich so, wie das Spiel 24 Stunden zuvor in Langnau aufgehört hat. Mit defensiven Denkpausen.
Auf einmal stürmt Dario Bürgler allein auf und davon. Ihn holt niemand mehr ein. Er bezwingt Leonardo Genoni eiskalt bereits in der 7. Minute zum 0:1.
Zug taumelt schon wieder. Ausgerechnet Reto Suri, letzte Saison noch einer der Leitwölfe der Zuger, entwischt noch vor Ablauf der ersten Viertelstunde und fährt allein auf und davon. Wenn er zum 0:2 trifft, dann werden die Zuger gedebakelt.
Aber Leonardo Genoni lenkt die Scheibe mit schnellem Schoner-Reflex ab. Es ist die Parade, die alles ändert. Einer dieser Augenblicke, in denen ein Spiel und vielleicht sogar eine Saison, manchmal sogar Karrieren in eine andere Richtung gelenkt werden.
Eine weitere Niederlage hätte womöglich eine Negativ-Dynamik ausgelöst, die schon Titelverteidigern (2014 den SCB, 2019 die ZSC Lions) die Playoffs gekostet hat. Die Zuger waren nur noch Sekunden vom Beginn eines Krisenspektakels entfernt. Eine Heimniederlage gegen das inzwischen bescheidene Lugano. Gegen ein noch punkteloses Lugano. Gegen ein Lugano, das seine Reihen inzwischen auch mit Spielern «auffüllt», die nicht mehr in die grossen Pläne der Zuger gepasst haben (unter anderem Dominic Lammer, Reto Suri, Dario Bürgler) – das hätte das Selbstvertrauen nachhaltig erschüttert.
Aber das 0:2 fällt nicht. Es ist Leonardo Genonis bisher wichtigste Parade für seinen neuen Arbeitgeber. Es ist das, was die Nordamerikaner «Big Save» nennen. Keine Krise. Aufatmen. Durchatmen.
Leonardo Genoni muss ob dieser dramatischen Einschätzung ein wenig lächeln. «Wir stecken doch nicht in einer Krise. Meine bisher wichtigste Parade? Nein, ich glaube, die hebe ich mir für später auf.»
Er war in Langnau nach der Niederlage ruhig und gelassen, und er ist es jetzt auch nach dem Sieg. Der Zürcher strahlt diese unerschütterliche Ruhe und Zuversicht aus, die eigentlich zur typischen Berner Art gehört. Er habe in der Nacht vom Freitag auf den Samstag gut geschlafen. Er schlafe immer gut.
Aber kehren wir zurück zum Spiel. Zur «Auferstehung» von Leonardo Genoni. Zug gleicht aus, gerät noch einmal 1:2 in Rückstand – aber dann wird der «Lotter-Leo» aus dem Spiel gegen Langnau (86,67 Prozent Fangquote) wieder zum Titanen Leonardo Genoni.
Zugs letzter Mann lässt sich nicht mehr überwinden, wehrt zum ersten Mal in dieser Meisterschaft mehr als 90 Prozent der Schüsse ab (exakt 93,75 Prozent) und verhindert in der Schlussphase und in der Verlängerung in Unterzahl mit mehreren weiteren «Big Saves» Luganos Siegestreffer.
Im Penaltyschiessen lässt er sich weder von Dario Bürgler, Linus Klasen, Romain Loeffel, Luca Fazzini, noch von Sandro Zangger bezwingen. Zugs Sven Senteler trifft als einziger – die Zuger gewinnen die Penalty-Entscheidung 1:0 und damit die Partie 3:2.
Zum ersten Mal wird Leonardo Genoni nach dem Spiel von den Fans mit Sprechchören gefeiert. Er ist in Zug angekommen. Gut für die Zuger. Denn sie sind nach wie vor weit von ihrer defensiven Bestform entfernt.
Sie werden den Titanen Leonardo Genoni auch in den nächsten Partien dringend brauchen.
Langsam sehr ermüdend und langweilig.