Beginnen wir mit nüchternen Zahlen. Damit nicht der Eindruck der unsachgemässen Stimmungsmache aufkommt. So viele Tore pro Spiel haben die ausländischen Spieler bisher erzielt. Die Rangliste behält ihre Aussagekraft auch dann, wenn sich ein Rechenfehler eingeschlichen haben sollte.
SCB-Manager Marc Lüthi hat im Sommer und im Herbst immer wieder verkündet, der SCB könne sich keinen dritten oder vierten ausländischen Feldspieler leisten. Inzwischen ist diese Sparübung nicht mehr sinnvoll: Erstens gibt es mehr wirtschaftliche Planungssicherheit als im Herbst. Der SCB wird im Januar aus dem Topf der nicht rückzahlungspflichtigen Bundesbeiträge rund 5 Millionen erhalten.
Bereits zwei Drittel der Saisonkarteninhaberinnen und -inhaber haben den vollständigen Verzicht auf Rückzahlung des Geldes erklärt. Vollends absurd ist Marc Lüthis Sparprogramm seit dem Trainerwechsel. Geld für ausländisches Personal gibt es keines. Aber zwei Tage nach Ablauf der Rückforderungsfrist für Saisonabis ist am 2. Dezember mit Don Nachbaur der Trainer mit Vertrag bis Ende der nächsten Saison gegangen. Geld für einen Trainerwechsel gibt es beim SCB. Geld für eine vernünftige Ausländerpolitik nicht.
Die beiden ersten Partien unter dem neuen Trainer Mario Kogler gegen Zug haben aufgezeigt, wie sehr das sportliche Missmanagement beim SC Bern an die Substanz der ganzen Mannschaft geht. Mit zwei Toren haben die Berner zwei Punkte geholt. Auswärts haben sie nach Verlängerung 2:1 gewonnen und 24 Stunden später auf eigenem Eis 1:4 verloren. Durch mutige, tapfere Gegenwehr haben sie die Ehre gerettet.
Die ersten zwei Spiele unter neuer Führung haben noch keine nennenswerten taktischen und spielerischen Verbesserungen gebracht. Das ist in so kurzer Zeit auch nicht möglich. Aber die Emotionen, die Leidenschaft, der Wille, der Mut, der Biss – alles Eigenschaften, die seit jeher die DNA dieses Klubs prägen – sind zurück. Die Leistungsbereitschaft, die Arbeitseinstellung, der Stolz, die Identifikation der Spieler mit dem Klub – all das ist tipptopp.
Mit nur einem zusätzlichen treffsicheren ausländischen Spieler hätte der SCB wahrscheinlich gegen Zug zweimal nach 60 Minuten gewonnen und würde in der Tabelle in der oberen Hälfte stehen. Gutes ausländisches Personal ist gerade in einer Mannschaft wichtig, in der junge Spieler weiterentwickelt werden sollen.
Letzte Saison beschäftigte der SC Bern mit Kari Jalonen, Mikko Haapakoski, Samuel Tilkanen, Jukka Varanen und Petri Tuononen im Trainerstab nicht weniger als fünf Finnen. Petri Tuononen ist auch diese Saison noch dabei. Zudem kennt der SCB die Natel-Nummer des einflussreichen finnischen Spieleragenten Juno Sintonen. Aber in Bern merkte niemand, dass mit Julius Nättinen der abschlussgefährlichste Stürmer der finnischen Liga und NHL-Zweitrunden-Draft einen Platz in der Schweiz für seine Weiterentwicklung Richtung NHL suchte. Ambris Sportchef Paolo Duca wusste es.
Und so stürmt Julius Nättinen diese Saison eben für Ambri. Er kostet 40 Prozent weniger als Berns Fehleinkauf Dustin Jeffrey (14 Spiele / 3 Tore) und 30 Prozent weniger als Ted Brithén (13 Spiele / 4 Tore). Aber er führt die Torschützenliste der Liga mit 14 Toren aus 11 Partien an.
Ohne jede Boshaftigkeit dürfen wir sagen: mit Julius Nättinen wäre der SCB nicht in die schwerste sportliche Krise seit dem Wiederaufstieg geraten. Dass er in Ambri und nicht in Bern spielt, zeigt einmal mehr, in welch besorgniserregendem Zustand sich die sportliche SCB-Abteilung und das SCB-Scouting befinden. Statt Julius Nättinen holten die Berner Dustin Jeffrey, den Lausanne aus gutem Grund nicht mehr wollte: viel Talent, spektakulärer Stil, aber keine Leaderqualitäten.
Der Verzicht auf einen dritten ausländischen Feldspieler wirkt inzwischen wie ein Verrat an einer Mannschaft, der schon Trainer Don Nachbaur zugemutet worden ist und die nun unter Mario Kogler zeigt, dass sie nichts vom typischen SCB-Leistungswillen verloren hat. Diese seltsame Ausländer-Politik ist auch ein Verrat am SCB. An einer Organisation, die für Erstklassigkeit, für Exzellenz steht. Marc Lüthis Sparprogramm, das dem SCB erst einen Billig-Trainer bescherte, über dessen Anstellung ganz Hockey-Europa lachte, und inzwischen die Mannschaft schwächt, entpuppt sich mehr und mehr als die dümmste Sparaktion der SCB-Geschichte.
Marc Lüthi verweigert auch zur Ausländer-Problematik jede Aussage. Die Frage geht deshalb an Mark Streit. Er ist SCB-Mitbesitzer, SCB-Verwaltungsrat, Mitglied der Geschäftsleitung und der Sportkommission. Nominell ist er beim SCB der zweitmächtigste Mann und der einzige in diesem Unternehmen, der Marc Lüthi auf Augenhöhe entgegentreten kann. Und nun spürt er als Berater von Mario Kogler den Puls der Mannschaft. Wird er das Thema «Ausländer» bei der nächsten Geschäftsleitungs-Sitzung zur Sprache bringen? Er sagt: «Nein.»
Wenn nicht einmal mehr Mark Streit es wagt, Marc Lüthi in sportlichen Dingen zu widersprechen, dann stellt sich eine ungeheuerliche, eigentlich undenkbare Frage, die wir hier nur hinter vorgehaltener Hand und im Flüsterton anzudeuten wagen: Mutiert Marc Lüthi, der in der Neuzeit für den SCB mehr geleistet hat als jede andere Einzelperson, der den SCB zum besten Sportunternehmen der Schweiz gemacht hat, nach 22 Jahren Alleinherrschaft von einer charismatischen Lichtgestalt zum SCB-Problem?