Heiliger Bimbam in der Altjahreswoche. Mit zwei «Todsünden» hat sich der HC Davos ohne Not in die erste Krise der Saison manövriert.
Die erste ist noch nicht ganz so schlimm und korrigierbar: Sportdirektor Raeto Raffainer und sein Trainer Christian Wohlwend pokern. Sie lassen das Spiel gegen Team Canada fahren (1:5) um Kräfte für das Viertelfinale am nächsten Tag zu schonen. Sie tun es allerdings zu offensichtlich, lassen acht der besten Spieler auf der Tribüne und spielen eigentlich bloss mit zwei Linien.
Die «Operation Kräftesparen» wäre auch ein wenig diskreter gegangen. Die Sache ist vor allem politisch heikel: Der Spengler Cup leidet seit Jahren ein wenig unter dem Schwefelgeruch, halt nur ein «Grümpelturnier» zu sein. Und nun liefert ausgerechnet der HCD als Organisator mit einem verschenkten Sieg den Kritikern eine Bestätigung und löst eine heftige Kontroverse aus.
Es wäre möglich gewesen, den Schaden schon am nächsten Tag zu beheben. Alles wäre wieder gut, wenn es gelungen wäre, nun das Viertelfinale gegen Turku zu gewinnen.
Und wenig, sehr wenig fehlte. Ausgerechnet Langnaus Harri Pesonen, einer der am Vortag geschonten Stars, vergibt eine riesige Chance zum wahrscheinlich bereits entscheidenden 2:1. Ein Sieg wäre der Befreiungsschlag gewesen: cooles Pokerspiel Jungs! Geili Sieche! Wir gratulieren zum Halbfinale!
Aber die Partie endet trotz einer 1:0-Führung 1:3. Der HCD scheitert mit drei Niederlagen zum ersten Mal seit Einführung des neuen Formates (2010) kläglich schon im Viertelfinale.
Auch das wäre noch nicht ganz so schlimm gewesen. Sportdirektor Raeto Raffainer steht hin, sucht nicht nach Ausreden. Er sagt, die Rechnung sei nicht aufgegangen, dafür stehe er gerade und das müsse nun intern besprochen werden. Der Mann hat Format.
Aber dann folgt die zweite, die echte, nicht mehr korrigierbare «Todsünde». Es ist wahr: der HCD spielte an diesem Turnier ohne Fortune (Glück) und – im Vergleich zu Ambri – ohne Fans.
Seit Jahren wird der HCD beim Spengler Cup von den eigenen Hardcore-Fans weitgehend boykottiert und es gibt eben nicht genug andere, die dann für Stimmung in der Hockey-Kathedrale sorgen.
Im Vergleich zu den Ambri-Festspielen waren die HCD-Partien eher Andachten in der Hockey-Kathedrale. Brav wird applaudiert. Aber Hühnerhaut? Energie, die von den Tribünen in die Spieler fliesst? Keine Spur.
Trainer Christian Wohlwend analysiert im Kabinengang das Scheitern. Er rückt die fehlende offensive Feuerkraft in den Vordergrund und kommt zur naheliegenden Erkenntnis, dass es fast unmöglich sei, mit nur einem Tor zu gewinnen.
Er wird nicht einmal explizit die fehlende stimmliche Unterstützung im Stadion angesprochen, als die Pferde mit ihm durchgehen. Eine Frage wird freundlich mit der Bemerkung eingeleitet, das Ausscheiden sei eine Enttäuschung, auch für die Fans. Da blickt der temperamentvolle Engadiner in die Runde und fragt mit blitzenden Augen hitzig: «Fans? Habt ihr miterlebt, wie Ambri von seinen Fans unterstützt worden ist?» Und beklagt sich wortreich und unmissverständlich über die fehlende Unterstützung durch das HCD-Fussvolk.
Er bricht ein ehernes Gesetz des Sportes: Lege dich niemals mit den eigenen Fans an! Niemals! Unter keinen Umständen! Nicht heute! Nicht morgen! Nicht übermorgen! Nicht am jüngsten Tag! Der HCD-Trainer hat eine «Todsünde» begangen. Spengler Cup 2019 ist, wenn beim HCD alles, wirklich alles schief geht.
Und so manövriert sich der HCD ohne Not in die erste Krise der Saison, in die erste Krise unter der neuen Führung. Noch gibt es auf den ersten Blick keinen Grund zur Sorge. Der HCD hat nur drei Punkte Rückstand auf die Tabellenspitze und zwölf Punkte Reserve auf den «Strich».
Aber auf den zweiten Blick erkennen wir: Der neue HCD steht vor der ersten Bewährungsprobe. Bisher ist dem Sportdirektor und dem Trainer – beide in ihren Ämtern noch Zauberlehrlinge – alles gelungen. Sie haben aus dem «Playoutisten» der vergangenen Saison ein Spitzenteam gemacht. Nun sind sie zum ersten Mal sportlich hochkant gescheitert und schon verliert der Trainer die Contenance und klagt die eigenen Fans an. Und das erst noch einen Tag nachdem diese Fans durch ein Pokerspiel um die Partie gegen Kanada (1:5) «betrogen» worden sind.
Eigentlich hätte Christian Wohlwend nach dem Ausscheiden gegen Turku das Mikrofon verlangen müssen und sich für das zahlreiche Erscheinen bedanken und für das Spiel vom Vorabend entschuldigen sollen.
Die spannenden Fragen für den Rest der Saison: Ist das Scheitern auf der ganzen Linie beim Spengler Cup nur ein «Betriebsunfall»? Ist der HCD tatsächlich ein Spitzenteam? Oder ist der HCD weit über seinem wahren spielerischen Sozialprodukt klassiert? Vor allem aber: Können Raeto Raffainer und Christian Wohlwend auch Krise?
P.S.: Ob der ganzen Polemik rund um die Niederlage gegen Team Canada und dem schmählichen Scheitern im Viertelfinale wird ein Detail übersehen: Der HCD hat für den Rest der Saison nur noch einen Torhüter. Mit dem Einsatz im verloren gegebenen Spiel gegen Kanada ist Joren van Pottelberghe «verraten» und zur Nummer 2 degradiert worden. Denn gegen Turku, als es um alles ging, da stand am nächsten Tag Sandro Aeschlimann im Tor. Nicht auszuschliessen, dass er HCD auf einmal noch ein Goalieproblem bekommt.
Wieso eigentlich ?