Die Titanen schärfen ihre Form bereits in der Champions League. Aber entscheidend für die Qualität der Meisterschaft wird sein, ob die Aussenseiter mithalten können. Ein reizvolle Testpartie zwischen den sportlich Armseligen aus Rapperswil-Jona und Ambri-Piotta war am Samstag schon mal vielversprechend. Immerhin eilten 1297 Männer, Frauen und Kinder herbei. Fast so viele wie beim fast zeitgleich vorgetragenen Fussballspektakel Rapperswil gegen Aarau (1320).
Die Lakers sind aufgestiegen. Ambri ist der Relegation erst im Playout gegen Kloten entkommen. Das Resultat (Ambri siegte 3:0) sagt wenig über die Verfassung der beiden Teams aus. Interessanter sind Stil und Spielphilosophie der beiden abgesehen von Langnau nominell schwächsten Teams der Liga.
Underdogs haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, fehlendes Talent zu kompensieren. Entweder indem sie den Gegner daran hindern, das überlegene Potenzial zu entfalten (durch Härte, Provokationen und destruktives Defensivspiel). Oder indem sie versuchen, den Gegenspielern und der eigenen spielerischen Mangelwirtschaft davonzulaufen.
Die zweite Variante, die des Davonlaufens, ist natürlich im Sinne des Spektakels und im Gesamtinteresse der Liga. Und so wie die Armen gelernt haben, ohne Musik zu tanzen, so bemühen sich die Lakers und Ambri um ein spektakuläres Offensivhockey ohne dazu das erforderliche Talent zu haben. Sie tanzen in der Offensive ohne die Musik des Talentes. Im Stil mahnen sie mehr an Davos als an Langnau.
Beide Coaches waren bisher mit dieser Ausrichtung erfolgreich. Jeff Tomlison hat den Lakers in seinem dritten Amtsjahr eine Grand Slam-Saison beschert (Qualifikationssieg, Meistertitel, Sieg in der Liga-Qualifikation, Cup-Sieg). Die Lakers sind der Zweitklassigkeit und im Cup sogar Lugano, Zug und Davos davongelaufen.
Der Aufsteiger hat seinen Stil nicht geändert. Die Partie gegen Ambri war ein aufschlussreicher Tauglichkeitstest: erstens hat Ambri auch nicht viel mehr Talent, zweitens pflegt Ambri den gleichen Stil und drittens hat Ambri das Tempo der höchsten Spielklasse bereits in den Beinen.
Die kommenden Schwierigkeiten sind bei beiden Teams gut zu erkennen. Beide sind bei der offensiven Ausrichtung ganz besonders auf starke Torhüter angewiesen. Daniel Manzato oder Benjamin Conz? Diese Frage wird für Cheftrainer Luca Cereda nicht einfach zu beantworten sein. Daniel Manzato, der schon fast vergessene Held des goldenen Jahrganges 1984 (Tobias Stephan, Thomas Bäumle, Michael Flückiger) präsentiert sich in erstaunlicher «Frühform». Immerhin: Ambri hat zwei fast gleichwertige Torhüter. Die Erfahrung lehrt uns, dass ein Aussenseiter eigentlich zwei Goalies braucht.
Ob Aufstiegsheld Melvin Nyffeler in der höchsten Spielklasse das Spektakel vor seinem Kasten so zu dominieren vermag wie zuletzt in der Swiss League? Das wird die Existenzfrage der Lakers. Anders als Ambri haben sie mit Zugs Noël Bader keine valable Nummer 2. Melvin Nyffeler wird einzelne Siege «stehlen». Die Frage ist eher, ob er die Energie hat, um während der ganzen Saison konstant sein bestes Hockey spielen zu können.
Ambris Spiel ist präziser, die Fehlerquote im Passspiel tiefer und wenn der Fünferblock im Puckbesitz ausfächert ist das Timing besser. Der Hang zum offensiven Übermut ist bei den Lakers nicht zu übersehen und öffnet dem Gegner noch zu viel Raum für rasche Konter. Andererseits sind die Lakers mit ihrem Pressing dazu in der Lage, in jeder Verteidigung Unruhe und Unordnung zu provozieren.
Der amerikanische Verteidiger Matt Gilroy (34) Ist gut genug um ein Verteidigungsminister mit mehr als 20 Minuten Eiszeit pro Partie zu sein. Die bange Frage ist hingegen, ob der altgediente Haudegen Timo Helbling (37) die hohen Erwartungen zu erfüllen und den zweiten Block zu stabilisieren vermag. Bis heute war er bei gut dotieren Teams mehr charismatischer, bisweilen hitzköpfiger Rollenspieler als Leitwolf (Lugano, Gottéron, Bern, Zug). Nun bekommt er im Herbst seiner Karriere zum ersten Mal eine zentrale Rolle in einer Abwehr. Die Herausforderung scheint ihn zu stimulieren.
Die vielleicht entscheidende Differenz zwischen Ambri und den Lakers: Ambri hat die besseren Vollstrecker, gerade auf der Ausländerposition. War es klug, die beiden Aufstiegsausländer Jared Aulin (36) und Dion Knelsen (29) zu behalten? Zumindest im Falle von Jared Aulin wird diese Frage schon bald heiss diskutiert werden: er ist der älteste Ausländer der Liga und mag ein exzellenter Spielmacher sein. Aber nach drei Jahren in der zweithöchsten Liga wird er an seine Tempo- und sonstigen Limiten stossen. Er hat letzte Saison in der Qualifikation nur 11 Treffer erzielt. Die Lakers werden scheitern, wenn einer ihrer drei ausländischen Stürmer bloss 11 Tore erzielt.
Ambris ausländisches Personal ist besser. Dominik Kubalik, Matt D’Agostini und Bryan Lerg (im Spiel gegen die Lakers noch geschont) dürften zusammen zwischen 45 und 60 Tore produzieren – 20 bis 25 mehr als das offensive Ausländertrio der Lakers (Jared Aulin, Dion Knelsen, Casey Wellman).
Ambri wirkt vor der zweiten Saison unter Luca Cereda stabiler, schneller, präziser als der Aufsteiger. Gut genug, um mit dem Beistand der Hockeygötter sogar den Playouts zu entgehen. Ambri also in der kommenden Qualifikation vor den Lakers? Wahrscheinlich schon.
Die Lakers sind noch stärker als Ambri auf ein funktionierendes System, auf die taktische und sonstige Disziplin jedes einzelnen, auf Mut und Selbstvertrauen angewiesen. Sonst können sie ihren Mängeln und Gegnern nicht davonlaufen. Damit zeichnet sich bereits ab, dass sie beim Saisonauftakt zur Sache gehen müssen wie im letzten Frühjahr im 7. Spiel der Liga-Qualifikation gegen Kloten. Sie treten in Langnau an. Verlieren sie dort, so beginnen sie die Saison mit einer vermeidbaren Niederlage auf dem letzten Platz. Siegen sie, dann erschüttern sie einen Gegner, der, wenn er ins Wanken gerät, in der Tabelle in Reichweite liegt.
Sage mir, ob die Lakers das erste Spiel in Langnau gewinnen und ich sage Dir, wie weit sie in der Qualifikation kommen und ob sie ohne Musik tanzen werden.