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HC Davos – wenn der König bleibt, aber der Herzog und Cinderella gehen

Sportchef Raeto Raffainer posiert im Sommertraining beim HC Davos, aufgenommen am Donnerstag, 18. Juni 2020, in Davos. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Sieht aus wie der nächste Bachelor, ist aber HCD-Sportchef: Raeto Raffainer.Bild: keystone
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HC Davos – wenn der König bleibt, aber der Herzog und Cinderella gehen

HCD-Sportdirektor Raeto Raffainer rechnet nicht mehr mit Fabrice Herzog. Aber mit Trainer Christian Wohlwend wird er verlängern.
19.12.2020, 13:4819.12.2020, 15:14
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Die Bezeichnung kommt aus dem lateinischen: Aus «Dux» (= Anführer) ist im Lauf der Geschichte in unserer Sprache «Herzog» geworden. Was durchaus zu Fabrice Herzog passt. Der Powerstürmer ist mit 4 Toren und 5 Assists aus nur 8 Spielen der Anführer der HCD-Offensive. Das Festgewand des Topskorers trägt Andres Ambühl (10 Tore/8 Assists). Aber er hat doppelt so viele Partien (16) gespielt.

HCD-Sportdirektor Raeto Raffainer rechnet nicht mehr mit Fabrice Herzog. Nicht etwa, weil er ihn nicht behalten möchte. Sondern ganz einfach, weil er ihn nicht mehr bezahlen kann. Wer Fabrice Herzog nächste Saison in seiner Mannschaft haben will, muss ihn mit mindestens 400 000 Franken löhnen. Das kann sich der HCD nicht mehr leisten. Einmal mehr bekräftigt der Sportchef: «Wir müssen 1,2 Millionen sparen.» Fabrice Herzog würde ihn also ungefähr gleich viel kosten wie die beiden Neuerwerbungen Valentin Nussbaumer (kommt von Biel) und Axel Simic (von den ZSC Lions). Der rührige HCD-Sportchef sagt, habe noch keine definitive Absage von Herzog. Aber wer mutmasse, Fabrice Herzog werde nächste Saison für Zug stürmen, sei wahrscheinlich gut informiert.

Tigers Goalie Ivars Punnenovs, unten, geschlagen zum 0:5 von Davos' Fabrice Herzog, links, waehrend dem Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SCL Tigers und dem HC Davos, am Freita ...
Fabrice Herzog bezwingt Tigers-Goalie Punnenovs zum 0:5.Bild: keystone

Das sind eigentlich nicht so gute Neuigkeiten für den Trainer. Denn Christian Wohlwend hätte Fabrice Herzog sicherlich auch nächste Saison gerne in seinem Team gehabt. So denn sein Trainervertrag verlängert wird. Aber im kostenbedingten Verzicht auf Herzog liegt der Schlüssel zu seinem Glück: Weil Davos 1,2 Millionen sparen muss, wird Christian Wohlwend Trainer bleiben. Der Herzog geht also, der König (der Kabine) aber bleibt. Ein ausländischer Trainer würde den HCD mindestens doppelt so viel kosten: ausländisches Personal wird netto bezahlt. Die Lohnkosten für den Klub sind mehr als doppelt so hoch wie das Netto-Salär.

Einen «Billig-Trainer» wie der SC Bern kann sich der HCD als Sportunternehmen nicht leisten. Denn der Sport ist die Hauptsache und nicht bloss ein Nebenzweig der Gastronomie, der auch von ein paar Casseroliers (= Tellerwäscher) an der Bande geführt werden kann. Die jungen Spieler werden in Davos ausgebildet, gefördert und gefordert. Dazu sind nur fähige Trainer in der Lage. Einen anderen Schweizer Trainer als Christian Wohlwend gibt es nicht, der den hohen Ansprüchen in Davos gerecht wird. Also wird sein Vertrag verlängert.

Mit 1,11 Punkten pro Spiel liegt der HCD in der bereinigten Tabelle auf dem 8. Platz. Ein klarer sportlicher Rückschritt. Letzte Saison hatte Christian Wohlwend in seinem ersten Jahr als Trainer einer Profi-Mannschaft den Qualifikationssieg erst im letzten Spiel verpasst. Was hat sich verändert?

  1. Wenn eine Mannschaft eine grandiose Saison nicht zu wiederholen vermag, sagen die Nordamerikaner: «Cinderella has left the Building». Will heissen: mit der Märchenfigur hat auch das Glück den Klub verlassen. Die HCD-Auferstehung» der letzten Saison, der Aufstieg vom Tabellenkeller (Playouts gegen die Lakers!) in die Spitzengruppe der Liga war in der Tat eine «Cinderella-Story.» Alles passte.
  2. Ohne den Beistand von Cinderella ist der HCD eine gewöhnliche Mannschaft mit gewöhnlichen Goalies, aber einem ungewöhnlichen, spektakulären Stil: intensives, schnelles Lauf- und Energiehockey. Modernes Hockey. Das Tempo war zuletzt beim 5:0 in Langnau so hoch, dass das Spiel selbst an Langnaus Marcus Nilsson vorbeibrauste und dem Topskorer der letzten schwedischen Meisterschaft schwindlig wurde.

Aber weil die eigene Zone ein wenig zum Pausenplatz geworden ist («Pausenplatz-Hockey») fallen viel zu viele Gegentreffer: gegen Langnau gelang zwar das erste «zu null» der Saison. Aber Ambri hatte gegen den HCD in zwei Spielen 12 Tore erzielt. Der HCD hat die löchrigste Abwehr der laufenden Saison: 61 Gegentore oder 3,8 pro Partie. Letzte Saison lag dieser Wert bei 2,8.

Davos' Cheftrainer Christian Wohlwend waehrend dem Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SCL Tigers und dem HC Davos, am Freitag, 18. Dezember 2020, im Ilfisstadion in Langnau. (KE ...
Hat das Vertrauen des Sportchefs: HCD-Trainer Christian Wohlwend.Bild: keystone

In der Offensive führt «Pausenplatz-Hockey» zu Spektakel, in der eigenen zu Debakel. Nun obliegt es Christian Wohlwend wieder für eine bessere Balance zwischen Improvisation vorne und Organisation hinten zu sorgen. Womit wir beim wichtigsten Traktandum, der transfertechnischen Tagesordnung des Sportchefs angelangt sind: er braucht für nächste Saison noch einen Organisator der Defensive, einen Nachfolger von Félicien DuBois (Rücktritt). Also einen neuen Verteidigungsminister.

Er weiss, wen er haben möchte: Dominik Egli von den Lakers. Als Offensiv-Verteidiger ist er nicht bloss eine Rolex, sondern eine «Patek Philippe» in der Transfer-Edelboutique. Andererseits sucht Dominik Egli noch nicht das grosse Geld. Sondern die sportliche Weiterentwicklung. Und so hofft Raeto Raffainer nach wie vor. Er sagt: «Ich nehme an, es gibt drei Optionen für Dominik: Schweden, Zug oder wir.»

Rapperswils Dominik Egli beim Meisterschaftsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und den Rapperswil-Jona Lakers, am Dienstag 20. Oktober 2020, im Ilfisstadion in Langnau. (KEYSTONE/Marce ...
Mann der Begierde: Dominik Egli.Bild: keystone

Sollte Rappis Verteidigungsminister das Abenteuer Schweden locken oder Zugs Sportchef Reto Kläy in der präsidialen Apotheke noch etwas «Transfer-Pulver» finden und so viel Geld bieten, dass die Salärluft in Davos oben zu dünn wird (der HCD möchte ja 1,2 Millionen sparen!) – dann wird Raeto Raffainer wohl auf einen ausländischen Verteidigungsminister setzen, um Ordnung auf dem Pausenplatz zu schaffen. Christian Wohlwend kann ja im zweiten Powerplay weiterhin einen Stürmer an die blaue Linie beordern.

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22 Kommentare
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Ranger55
19.12.2020 14:19registriert April 2018
Frage mich, ob es mit der geplanten 10er Importregel noch Sinn macht in überteuerte CH-Spieler zu investieren? Gemäss den Liga-Generälen müssten vergleichbare Spieler aus dem Ausland ja ein Bruchteil kosten.
Ich weiss nicht, aber irgendwo hat diese Formel einen Fehler...
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Rodu
19.12.2020 16:52registriert Oktober 2020
Schon speziell - anhand von was für Zahlen machen die Clubs das Budget für die kommende Saison, wenns für diese Saison nich gar nicht klar ist wie es finanziell enden wird - Konkurse/ Arbeitslosenquoten werden bestimmt in die Höhe schnellen, so dass Fan-/Sponsorenseitig bestimmt massiv weniger Einnahmen kommen werden! Aber Transfers sind ja scheinbar momentan nebst der "allseitsgewollten Zukunfts-Ausländerregel" laut Medien das wichtigste...
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radical
19.12.2020 23:36registriert April 2016
Oje immer wieder die Mär von der bereinigten Tabelle. Wann sieht der Eismeister ein dass Davos nicht gut genug ist für die Plätze 1 bis 8.
Wohlwend bewist dieses Jahr dass er keinen Plan B hat, immer vorwärts, dabei sollte er foch wissen Defense first. Wo hat der die Ausbildung gemacht. Wann merkt dieser Wundertrainer endlich dass er die Defense stabilisieren muss.
Tja und Ambühl wird nicht jünger, der 41 jährige ist auch weg. Früher konnte HCD mut ADC ködern und gutem Salär mit was heute??? Hörtauf den HCD besser zu schreiben als er ist.
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