Sport
Eismeister Zaugg

Der SCB holt den Cup – aber Marc Lüthi fehlt das meisterliche Selbstvertrauen

SC Bern ist Cupsieger

1 / 10
SC Bern ist Cupsieger
Der Moment der Entscheidung: Nach der Schlusssirene brechen bei den Berner Bären alle Dämme.
quelle: keystone / peter schneider
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Gibt's den entscheidenden Schub?

Der SCB holt den Cup – aber Marc Lüthi fehlt das meisterliche Selbstvertrauen

Ein «Final-Verlierer-Grand-Slam» für Martin Gerber und der Ehrentitel «Silberschmied von Bern» für Sean Simpson. Aber mit einem 3:1 gegen die Kloten Flyers feiert der SCB den grossen Triumph und gewinnt den Cup. 
12.02.2015, 07:0112.02.2015, 08:55
Folge mir
Mehr «Sport»

Der sportliche Gehalt war mittelmässig. Aber die Unterhaltung vorzüglich. Zumindest vor dem Spiel. Sogar Verschwörungstheoretiker sind beim ersten Cup-Final seit 1973 auf die Rechnung gekommen.  

Der Teambus der Kloten Flyers bleibt bei der Anreise nach Bern im Gubrist-Tunnel stecken. Mehrere Unfälle und Rauchentwicklung führen zu einem Megastau. Die Spieler müssen aussteigen, durch den Notausgang den Tunnel verlassen und 300 Meter zu Fuss gehen. Bald können sie wieder einsteigen und es geht weiter Richtung Bern. Nach Wangen an der Aare sorgt eine Polizei-Eskorte für zügige Fahrt.  

Waren meist einen Schritt zu spät: Die Kloten Flyers.
Waren meist einen Schritt zu spät: Die Kloten Flyers.Bild: KEYSTONE

Verspätung wegen Unfall keine Entschuldigung

Woher kam der Rauch? Hatte Armin Meier, der tüchtige Chef der Vermarktungsagentur, die den Cup veranstaltet (InfrontRingier), eine Rauchpetarde zünden lassen um noch einmal auf allen Kanälen ordentlich Werbung für «sein» Endspiel zu machen? Natürlich nicht. Aber die Meldung vom blockierten Teambus macht am Vorabend die Runde durch alle Medien. Am Ende ist es gar nicht so schlimm. Die Zürcher treffen um 19:04 Uhr in Bern ein – rund 45 Minuten später als geplant. Deshalb beginnt die Partie mit einer viertelstündigen Verspätung um 20.30 Uhr. «Die Verspätung hat unsere Vorbereitung nicht gestört», wird Sean Simpson hinterher sagen. «Als wir in Bern 5:1 gewannen, waren wir wegen Schneefalls auch zu spät in Bern angekommen.» 

Die Kloten Flyers sind dann auch auf dem Eis meistens in den meisten Szenen zu spät gekommen und haben viel zu spät ihren einzigen Treffer zum 3:1 erzielt (50. Min.). Bereits nach 24 Minuten ist mit dem 3:0 alles vorbei und der SCB steht zum zweiten Mal in seiner Geschichte (nach 1965) als Cup-Sieger fest. Fortan braust eigentlich vor allem Jubel auf, wenn ein bisschen gerauft wird oder wenn auf dem grossen Videowürfel ein Pärchen von der Kamera erfasst, in ein grosses Herz gebeamt wird und sich zu küssen hat. Der Werbegag eines Hauptsponsors.  

Bern bangt um Bertschy
Der SC Bern hat den Cup gewonnen aber Christoph Bertschy nach einem

Zusammenstoss mit Klotens Patrick von Gunten (kein Foul) verloren. Es war

ein schräges Bild: Der Nationalstürmer humpelte an Krücken im SCB-Dress zur

Siegerehrung aufs Eis und heizte die Jubelgesänge der Fans mit dem

Gehbesteck an. Der Pechvogel sagt: «Ich kann nicht einmal sagen, wie es zu

dieser Verletzung gekommen ist.» Er sei nach einem Zweikampf gestürzt. Nun

habe er Schmerzen im Hüftgelenk. Eine genaue Diagnose wird erst nach

weiteren ärztlichen Untersuchungen möglich sein. Ein vorzeitiges Saisonende

ist nicht auszuschliessen.

Sean Simpson: «Wir waren einfach zu wenig gut»

Wenn schon auf dem Videowürfel geschmust wird, dann gehört sich auch, dass die Verlierer getröstet werden. Für die Klotener gibt es am Schluss einen netten Trostpreis. Eine Silbermedaille für den Final-Verlierer. Sean Simpson ist nun ein doppelter Silberschmied. 2013 gab es nach dem verlorenen WM-Final in Stockholm auch Silber. Nun ist der Kanadier auch der Silberschmied von Bern. 

Für jeden Spieler und Betreuer beim Sieger gab es eine Goldmedaille, für alle Verlierer also Silber. Auch für Sean Simpson. Der Kanadier verzichtete allerdings auf das Edelmetall. Er verliess das Eis schon vor der Medaillenübergabe und verschwand in der Kabine. Er zeigte sich aber als guter Verlierer. «Wir waren einfach zu wenig gut.» Und sagte, 2013 im WM-Finale sei die Nationalmannschaft dem Sieg viel näher gekommen als jetzt seine Kloten Flyers dem Cup-Triumph.  

Fairer Verlierer: Sean Simpson.
Fairer Verlierer: Sean Simpson.Bild: KEYSTONE

Gerber verliert als erster Schweizer vier verschiedene Finals

Wer will, kann auch noch erwähnen, dass dem Titan Martin Gerber einen «Grand Slam» gelungen ist. Als erster Schweizer Goalie hat er vier verschiedene Finals verloren. Die Stanley-Cup-Finals von 2003 und 2007, den Playofffinal 2005 in Schweden, den WM-Final von 2013 und nun eben unseren Cup-Final von 2015. Das mag eine statistische Boshaftigkeit sein. 

Bedenklicher ist schon die «Poulidorisierung» der Kloten Flyers. Nach den Playoff-Finals von 2009, 2011 und 2014 haben sie nun schon zum vierten Mal hintereinander ein Final verloren. Der Begriff «Poulidorisierung» geht auf den Radrennfahrer Raymond Poulidor zurück. Er ist einer der populärsten Sportler Frankreichs geworden, weil er die Tour de France eben nie gewonnen hat und in so vielen Rennen nur Zweiter geworden ist. 

Martin Gerber holt sich den unrühmlichen «Grand Slam».
Martin Gerber holt sich den unrühmlichen «Grand Slam».Bild: Urs Lindt/freshfocus

Langweiliges Spiel, aber gut inszeniert

Haben wir im Cup-Final grosses Hockey gesehen? Nein, ganz und gar nicht. Die Kloten Flyers waren eine Nummer zu klein. So wie das halt im Normalfall ist, wenn der NLA-Leader gegen den 10. der Tabelle spielt. Es war gut inszeniertes, aber langweiliges Alltagshockey im Sonntagsgewand des Kommerz und des Spektakels. Der Auftakt war gar festlich: Erst der Berner Marsch zu Ehren des SC Bern. So wie vor jedem SCB-Heimspiel: 
«Tram, Tram, trädiri, Mueter, morn mues g’chüelet si
Träm, räm, trädiri, Rösti u Späck im Häfeli»

Anschliessend die Nationalhymne. Die SCB-Anhänger singen mit, aber die unanständigen, vaterlandslosen Gesellen im Fansektor der Kloten Flyers stören die patriotische Feierstunde und singen ihre eigenen Songs. Später zünden sie auch noch verbotenerweise Pyros. 

Die ausverkaufte Halle sorgte für gute Stimmung.
Die ausverkaufte Halle sorgte für gute Stimmung.Bild: Christian Pfander/freshfocus

Der Cup-Sieg kann den entscheidenden Schub geben

Auch fürs Spiel gilt: Gly isch g’chüelet gsi. Aber wir sollten uns davor hüten, den so früh sichergestellten SCB-Sieg gering zu schätzen. Die psychologische Wirkung des Triumphes ist nicht zu unterschätzen. Zum ersten Mal in seiner Karriere hat SCB-Trainer Guy Boucher im Erwachsenenhockey einen Titel errungen. Wir wissen jetzt, dass er kein Verlierer ist und Meister werden kann. 

SCB-General Marc Lüthi sagt, nun habe der SCB wenigstens einen Teil des letztjährigen Misserfolges (Playoffs verpasst) wieder gutgemacht. Das alte, meisterliche Selbstvertrauen ist aber noch nicht ganz zurückgekehrt. Auf den Vorschlag eines vorwitzigen Zaungastes, doch das Siegerpodest, das dann auch für die Siegerehrung der Meisterschaft gebraucht wird, gleich für die Meisterfeier im Berner Hockey-Tempel einzulagern, ging er nicht ein. Und so muss die ganze Einrichtung, die einen 14 Meter langen Lastenzug füllt, wieder ins Magazin nach Muttenz/BL gekarrt werden. 

Marc Lüthi will das Podest nicht beim SCB einlagern.
Marc Lüthi will das Podest nicht beim SCB einlagern.Bild: EPA/KEYSTONE

Jetzt gilt es für Kloten ernst

Die Feier im Stadion war nicht so emotional und ausgelassen wie nach dem Gewinn einer Meisterschaft. Ein finaler Triumph am Ende der Saison ist halt schon noch etwas ganz anderes. Logisch, es geht ja am Freitag für den SC Bern und für die Kloten Flyers schon weiter. Für Kloten ist die Niederlage nicht soooo schlimm. Erst am Freitag, im Heimspiel gegen Biel, ist verlieren verboten. Sonst verpassen die Zürcher als Vorjahresfinalisten die Playoffs. 

Freinacht gab es in Bern keine und die Stimmung im Stadion ebbte rasch ab. Kurz nach Mitternacht brausten aber dann in der Stadionbeiz noch einmal Jubelgesänge auf. Aber nicht um den Cupsieg zu feiern. Ein Gast feierte in den Geburtstag hinein und seine Freunde sangen «Happy Birthday to you!»

Kennst du schon die watson-App?

Über 100'000 Menschen nutzen bereits watson für die Hosentasche. Unsere App hat den «Best of Swiss Apps»-Award gewonnen und wird von Apple als «Beste Apps 2014» gelistet. Willst auch du mit watson auf frische Weise informiert sein? Hol dir jetzt die kostenlose App für iPhone/iPad und Android.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Alles eine Frage der Dosierung – spielen die Refs im Final eine Rolle?
Die Schiedsrichter waren während der Qualifikation meistens gut und berechenbar und während den Playoffs bisher sogar sehr gut. Die grosse Bewährungsprobe folgt ab heute im Final zwischen den ZSC Lions und Lausanne.

Wer eine lose Umfrage über die Qualität der Schiedsrichter macht – am Stammtisch, bei Sportchefs oder Manager – bekommt in der Regel Antworten, die zwischen «miserabel» und «völlig ungenügend» tendieren. Die Beurteilung wird natürlich stark vom Ausgang des vorangehenden Spiels beeinflusst – alle sind ja mehr oder weniger Sympathisanten eines Klubs und alle gehören halt hin und wieder oder manchmal auch meistens zu den Verlierern.

Zur Story