Eine Hockey-Quizfrage: Wann hat der HCD das letzte Playoff-Spiel ohne Arno Del Curto an der Bande bestritten?
Richtige Antwort: vor 25 Jahren im Frühjahr 1996. Unter Trainer Mats Waltin verloren die Davoser in Zug die 5. und letzte Playoff-Halbfinalpartie 2:3 und schieden aus.
Am 27. November 2018 legte Arno Del Curto sein Amt nieder. Seither hat der HCD noch keine Playoffs gespielt. Im Frühjahr 2019 musste sein Nachfolger Harijs Witolinsch in die Playouts und vor einem Jahr konnten die Playoffs nicht ausgetragen werden.
Trainer Christian Wohlwend (44) steht in seiner zweiten Saison als HCD-Cheftrainer also vor der Playoff-Premiere.
Arno Del Curto (64) wäre, wenn er sich denn noch für Hockey interessieren würde, mit seinen Erben zufrieden.
Der HCD zelebriert Tempo-, Lauf- und Energiehockey wie während der ruhm- und titelreichen Jahre unter Arno Del Curto. «Diese Spielweise gehört zur DNA des Klubs», sagt Christian Wohlwend. Es ist auch sein Spiel, seine Hockey-Philosophie.
Ist diese Philosophie ein weiteres Mal nach 2002, 2005, 2007, 2009, 2011 und 2015 eine meisterliche? Die Augen von Christian Wohlwend blitzen auf, wenn er sagt: «Wir werden es jedenfalls versuchen.»
Aber mit Arno Del Curto will er keinen Vergleich:
Was auffällt: der HCD hat diese Saison am meisten Tore erzielt und nach den SCL Tigers am zweitmeisten kassiert. Der Pessimist sagt: Das HCD-Spiel ist zu wenig gut ausbalanciert. Der Optimist Christian Wohlwend entgegnet: «Das ist unsere Balance: Viele Tore schiessen und viele Tore kassieren …»
Es ist ein Tanz auf der spielerisch-taktischen Rasierklinge mit erheblicher Absturzgefahr. Der HCD mahnt mit seinem kompromisslosen Vorwärtshockey an eine Schulklasse, die rennt und rennt, um den nächsten Zug nicht zu verpassen. Und den Zug manchmal verpasst.
Das Spiel ist nicht mehr ganz so präzis wie in den besten Zeiten unter Arno Del Curto. Aber immer noch mitreissend und dynamisch. Und an einem guten Abend lähmt das Forechecking nach wie vor jede gegnerische Mannschaft. Aber eben: Es ist nicht mehr der ganz grosse, magische HCD.
Was seine Logik hat: Während der Jahre des Ruhmes konnte der HCD, wenn es sein musste, auf dem Transfermarkt so viel Geld ausgeben wie die ZSC Lions, Lugano, Zug oder der SCB. Und hatte so auf den zentralen Positionen – Torhüter, Mittelstürmer – zeitweise die besten und teuersten des Landes: Leonardo Genoni und Reto von Arx zum Beispiel.
Sandro Aeschlimann ist nicht der neue Leonardo Genoni. Und einen schlauen Mittelstürmer wie Reto von Arx hat der HCD nicht mehr.
Andres Ambühl ist jetzt der offensive und auch sonstige Leitwolf. Er ist 37 und wird diese Saison seine bisherigen Punkte- und Tore-Karriererekorde übertreffen. Der erstaunlichste Spieler dieser Meisterschaft. Dominant in allen drei Zonen, Spielmacher, Vollstrecker, Antreiber. Sein Pass zum Siegestreffer in Bern – gespielt mit der Präzision eines Landvermessers.
Aber eben: Er hat Reto von Arx seit 2015 nicht mehr an seiner Seite. Der Emmentaler wechselte nach dem letzten Titel in den sportlichen Ruhestand.
Eine ganze Reihe von meisterlichen Helden sind ins Flachland hinabgestiegen. Leonardo Genoni, Grégory Hofmann und Dario Simion nach Zug, Samuel Walser nach Fribourg.
Unvergesslich ist der Spruch eines grossen Spieleragenten: «Crazy Money in the Swiss Mountains». Das ist vorbei. Heute gilt «Crazy Money on the shores of the Lakes.»
Polemisch gesagt: die aktuelle Ausgabe ist noch eine «Billig-Version» des meisterlichen HCD. Womit wieder bei der Frage angelangt sind: Ist der Titel möglich? Mit klar weniger Geld als den Titanen der Liga zur Verfügung steht?
Christian Wohlwend hat mit dem HCD noch nicht ein einziges Playoff-Spiel kommandiert. Und gilt denn nicht: Die Offensive entscheidet Spiele, die Defensive die Meisterschaft?
Das schon. Und so gesehen ist der HCD mit der aktuell zweitdurchlässigsten Verteidigung kein Titelkandidat.
Aber entscheidend sind in den Playoffs noch andere Faktoren. Beispielsweise die Fähigkeit des Coaches aus einer Niederlage sofort die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und siehe da: Der HCD verliert in Bern 1:5 und gewinnt 24 Stunden später 2:1. Ohne seinen gesperrten Powerstürmer Fabrice Herzog.
Beim 1:5 kassiert der HCD drei Treffer in Unterzahl und Robert Mayer ist einmal mehr ein Lottergoalie mit 79,17 Prozent Fangquote. Beim 2:1 gelingt dem SCB in gut 10 Minuten kein Powerplay-Treffer und Sandro Aeschlimann wehrt 96,55 Prozent der Schüsse ab. Der HCD kann auch defensiv. Der HCD hat inzwischen eine klare Nummer 1 im Tor. Auch das eine Voraussetzung für erfolgreiche Playoffs.
Und da ist noch etwas: In den Playoffs entscheidet sehr oft der letzte Tropfen Sprit in den Energietanks. Die Berner verlieren die zweite Partie auch deshalb, weil ihnen die Kraft ausgeht. Christian Wohlwend ist sicher, dass der HCD die Energie hat, um seinen Stil durchzuziehen.
Ganz ist die «Ära Del Curto» erst vergessen, wenn der nächste Titel gelingt. In einer Beziehung ist das «Kapitel Arno Del Curto» allerdings jetzt aufgearbeitet.
Der Kulttrainer, der vom Sommer 1996 bis im November 2019 den HCD prägte, hat soeben seine Biografie fertig geschrieben.
Oder besser: Arno Del Curto hat Franziska K. Müller, der Verfasserin u.a. des Buches «Platzspitzbaby», seine Lebensgeschichte erzählt. Er sagt, nun gehe es noch ums Gegenlesen, Korrigieren und Einfügen, was er vergessen habe.
Ein Titel sei ihm noch nicht eingefallen: «Vielleicht einfach: ‹Arno Del Curto› und als Unterzeile ‹No excuses›.» Das war sein Motto als Trainer. Ein paar von meinen boshaften Titelvorschlägen verwirft er unwirsch.
Das Buch werde wohl im Oktober oder November gedruckt sein. Und auf einmal hält er inne. «Aber vielleicht wird nur ein einziges Exemplar gedruckt. Weil ich das so will. Wer es lesen will, den lade ich dann zu mir nach Hause ein.»
Aha. Hockeytrainer ist er nicht mehr. Die Rückkehr ins Hockeygeschäft schliesst er kategorisch aus. Aber ein Nonkonformist ist er geblieben.
Nun habe ich einen Traum: Es gibt tatsächlich nur ein einziges Exemplar seiner Biografie. Ich lese sie nicht. Er liest mir seine Geschichte vor. Das Kapitel über seine letzte Station als «Hockey-Rockstar» im Hallenstadion lassen wir aus. Vielleicht darf ich in einem Schaukelstuhl vor dem Kaminfeuer sitzen. Mit einer grossen schwarzen Katze namens «Ralph K.», «Aschi W.» oder «Reto» wärmend zu meinen Füssen, die in Schaffell-Pantoffeln stecken.
Hockeyromantik und -Nostalgie pur. Für alte Männer.