Jetzt, da die NHL-Trade-Deadline vorbei ist, fliegt Nationaltrainer Patrick Fischer nach Nordamerika. Die Mission der Reise: Bei den Schweizer Söldnern in der NHL und AHL den Puls fühlen. Wie es ihnen geht und wie sie der Eishockey-WM vom Mai in der Schweiz entgegenblicken.
Nach dieser Tour durch Kanada und die USA weiss Fischer, auf wen er am Heimturnier zählen kann und auf wen er verzichten muss. Wir werfen bereits jetzt einen Blick, bei welchen Spielern die Lage des Teams und die Vertragssituation eine WM-Teilnahme erlauben.
Josi hat nun vier Spiele nicht mehr gepunktet und 25 Spiele in Serie kein Tor mehr erzielt. Dennoch wäre es in Anbetracht der Saison, die er spielt, eine Frechheit, hier weniger als fünf Sterne zu geben. Der Berner ist so gut wie noch nie und einer der besten Verteidiger der Welt.
Quit showing off, Josi. pic.twitter.com/KvFhjBz0mG
— Corey Sznajder (@ShutdownLine) February 23, 2020
Sein Transition-Spiel ist eine Macht. Kein anderer Verteidiger ist auch nur annähernd so gut an der Scheibe wie der 29-Jährige. Der beste Roman Josi der Geschichte wäre in dieser Form selbstverständlich auch für die Nati eine willkommene, vielleicht gar dringend nötige Verstärkung.
Nashville liegt derzeit nur zwei Punkte ausserhalb der Playoff-Plätze. Zudem hat die Mannschaft noch einige Spiele weniger als die direkte Konkurrenz. Aber die Predators spielen in dieser Saison alles andere als konstant. Eine Niederlagenserie und schon sieht es wieder düster aus.
Falls die Predators die Playoffs noch erreichen sollten, scheint es so, als dass das Abenteuer schnell wieder vorbei sein könnte – also ein Out in der ersten oder zweiten Runde. Die NHL-Playoffs beginnen am 8. April, die WM erst einen Monat später am 8. Mai. In diese Zeit passen fast zwei komplette Playoff-Runden. Selbst falls Nashville die Playoffs schafft, scheint es also realistisch, dass wir Josi noch an der Heim-WM sehen. Aber es kann auch ganz anders kommen, wie 2017, als die «Preds» überraschend in den Stanley-Cup-Final vorstiessen.
Hischier kam erst gerade von einer Verletzung zurück. In den vier Spielen seit seinem Comeback hat er nur einen Assist verbucht. Vor der Blessur war er aber gut in Form. Das zieht sich etwas durch diese Saison, bei Hischier wie den Devils: Die Konstanz fehlt. Auf sehr gute Phasen folgen wieder schwächere Abschnitte.
Aber der Walliser wird in New Jersey nicht nur an seinen Skorerpunkten gemessen und ist selbstverständlich weiterhin ein hervorragender Center. Und davon hat die Schweiz ja nicht gerade im Überschuss. Seine neu gewonnene Bullystärke kann der Nati in den Special Teams helfen.
Sofern er bis dann gesund bleibt, dürfte Nico Hischier an der Heim-WM in Zürich (und Lausanne, aber dort spielt die Schweiz ja nicht) dabei sein. Der Abstand der Devils auf die Playoff-Plätze ist schon seit einiger Zeit zu gross, um die Post-Season noch zu erreichen. Da Hischier seinen Vertrag bereits frühzeitig um sieben Jahre verlängert hat, sollte einer WM-Teilnahme eigentlich nichts mehr im Weg stehen.
Kein Schweizer NHL-Söldner ist seit dem Jahreswechsel besser in Form als Kevin Fiala. Er skort pro 60 Minuten Eiszeit 2,9 Punkte. Es scheint, als wäre dem Ostschweizer ein Knoten aufgegangen. Er treibt das Spiel der Minnesota Wild mit seinem Talent und seinem Ehrgeiz an und erhält nun dementsprechend auch viel Eiszeit. Der 23-Jährige hat an der letzten WM trotz schlechterer Form schon überzeugt (8 Spiele, 4 Tore, 3 Assists). Ein Kevin Fiala in Höchstform wäre für Patrick Fischer noch deutlich wertvoller.
Minnesota ist in einer ähnlichen Situation wie Nashville, hat aber noch drei Punkte weniger auf dem Konto. Wie die Predators haben die Wild aber noch einige Spiele mehr zu absolvieren als die Konkurrenz weiter vorne in der Tabelle.
In 21 Spielen fünf Punkte Rückstand aufzuholen, ist natürlich nicht unmöglich, dennoch muss bei einem Team, dem es ebenfalls an Konstanz mangelt, einiges zusammenpassen. Und auch wenn es Minnesota in die Playoffs reicht: Mittlerweile haben beim Team aus dem «State of Hockey» Erstrundenniederlagen beinahe schon Tradition. So käme Fiala immer noch rechtzeitig für die WM in der Schweiz an.
Irgendwie verrückt: Ein Schweizer Stürmer hat in der NHL nach drei Vierteln der Saison 20 Tore und mehr als 40 Punkte auf dem Konto, und dennoch gilt es als eher schwache Saison. Timo Meier hat mit seinen 30 Toren und insgesamt 66 Punkten letzte Saison grössere Erwartungen geweckt. Doch wie das gesamte Team der Sharks kann auch der Appenzeller die Erwartungen diese Saison nicht ganz erfüllen. Zuletzt war Meier aber wieder ziemlich gut in Form: In den zehn bisherigen Spielen im Februar hat er 9 Punkte gesammelt.
Timo Meiers San Jose Sharks befinden sich in einer ähnlichen Situation wie die New Jersey Devils im Osten. Die Playoffs sind mit 14 Punkten Rückstand realistischerweise nicht mehr erreichbar. Die Kalifornier sind derzeit das drittschlechteste Team ihrer Conference. Und auch Meier hat seinen Vertrag im Sommer langfristig verlängert. Lässt es der Gesundheitszustand zu, wird der Flügelstürmer an der Heim-WM dabei sein.
Von allen NHL-Schweizern, die zum Einsatz kommen, spielt Niederreiter wohl die enttäuschendste Saison. Auf ein paar gute Spiele kommen immer wieder auch längere Phasen, in denen der Churer nicht mehr skort. So haben sich in dieser Saison erst zehn Treffer angesammelt.
Zuletzt lief es dem 27-jährigen Flügel wieder etwas besser (3 Tore und 1 Assist in den letzten 5 Spielen). Zudem ist er für die Hurricanes auch weiterhin wertvoll, weil er es auch ohne Skorerpunkte schafft, das Spiel ins gegnerische Drittel zu drängen.
Aktuell sitzt Carolina auf dem zweiten Wild-Card- und damit auch auf dem letzten Playoff-Platz in der Eastern Conference. Gefahr droht dahinter von Columbus, den Rangers und Florida. Oder auch von den Toronto Maple Leafs, falls diese von Florida noch überholt werden.
Von den Teams im direkten Playoff-Kampf sind die Hurricanes aber am besten in Form. Zudem haben sie sich an der Trade-Deadline noch gut verstärkt. Eine erfolgreiche Qualifikation scheint momentan wahrscheinlich. Und wenn sie immer so gut defensiv spielen wie im letzten Drittel beim historischen Spiel gegen Toronto mit Notfall-Goalie David Ayres, dann können sie in den Playoffs weit kommen.
Sven Bärtschi ist und bleibt einer der talentiertesten Schweizer Stürmer. Obwohl er bei den Vancouver Canucks offensichtlich keine Rolle mehr spielt, überzeugt er in dieser Saison mit mehr als einem Punkt pro Spiel in der AHL. Im Januar ist seine Produktion etwas ins Stocken geraten, nun hat er den Tritt wieder besser gefunden.
Bärtschi spielt in Utica bei einem Team, das vermutlich in den AHL-Playoffs stehen wird. Die Playoffs in der Liga der Farmteams beginnen später als jene in der NHL. Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass wir ihn an der Heim-WM im Einsatz sehen. Das wäre mittlerweile fast nur möglich, wenn der 27-Jährige sein Nordamerika-Abenteuer vorzeitig abbricht und seinen Vertrag auflöst.
Nach einigen Startschwierigkeiten hat sich Gilles Senn zu einem guten AHL-Torhüter entwickelt. Seit Januar spielt er mit einer durchschnittlichen Fangquote von 91,92 Prozent und kassiert dabei 2,25 Tore pro Spiel. Dass er nicht in die NHL zum Ersatz von Mackenzie Blackwood befördert wird, liegt daran, dass er von Binghamton im Playoff-Kampf gebraucht wird.
~Some Senn saves~ (say that 5x fast)
— Nicole Menner (@NicoleMenner) February 22, 2020
47 saves for Gilles Senn tonight as the @bingdevils win 2-1 and jump up to 4th place in the North Division 👀 pic.twitter.com/W6g5Idl3br
Auch dank Senns Leistungen und sechs Siegen aus den letzten zehn Partien haben sich die Binghamton Devils in der AHL wieder bis auf drei Punkte an einen Playoff-Platz herangearbeitet. Schaffen die «kleinen» Devils die Qualifikation, ist eine WM-Teilnahme genau wie bei Bärtschi unrealistisch. Sonst könnte man sich den 23-Jährigen gut als Nummer 3 vorstellen. Patrick Fischer hat ihm diese Rolle schon einmal zugetraut und seither ist der Goalie noch besser geworden.
Im Sommer schien Luca Sbisas NHL-Karriere schon fast vorbei. Mittlerweile hat er sich bei Winnipeg wieder als Stammverteidiger festgesetzt. Der Zuger spielt zwar keine überragende Saison, scheint aber dennoch weiterhin das Vertrauen von Trainer Paul Maurice zu geniessen. Anfang Februar hat er sich beim Blockieren eines gegnerischen Schusses verletzt und muss nun nach dem zwischenzeitlichen Comeback und einem Rückfall nochmals kurz pausieren.
In den letzten Jahren war Sbisa aus diversen Gründen selten ein Thema für die Nati. Nun scheint sich das geändert zu haben. Wobei es immer noch unklar ist, wie sich Sbisas Spiel auf das grössere europäische Eisfeld überträgt.
Winnipeg kämpft mit einem Punkt Rückstand derzeit noch um einen Playoff-Platz. Zudem hat der Zuger wie in den letzten zwei Jahren noch keinen Vertrag für die nächste Saison. Das muss nichts heissen, wie Kevin Fiala letztes Jahr bewiesen hat. Schliesslich kann die WM für vertragslose Spieler auch als Schaufenster dienen. Doch es scheint wahrscheinlicher, dass Sbisa an der Heim-WM nicht dabei ist.
Zehn Spiele ist es nun her, seit Gaëtan Haas zum letzten Mal gepunktet hat. Das liegt aber auch daran, dass der Romand von Trainer Dave Tippett nur wenig Eiszeit erhält. Dabei beweist der 28-Jährige regelmässig, dass der Coach ihm eigentlich vertrauen könnte, insbesondere auch im Spiel nach hinten. Kein Schweizer NHL-Stürmer blockiert mehr gegnerische Schüsse.
Die Edmonton Oilers sind (noch) auf gutem Weg, zum ersten Mal seit 2017 die Playoffs zu erreichen. Der Westen ist derzeit aber kaum zu prognostizieren. Es könnte also auch sein, dass die Oilers in den Playoffs längerfristig engagiert sind, es kann aber auch das direkte Gegenteil eintreten. Doch selbst dann deutet wenig auf eine WM-Teilnahme hin: Wie Sbisa hat auch Haas noch keinen weiterlaufenden Vertrag für die NHL.
Nach seinem hervorragenden Saisonstart musste Siegenthaler zuletzt zwischendurch auch mal wieder ein Spiel von der Tribüne aus verfolgen. Am Tag der Trade-Deadline wurde er gar noch in die AHL geschickt. Womöglich ist das nur eine Papier-Transaktion, damit er auch in den AHL-Playoffs einsatzfähig wäre. Falls er tatsächlich nach Hershey muss, wäre das unverständlich. Denn die Zahlen deuten darauf hin, dass der 22-jährige Zürcher gar Washingtons bester Defensivverteidiger ist.
Die Capitals sind als Leader der Metropolitan Division schon so gut wie sicher in den Playoffs. Dem Team aus Washington, D.C. wird auch ein langer Playoff-Run zugetraut. Nur schon deshalb scheint es also unwahrscheinlich, dass Jonas Siegenthaler die Nati an der Heim-WM verstärkt. Kommt hinzu, dass der Zürcher für die nächste Saison noch keinen Vertrag hat. Er wird also auch bei einem frühen Playoff-Out kaum zu Patrick Fischers Equipe stossen.
Unter dem neuen Trainer John Hynes (und bedingt durch Verletzungen anderer Verteidiger) erhielt Yannick Weber im neuen Jahr so viel Eiszeit wie noch nie bei den Predators. Seine Leistung ist allerdings mehr als durchzogen. Offensiv ist sein Einfluss so gering wie seit fünf Jahren nicht mehr. Und defensiv hat er die schlechtesten Statistiken aller Predators-Verteidiger.
Allein aufgrund der Situation der Mannschaft käme ein WM-Aufgebot eigentlich durchaus in Frage (siehe Abschnitt zu Roman Josi). Doch auch der Berner Routinier muss sich noch für einen Vertrag aufdrängen, weil er für die nächste Saison noch keinen hat. Auch für ihn gilt: Eine gute WM könnte bei den Vertragsverhandlungen helfen. Aber das Risiko für eine Verletzung und eine daraus resultierende schlechtere Verhandlungsposition wird wohl überwiegen.
Unter Interimstrainer Alain Nasreddine erhält Mirco Müller mehr Eiszeit als noch unter Vorgänger John Hynes. Das scheint dem Winterthurer auch geholfen zu haben, etwas Stabilität zu finden. Dennoch ist es noch immer keine gute Saison des 24-Jährigen, weshalb ihn viele Fans der New Jersey Devils nicht mehr im Kader sehen wollen.
Die Devils werden in den Playoffs nicht dabei sein. Patrick Fischer wird an der WM aber wohl dennoch ohne Müller auskommen müssen. Der Vertrag des Verteidigers läuft nur noch diese Saison.
Zum Saisonstart hatte Philipp Kurashev in seiner ersten Saison als Eishockey-Profi ziemlich Mühe. Doch je länger er bei Rockford im Team war, desto besser spielte er. Im Dezember sammelte er in 13 Spielen 12 Punkte. Doch genau als er in guter Form war, verletzte sich der 20-Jährige. Am Sonntagabend spielte er erstmals seit dem 29. Dezember wieder. Deshalb die tiefe Bewertung bei der Form.
Kurashev war eine der positiven Überraschungen der letzten Weltmeisterschaft mit einem Tor und vier Assists in acht Spielen. Dass der Center mit der guten Spielübersicht auch in Zürich mit von der Partie ist, ist nicht sicher. Seine AHL-Mannschaft, die Rockford Ice Hogs, kämpft nicht nur mit Verletzungen, sondern auch immer noch um einen Playoff-Platz. Schafft das Team aus dem US-Bundesstaat Illinois diesen Sprung, wird Patrick Fischer wohl oder übel auf Kurashev verzichten müssen.
Denis Malgin und Dean Kukan.