Katies Fangquote war beachtlich. Sie war eine selbstbewusste junge Frau, die in der Bar ein Erfolgserlebnis suchte. Mit ihrem Forechecking, das wusste Katie, würde sie eher früher als später einen Treffer landen.
Die attraktive Mittzwanzigerin blickte sich um. Noch hatte sie keinen Draftpick entdeckt und mit einem Lottergoalie, das stand für sie fest, würde sie heute nicht nach Hause gehen. Doch als Katie ein weiteres Mal ihren Blick durch den Raum streifen liess, kreuzte er sich mit jenem von Pierre. Welch Rolex auf dem Transferwühltisch! Ein Blitz durchzuckte sie und in ihrem Magen spielte ein Organist wilde Fanfaren. Pierre ging es nicht anders: Der Trompeter in seinem Kopf blies zur Attacke.
Hatte er sich eine halbe Stunde zuvor noch in den Playouts gewähnt, war er nun rasch am Bullykreis. Sofort legte er mit Trash Talk los. Katie war Feuer und Flames, auch wenn Pierre bloss einen Dreitagebart trug. Richtigen Bart trage er nur im Frühling, sagte er ihr, was bei Katie umgehend für Tagträume sorgte.
Sie mochte gar nicht mehr lange um den heissen Brei reden und weil ihr Stadion ganz in der Nähe war, forderte sie den Schillerfalter auf, in die offensive Zone vorzustossen. Dieser Langstrassen-Gretzky hatte definitiv das Zeug, es in ihr All-Star-Team zu schaffen.
In der Arena angekommen, ging es gleich hart zur Sache. Coast to coast küsste sie Pierre, der einen Crosscheck nach dem anderen austeilte. Katie wurde ganz anders, genau darauf stand sie. «Meine blaue Linie ist durchlässig», hauchte sie Pierre ins Ohr.
Kaum hatte dieser den Pfiff gehört, war er auch schon im Slot. Ein Haken hier, ein Halten dort – Katie wusste nicht mehr, wie ihr geschah. Pierre hatte sich von früheren Liebschaften schon als Goon bezeichnen lassen müssen, aber diese Katie war aus einem anderen Holz geschnitzt. Keine fürs Farmteam.
Während er gerade wieder zu einem Stockstich ansetzte, überlegte sich Pierre, ob er mal wieder den Butterfly-Stil einsetzen würde. Da sah er im Abseits plötzlich Katies Backup, ihre Mitbewohnerin Gianna, die im Türrahmen stand und genüsslich zuschaute. Hätte ein Chronist diese Geschichte so geschildert, er hätte ihm wohl nicht geglaubt. Was hielt dieses unberechenbare Spiel auf rutschiger Unterlage doch immer wieder für Überraschungen bereit!
Es brauchte keine Worte, die drei verstanden sich auch so. Pierre wurde zum Topskorer, der nun auch die Backhand forcierte. Sein Corsi-Wert schnellte in die Höhe, ihm war klar: Dieser Abend würde seiner Plus-Minus-Bilanz extrem gut tun. Nach einem krachenden Slapshot stöhnte Pierre laut auf – jetzt musste erst einmal ein Timeout her.
Doch die nimmersatten Frauen gewährten ihm kein Powerbreak. Jäh wurde Pierre bewusst, dass er in Unterzahl spielte. Ehe er sich versah, hatte ihn Gianna ausgedribbelt und an den Pfosten gekettet. «Disziplinarstrafe!», grinste sie triumphierend, während sich Katie auf Pierres Latte hockte. Pierre stöhnte auf der Strafbank und klagte über übertriebene Härte, aber das machte Katie nur noch geiler. Längst hatte sie die neutrale Zone wieder verlassen.
Katie und Gianna führten ihr Powerplay fort. Kaum liess eine von Pierre ab, war die andere für den Rebound zur Stelle. Er konnte noch so sehr seine Qualitäten als Verteidigungsminister unter Beweis stellen – es nützte alles nichts. Seine unerlaubten Befreiungsschläge sorgten nur dafür, dass es mit krachenden Open Ice Hits weiterging. «Oh Gotthelf!», schrie die unersättliche Katie. Was wünschte er sich doch plötzlich, dass er es an diesem Abend mit einem Onetimer zu tun gehabt hätte! Stattdessen wurde aus einem vermeintlichen Emptynetter aus der Bar je länger je mehr eine Best-of-seven-Serie.
Doch gegen Ende der 2+10-Minuten-Strafe hatte Pierre wieder der Ehrgeiz gepackt: Wem sich die Chance auf einen Hattrick bietet, der sollte zugreifen, sagte er sich. Noch einmal liess er es rocken und rollen. Er setzte alles auf eine Karte, holte den Zweihänder heraus und zeigte den Ladies, wie sehr er den Toe drag beherrscht. Pierre bildete sich ein, Standing Ovations von den drei Zebras auf dem Fenstersims zu erhalten. Wahrscheinlich hatte er in der Bar etwas Snus verschluckt.
Als die Fat Lady sang, liess sich die Sturmreihe erschöpft von drei umkämpften Dritteln auf die Matratze fallen. «Gut, habe ich den Videobeweis», strahlte Katie und antwortete Gianna auf die Frage, wer eigentlich am nächsten Morgen aufräumen werde: «Kein Problem, ich habe ein House Cleaning organisiert.»
Während die zwei Frauen noch schliefen und eine der beiden dabei Geräusche wie ein Zamboni von sich gab, schlich sich Pierre im Morgengrauen davon. Gegen eine Overtime hätte er zwar nichts einzuwenden gehabt. Aber er war ein begehrter Free Agent und wusste: Das nächste Spiel ist immer das schwierigste. Bevor es zu einem Lockout kam, tradete er sich deshalb lieber gleich selber. Zur Not konnte sich Pierre ja immer noch auf seinen Handgelenkschuss verlassen.