China wird für die Eishockey-Welt immer wichtiger. Mit den Boston Bruins und den Calgary Flames nahmen vergangene Woche zwei NHL-Teams im Reich der Mitte an den «China Games» teil. Im Vorjahr waren die Los Angeles Kings und die Vancouver Canucks die ersten NHL-Klubs, die sich auf chinesischem Eis präsentierten.
Am meisten Entwicklungsarbeit für China leistet aber Russland. Vor zwei Jahren wurde mit Red Star Kunlun die erste chinesische Mannschaft in die KHL integriert. Die Staatsoberhäupter Wladimir Putin und Xi Jinping waren bei der Unterzeichnung persönlich dabei. Mittlerweile laufen zwei weitere Klubs aus China in der zweithöchsten Liga VHL auf, ein Nachwuchs-Team bestreitet die Saison in der russischen Junioren-Liga MHL.
«Wenn wir die Olympischen Spiele bekommen, wird das mehr als 300 Millionen Chinesen für den Wintersport inspirieren», sagte Präsident Jinping, als sich Peking für 2022 bewarb. Der Schweizer Eishockeyverband will davon ebenfalls etwas haben und vom immensen Spielerpotenzial aus China profitieren. Florian Kohler, der CEO der Swiss Ice Hockey Federation, sagt: «Wir sind an einer langfristigen Zusammenarbeit mit China interessiert. Man kann dort das Eishockey gemeinsam mit dem internationalen Verband stark weiterentwickeln.»
Ein erstes konkretes Projekt läuft kommende Woche an. Eine rund 50-köpfige Delegation aus China wird bis im März 2019 in der Schweiz weilen. Die Spieler und der Staff leben beim Bundesamt für Sport (Baspo) in Magglingen und trainieren in Zuchwil.
Die langjährige Zusammenarbeit mit der Universität in Peking steht am Ursprung der Kooperation. «Das Baspo ist für die Unterkunft und die Verpflegung zuständig. Es ist ein Experiment, aufgrund des interkulturellen Austauschs aber auch ein sehr spannendes Projekt. Es ist im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2022 in Peking beidseits von Bedeutung», so Christoph Lauener, Leiter Kommunikation beim Bundesamt für Sport.
Für die sportlichen Bereiche des Aufbauprogramms ist der Schweizer Eishockeyverband zuständig. Genauer gesagt Markus Graf, der koordiniert. «Wir haben eine moralische und auch eine ethische Verantwortung den kleineren Verbänden gegenüber», begründet er das Engagement. Ungewissheit herrscht bezüglich des Niveaus der Delegation aus China. «Wir haben bis jetzt noch keine Spielerpässe gesehen», führt Graf aus. «Vom Alter her sind es U18- bis U21-Junioren.» Wahrscheinlich seien ein paar Kandidaten für das Olympia-Team 2022 dabei.
«Ich habe keine Ahnung, auf welchem Level sie sind. Schlittschuhlaufen sollten sie schon können», sagt Jakob Kölliker und fügt sogleich an, dass man die Chinesen nicht unterschätzen dürfe. Der langjährige U20-Nationaltrainer und Assistent der A-Nati ist Headcoach und Technischer Direktor des Projekts. Dieses läuft seit Anfang Juli, die Verträge wurden allerdings gerade erst unterschrieben. «Seit Anfang Woche wissen wir, dass sie kommen», so Kölliker. Zwei Trainingseinheiten pro Tag warten. Das Optimum aus ihnen herauskitzeln, lautet Köllikers Plan. Auch Taktik-Lektionen und Videoanalysen gehören dazu. «Es geht nicht nur um die Spieler. Wir betreuen auch die Trainer und wollen unsere Philosophie weitergeben.» Falls die Verständigung klappt. «Die Kommunikation wird eine Herausforderung», sagt Kölliker. Trotz Dolmetscher. «Ich hoffe, dass die Spieler die gängigen Eishockey-Ausdrücke verstehen.»
Ob es dem Eishockey-Exoten China mit Schweizer Unterstützung gelingt, eine schlagkräftige Equipe für Olympia 2022 zu erschaffen, wird sich zeigen. Südkorea hatte Ähnliches vor, wollte an den Spielen im eigenen Land für Furore sorgen. Mit einem Sextett von ausländischen Cracks. Die Südkoreaner blieben allerdings chancenlos und beendeten das Olympia-Turnier ohne Punkte mit nur einem Treffer auf dem letzten Rang. An der WM im Mai setzte es sieben Niederlagen ab. Mit einem Torverhältnis von 4:48 stieg Südkorea wieder ab. In China ist zwar ein Boom zu erkennen. Vladimir Krechin, GM des ersten chinesischen KHL-Teams, prophezeite aber schon 2016: «Es dauert mindestens 15 Jahre, bis China an den Top 15 der Welt schnuppern wird.»