Walter Frey, schon damals Verwaltungsratspräsident der ZSC Lions, sagte es im Herbst 2000: «Meister werden ist nicht schwer, Meister sein umso mehr.» Die ZSC Lions wurden im Frühling 2000 und 2001 Meister – leicht fiel ihnen in diesen zwei Saisons wenig.
Niemand hat damals bei Walter Frey nachgefragt, warum der Zürcher SC 39 Jahre lang darauf verzichtete, Meister zu werden, wenn es doch nicht schwierig sei. Aber Frey wollte auf einen anderen Punkt hinweisen: Es ist einfacher, einen Exploit zu schaffen, als diesen zu bestätigen, wenn es alle erwarten. Die ZSC Lions holten 2000 und 2001 den Titel. Danach gelang 16 Jahre lang keinem Meister mehr die erfolgreiche Titelverteidigung.
Trotz der Erfolge zwischen Frühling 1999 und Frühling 2001: Bei den ZSC Lions ging es drunter und drüber. Die Fusion mit dem ungeliebten Grasshopper Club von 1997 sorgte bei den ZSC-Fans immer noch für Nachwehen. Sie hatten damals sogar eine Namensänderung durchgesetzt (ZSC Lions statt wie geplant Zürich Lions).
Als Favorit stieg in beiden Saisons Lugano in den Playoff-Final. Die Luganesi gewannen jeweils die Qualifikation, in der Millennium-Saison sogar mit elf Punkten Vorsprung. Lugano sann endlich auf Revanche für die Blamage von 1992, als das «Grande Lugano» sensationell im Viertelfinal am ZSC und an Arno Del Curto gescheitert war. Aber die Revanche missriet: Die erste Finalserie gewannen die ZSC Lions in sechs Spielen, die zweite nach einem 1:3-Rückstand in sieben Spielen.
Ari Sulander «hexte» die Zürcher zu den Titeln. Die Meister-Goals erzielten Adrien Plavsic im Frühling 2000 zum 4:3 in Spiel 6 zehn Sekunden vor Schluss und Morgan Samuelsson im Frühling 2001 zum 2:1 in der Verlängerung von Spiel 7.
In der Erinnerung blieb aber anderes haften: Die andauernden Zürcher Unruhen um die Trainer Kent Ruhnke (99/00) und Larry Huras (00/01), die Krawalle zwischen den Fans, die Skandalnacht in der Resega nach dem Zürcher Sieg in der Verlängerung der «Finalissima 2001». Hooligan-Experte Dölf Brack nahm in den Medien eine Hauptrolle zur Playoff-Berichterstattung ein wie derzeit Daniel Koch vom BAG während der Corona-Krise.
Schon im ersten Final gehörten Wasserwerfer und Tränengas zu den Spielen im Hallenstadion gegen Lugano einfach dazu. Zur ersten Eskalationen kam es während des Playoff-Finals 2001 wieder in Zürich. Nach Beginn von Spiel 2 überrannten Lugano-Hooligans ohne Eintrittskarten die Türsteher und verschafften sich Einlass.
Vier Tage später schickten die Zürcher Sicherheitskräfte als Konsequenz einen Bus mit Lugano-Fans ins Tessin zurück. Wegen der Rückweisung des Fan-Cars liess Lugano als Retourkutsche beim dritten Heimspiel in der Resega aus Sicherheitsgründen keine ZSC-Fans ins Stadion.
Diese Massnahme war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. In der «Finalissima 2001» kam es zur finalen Abrechnung. Die Sieger wurden verhöhnt und mit Feuerwerk beschossen. Sicherheitsleute prügelten sich vor laufenden Kameras mit Fans.
Ausreichend Unruhe produzierten die ZSC Lions in diesen Meisterjahren aber selber. Kent Ruhnke baute innerhalb von zwei Jahren aus einem Abstiegskandidaten ein Meisterteam, erfuhr aber während der Playoffs, dass ihn Larry Huras nach der Saison an der Bande ablösen wird. «Mit Menschlichkeit hatte das, was mir beim ZSC widerfahren ist, nichts zu tun», sagt Ruhnke im Rückblick immer noch mit Wut im Bauch.
Auch sein Nachfolger Larry Huras wurde in Zürich trotz Titelgewinn nicht mehr glücklich. Huras besass Kultcharakter, als er von 1994 bis 1996 den alten, erfolglosen ZSC coachte. Damals überstand er sogar einen Saisonstart mit zwölf sieglosen Spielen ohne Imageschaden.
Zu Beginn seiner zweiten Zürcher Ära statuierte Huras aber ein Exempel an Captain Claudio Micheli, den er in die vierte Linie degradierte. Danach war sein Verhältnis zu den Schlüsselspielern gestört. Im Gegensatz zu Ruhnke durfte Huras nach der gewonnenen Meisterschaft zwar bleiben, entlassen wurde er aber im nächsten Herbst nach etwas mehr als einem Monat.
Zum Slapstick neben dem Eis passte, dass ausgerechnet Morgan Samuelsson, an den Huras nicht mehr geglaubt hatte, mit seinen Toren und Assists im Final die Wende vom 1:3 zum 4:3 gegen Lugano herbeiführte. «Es tönt nach dem kitschigen Ende einer Seifenoper – doch genauso wars eben», schrieb die NZZ.
Erst beim Stand von 1:3 im Final realisierte Huras, dass Samuelsson spielen muss. Der Schwede erzielte in den drei verbleibenden Spielen jeweils ein (entscheidendes) Tor und einen Assist. Zuvor hatte Samuelsson mit Davos als Turnier-Topskorer den Spengler Cup gewonnen. Von Huras wurde er aber mehr als einen Monat lang konsequent übergangen. Zu Beginn der Playoffs hatte sich Samuelsson mit Tennis fit halten müssen. (abu/sda)