Immer wieder klopfte Zugs Sportchef Reto Kläy an, bekundete sein grosses Interesse und erkundigte sich nach Jan Kovar, dem tschechischen Nationalspieler des HC Plzen. Erstmals im Herbst 2018. Es war ein fast unmögliches Unterfangen. Denn der Sportchef hatte viele Steine aus dem Weg zu räumen. Steine in Form von europäischen Hockey-Klubs.
Der begehrte Mittelstürmer stand auf dem Wunschzettel von diversen finanzkräftigen Klubs aus der russischen KHL, wo er das Vielfache des Lohns beim EV Zug abgesahnt hätte. Auch einige Schweizer Klubs streckten ihre Fühler aus. Demnach ein unmögliches Unterfangen für den EVZ.
Kläy setzte aber alle Hebel in Bewegung und organisierte am 1. Mai 2019 – zehn Tage nach dem letzten Playoff-Final-Spiel gegen den SC Bern – ein Treffen mit Kovar und dessen Agent im tschechischen Brünn, wo sich das tschechische Nationalteam auf die WM in Bratislava vorbereitete. Um dem Anliegen noch mehr Gewicht zu verleihen, war auch Trainer Dan Tangnes dabei.
Nachdem sie in Wien gelandet waren, stand die zweistündige Fahrt zum 150 Kilometer entfernt gelegenen Treffpunkt an. Das Abenteuer nahm seinen Lauf. Tangnes erinnert sich: «Wir sassen in einem alten, schäbigen Taxi. So etwas habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Aber wir haben uns prächtig amüsiert.»
Billig sei die Hin- und Rückfahrt mit ein paar Hundert Franken nicht gewesen, «aber schlussendlich haben wir das Geld perfekt investiert», sagt Tangnes und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.
Das Gespräch mit dem Liga-Topskorer, der die Skorer-Wertung der Playoffs mit 13 Punkten (1 Tor/12 Assists) anführt, hätte nur rund eine Stunde dauern sollen. Daraus wurden zwei, drei, und schliesslich vier. Leidtragender war der Taxi-Fahrer. Dieser musste bis zur Rückfahrt ausharren.
Damit nicht genug: In Brünn war eine 1.-Mai-Demonstration im Gang, das Taxi und der Fahrer mittendrin.«Er war ein armer Kerl, doch wahrscheinlich konnte er sich aus dem Geld ein neues Auto kaufen», scherzt Tangnes. Wenige Wochen später wurde der Transfer publik: «Die Chemie hat gestimmt», sagt Tangnes. Gewisse Bedenken gebe es immer, ergänzt Kläy. «Man kann den besten Spieler holen, aber aus gewissen Gründen harmoniert es nicht.» Doch Zug und Kovar, das passt. 121 Skorerpunkte in 113 Spielen hat er bislang beigesteuert.
Doch es sind eben nicht nur die magistralen Pässe, die ihn zum besten Spieler der Liga machen. Ob im Boxplay oder an der Bande: Er ist sich nie zu schade, defensive Aufgaben zu verrichten. So auch im ersten Playoff-Spiel. Nach 12 Sekunden bekam Genfs Topskorer Henrik Tömmernes die Aggressivität seines Pendants zu spüren. Kovar war bereit zu arbeiten, nicht nur zu spielen. «Es war ein Signal an unser Team und auch den Gegner», sagt Tangnes. Im Privaten ein bescheidener und zurückhaltender Mensch, ist es für den Tschechen auf dem Eis eine Herausforderung, die Emotionen zu kontrollieren. «Das fällt mir nicht leicht», gibt Kovar zu.
Seit dem Engagement bei Zug hat der 31-Jährige kein einziges Meisterschaftsspiel verpasst. Kovar der Dauerbrenner. Den kräftezehrenden Zwei-Tages-Rhythmus während der Playoffs tut er mit einem Schmunzeln ab: «Ich bin kein alter Mann, Energie habe ich genug.» Seine Batterien lädt er in der Sauna, im Dampfbad oder in einem Kältebad wieder auf. «Jetzt müssen alle noch ein bisschen durchhalten», fordert Kovar.
Dreimal wurde der zweifache Familienvater schon Meister. Zweimal mit dem russischen Klub Metallurg Magnitogorsk, einmal mit seinem Stammklub Pilsen in der tschechischen Liga. Der EV Zug hofft auch heute im zweiten Finalspiel auswärts in Genf (wegen der Champions League schon ab 19 Uhr) auf die Fähigkeiten des stillen Ausnahmekönners. Einer abenteuerlichen Taxifahrt sei Dank.
Der Check gegen Tömmernes wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der Ausführung, vorallem wegen des Zeichens, welches Kovar damit gesetzt hat!
Hoffentlich dürfen wir ihn auch nächste Saison noch bei uns bestaunen..