Es ist geschafft: Zum ersten Mal in der Geschichte hat eine Schweizer Mannschaft den wichtigsten Titel in einer Weltsportart gewinnen können. Die Eishockeyaner waren 2013 mit WM-Silber nah dran, die Fussballer haben es 2009 immerhin bei den U17-Junioren geschafft. Der Davis-Cup-Titel der Schweiz 2014 toppt aber alles bisher Dagewesene.
Stänkerer könnten nun monieren, das sei kein Mannschaftserfolg, sondern der Triumph zweier Einzelkönner. Natürlich haben Stan Wawrinka und Roger Federer auf dem Platz den Grossteil der Arbeit geleistet. Ohne die Entourage dahinter wäre dieser Erfolg allerdings nie möglich gewesen. Und das ist jetzt keine Floskel, wie sie die jungen, mediengeschulten Fussballer nach ihren Spielen eintönig ins Mikrofon trällern.
Die Betreuer flickten Federers Rücken, Wawrinka nahm sich den «Maestro» zur Brust, Michael Lammer und Marco Chiudinelli akzeptierten ihre Rolle ohne zu murren, bauten den seit London psychisch angeschlagenen Wawrinka wieder auf, Captain Severin Lüthi traf die Entscheidungen, die zu treffen waren.
Das Team ist in dieser Konstellation nun seit fast zehn Jahren zusammen. Diese Beständigkeit ist vor allem im Davis Cup ein grosser Vorteil. Der Wettbewerb ist übers ganze Jahr verteilt, es wird von Anfang Februar bis Ende November gespielt. Um sich schnell aufs Wesentliche konzentrieren zu können, sind fixe Strukturen und bekannte Gesichter ein entscheidender Faktor. Das wissen auch die beiden Hauptdarsteller. Ihr erster Dank galt nach dem Triumph ihren Kollegen in der zweiten und dritten Reihe.
Doch der Davis Cup hat noch weitere Tücken: Nur hier müssen die sonst stets auf sich fokussierten Spieler Rücksicht auf andere nehmen, können nicht alleine über Sieg oder Niederlage entscheiden. Wenn zwei so unterschiedliche Charaktere wie Federer und Wawrinka aufeinandertreffen, könnte das schnell zu Spannungen führen.
Doch bei den Schweizern werden diese schon im Keim erstickt. Als die Welt nach dem «Cry Baby»-Zwischenruf von Mirka Federer in London bereits einen veritablen Streit zwischen den beiden vermuten, klären Federer und Wawrinka die Situation unter Lüthis Aufsicht in fünf Minuten in der Garderobe.
Bei allem Teamwork gilt es einen trotzdem herauszuheben: Stan Wawrinka. Der einzige Romand im von Deutschschweizern geprägten Team hat seit Jahren kein Davis-Cup-Aufgebot ausgeschlagen, ist müde und angeschlagen durch die halbe Welt gejettet, um für sein Land zu spielen. In Lille lieferte er nun sein Meisterwerk ab. Sonst stets im Schatten von Federer legte er im Final mit seinem Sieg im Einzel am Freitag und der grandiosen Leistung im Doppel den Grundstein für den Erfolg.
Gross von Federer, dass er dies in der Stunde des Triumphs auch anerkennt: «Das ist Stans Sieg», sagt er – im Wissen, dass ein Typ wie Wawrinka eben nur im Team so aufblühen kann wie an diesem Wochenende für die Ewigkeit in Lille.